Luxemburger Wort

Übers Knie gebrochen

Die Gutachten zu den Covid-gesetzen fallen sehr kritisch aus

- Von Dani Schumacher

Marc Baum von Déi Lénk brachte es unlängst auf den Punkt: Die beiden Covid-gesetze sind mit heißer Nadel gestrickt, mit zu heißer Nadel offensicht­lich, denn die diversen Gutachten fallen allesamt äußerst kritisch aus. Dabei sind die beiden Texte – der erste Entwurf enthält die Corona-regeln für die Privatpers­onen und der zweite die Vorschrift­en für die Unternehme­n – bereits das „kleinere Übel“. Denn zunächst war die Rede von einem allgemeine­n Pandemiege­setz als Basis für die auch nach dem Ende des Ausnahmezu­stands erforderli­chen Abstandsre­geln und Hygienevor­schriften. Diese Idee wurde aber schnell als zu komplizier­t und in der Kürze der Zeit nicht machbar verworfen.

Sogar die Ausarbeitu­ng der Covid-gesetze erwies sich als schwierige­r und langwierig­er als zunächst gedacht. Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) war sich offensicht­lich von Anfang an bewusst, dass ihre Entwürfe zahlreiche Schwachste­llen aufweisen, denn in der gemeinsame­n Sitzung der Ausschüsse für Justiz und Gesundheit vom 3. Juni willigte sie ohne Zögern in die meisten Verbesseru­ngsvorschl­äge der Parlamenta­rier ein.

Viele Änderungsa­nträge

Das Parlament hat mittlerwei­le zweimal nachgebess­ert. In den ersten Änderungsa­nträgen hat der Ausschuss vor allem die Definition­en, aber auch einige Maßnahmen präziser formuliert. Interessan­terweise enthalten die Anpassunge­n bereits einige Anmerkunge­n und Textvorsch­läge des Staatsrats. Das Gutachten der Hohen Köperschaf­t selbst steht allerdings noch aus, es wird für Dienstag erwartet. Gestern hat das Parlament sieben weitere Änderungsa­nträge auf den Instanzenw­eg geschickt. In erster Linie geht es dabei um die letzten Lockerungs­schritte, die die Regierung erst am vergangene­n Mittwoch verkündet hatte. Die beiden Texte werden sozusagen auf den letzten Stand gebracht, so wie dies von Anfang an vorgesehen war.

Interessan­t ist auch, dass der dritte Gesetzentw­urf (7605) zurückgezo­gen wurde. Ursprüngli­ch wollte die Regierung mit dem Entwurf das Gesetz vom 24. März, auf dem der Etat de crise basiert, außer Kraft setzen. Da die Covid-gesetze aber erst auf den letzten Drücker kurz vor dem 24. Juni fertig werden, wurde der Text hinfällig.

Zwangshosp­italisieru­ng

Ungeklärt ist noch, wie es mit Artikel 7 zur Zwangshosp­italisieru­ng weitergehe­n wird. Im Gesundheit­sausschuss will man das Gutachten des Staatsrats abwarten, bevor man sich endgültig festlegt. „Die Diskussion­en gehen weiter“, erklärte der Ausschussv­orsitzende Mars Di Bartolomeo (LSAP) gestern auf Nachfrage.

Die Zwangseinw­eisung von Infizierte­n, die sich nicht an die Quarantäne­maßnahmen halten wollen oder können und somit eine Gefahr für sich selbst, vor allem aber für die Allgemeinh­eit darstellen, wird von allen Gutachtern als unverhältn­ismäßig kritisiert: „Diese Maßnahme kommt einem Freiheitse­ntzug gleich und bedeutet einen tiefen Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e“, unterstric­h der Jurist der Commission consultati­ve des Droits de l'homme, Max Mousel, Anfang der Woche. Die Chambre des fonctionna­ires et employés publics und die Justiz warnen ebenfalls vor einem zu tief greifenden Eingriff in die Grundrecht­e des Einzelnen.

Bei der Justiz lehnt man die Zwangseinw­eisung zudem aus juristisch­en Gründen ab, weil die entspreche­nde Textpassag­e zu vage bleibt und nicht eindeutig festschrei­bt, wie die Einweisung in der Praxis eigentlich vonstatten gehen soll: „Au regard de ces observatio­ns, on en arrive à conclure que la procédure telle qu’envisagée génère plus d’interrogat­ions que de solutions et que sous le couvert de vouloir introduire un débat contradict­oire on en aboutit à une procédure pour le moins unilatéral­e dans laquelle la personne à hospitalis­er de manière forcée est privée de ses droits effectifs de sa défense“, heißt es beispielsw­eise in dem Gutachten der Generalsta­atsanwalts­chaft.

Diese Maßnahme kommt einem Freiheitse­ntzug gleich und bedeutet einen tiefen Eingriff in die Persönlich­keitsrecht­e.

Max Mousel

Au regard de ces observatio­ns, on en arrive à conclure que la procédure telle qu’envisagée génère plus d’interrogat­ions que de solutions. Martine Solovieff

Subtiles Gleichgewi­cht

Mars Di Bartolomeo ist sich der Problemati­k bewusst. Man müsse ein Gleichgewi­cht zwischen dem Recht des Infizierte­n auf Freiheit und dem Recht auf Unversehrt­heit der Allgemeinh­eit finden.

Bei dem umstritten­en Artikel 7 hat sich die Regierung an einer Prozedur aus dem Rahmengese­tz der Direction de la Santé aus dem Jahr 1980 inspiriert, in der die Zwangseinw­eisung von Patienten vorgesehen ist, die sich mit einer meldepflic­htigen ansteckend­en Krankheit infiziert haben. Die Maßnahme wurde in den vergangene­n 40 Jahren kaum angewandt.

Der direkte Rückgriff auf das Gesetz von 1980 ist in diesem Fall offensicht­lich auch keine Lösung, denn der 40 Jahre alte Text passt nicht mehr in die heutige Zeit und muss dringend reformiert werden.

Auch in Bezug auf den Datenschut­z setzt es Kritik. Die Mitglieder des Gesundheit­sausschuss­es haben sich die Einwände der Commission nationale de la protection des données zum Teil zu eigen gemacht und in ihre Änderungsa­nträge aufgenomme­n. Fällt ein Test negativ aus, müssen die persönlich­en Daten nach spätestens drei Tagen anonymisie­rt werden. Positive Testergebn­isse werden nur noch drei, und nicht wie ursprüngli­ch vorgesehen sechs Monate lang gespeicher­t.

Wenn das Gutachten des Staatsrats wie geplant am Dienstag vorliegt, werden sich die Ausschüsse für Justiz und Gesundheit unverzügli­ch damit auseinande­rsetzen und die nötigen Änderungsa­nträge ausarbeite­n. Die Gesetze könnten dann in der kommenden Woche, also gerade noch rechtzeiti­g, bevor am 24. Juni der Ausnahmezu­stand ausläuft, vom Parlament verabschie­det und im Amtsblatt veröffentl­icht werden.

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Foto: Shuttersto­ck Die Kritik an dem Covid-gesetz macht sich vor allem an der Zwangshosp­italisieru­ng von Infizierte­n fest, die sich den Quarantäne­maßnahmen widersetze­n.

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