Chronik eines Millionengrabs
Blick in ein Memorandum über den Observationssatelliten LUXEOSYS
Dass staatliche Projekte in Luxemburg teurer als geplant ausfallen, ist nicht neu. Doch eine Steigerung von 170 auf 350 Millionen Euro stellt sogar für hiesige Verhältnisse eine Ausnahme dar, und so wirft die Anschaffung des Observationssatelliten LUXEOSYS viele Fragen auf. Am Dienstag, einen Tag, nachdem er in der jüngsten Sitzung der parlamentarischen Budgetkontrollkommission ausgesagt hatte, schickte Patrick Heck, früherer Directeur de la défense und heute in der Direction des affaires politiques im Außenministerium beschäftigt, per E-mail ein Memorandum über das Projekt an die Ausschussvorsitzende Diane Adehm (CSV). In der Sitzung der Verteidigungskommission vom Donnerstag zeigte sich Verteidigungsminister François Bausch (Déi Gréng) wenig erfreut darüber, dass das Dokument ohne sein Wissen an die Abgeordnete verschickt wurde. Ein Blick in die ausführliche Denkschrift.
Heck erklärt darin, dass der vorherige Verteidigungsminister Etienne Schneider (LSAP) zu Unrecht von der Opposition beschuldigt wird, in der Plenarsitzung vom 24. Juli 2018 über das Ausmaß der Kosten gelogen zu haben. Schneider habe der Direction de la défense nämlich erst einen Tag zuvor die Genehmigung für weitergehende Verhandlungen mit der später beauftragten Firma OHB-I erteilt. Zu diesem Zeitpunkt seien die Verhandlungen also noch weit von einem Abschluss entfernt gewesen.
„Exzellenter“Kostenvoranschlag Der Grund für die Kostenexplosion liege in der Entscheidung, den Betrieb des Satelliten zu externalisieren, statt wie ursprünglich geplant in die Hände der luxemburgischen Armee zu legen. Dafür verantwortlich sei „die neue Mannschaft“um Schneiders Amtsnachfolger Bausch. Heck weist in seinem Memorandum auch andere Vorwürfe zurück, beispielsweise den des Amateurismus.
Man sei während des gesamten Projekts von den auf Satellitentechnik spezialisierten Firmen SES, Luxgovsat und Hitec sowie der belgischen Armee beraten worden. Die Experten hätten den Kostenvoranschlag von OHB-I dann auch als „exzellent“und „unterhalb der normalen Marktpreise“bezeichnet.
Nicht Teil des Vertrags mit OHB-I seien jene 15 Millionen Euro gewesen, die an Luxgovsat für den Betrieb des Satelliten während zehn Jahren gezahlt werden sollten. Dabei habe es sich um einen separaten Kontrakt gehandelt. Beide seien aber Teil des am 14. August 2018 publizierten Gesetzestextes. Dieser diente als Sicherheit, um die Verhandlungen mit OHB-I zu beenden und den endgültigen Vertrag am 28. September 2018 zu unterschreiben.
Kompliziert wird es, wenn Heck den Unterschied zwischen den im Gesetzestext vorkommenden Begriffen „exploitation“und „gestion“zu erklären versucht. Die exploitation beziehe sich auf die Rolle von Luxgovsat. In der ersten Version des Gesetzestextes vom Dezember 2017 komme im ersten Artikel auch ausschließlich dieser Begriff vor. Erst auf Vorschlag der Inspection générale des finances sei im Januar 2018 der Begriff gestion hinzugefügt worden.
Später habe dann das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Pricewaterhousecoopers (PWC) bei der Ausarbeitung seines Berichts den Fehler gemacht, den Begriff gestion auf Luxgovsat statt die luxemburgische Armee zu beziehen. Dadurch werde fatalerweise der Eindruck erweckt, die Direction de la défense habe nie eine Verwaltung des Projektes durch die luxemburgische Armee angestrebt, was jedoch stets der Fall gewesen sei.
In Bezug auf die benötigten Antennen sei im Vertrag mit OHB-I vorgesehen, diese auf dem Gelände des Herrenbergs in direkter Nachbarschaft zu denen des multinationalen Projekts „Worldwide Global Satcom“(WGS) und des Luxgovsat-satelliten zu errichten. Die von LUXEOSYS übertragenen Bilder sollten anschließend zu Servern in ein am Findel zu errichtendes Gebäude weitergeleitet werden. Dort sollten sie von der Armee in eine Cloud geladen werden, von wo aus die Partner auf sie hätten zugreifen können. Das Gebäude am Findel werde nicht in dem Gesetzestext erwähnt, weil die Kosten für den Bau Teil des Projekts Pôle aérien seien, dessen Ausarbeitung zudem erst Ende 2017 begonnen wurde.
Heck übernimmt Verantwortung
Der Vorwurf des Amateurismus wird zurückgewiesen.
Dass die Nutzungskosten durch die Armee nicht im Gesetzesprojekt aufgeführt werden, liege vor allem an der legalen Basis des wiederbelebten Fonds d’équipement militaire. Im Text von 2003 stehe, dass in Gesetzen mit Bezug zum Fonds nur die Anschaffungskosten angegeben werden. Das sei mittlerweile gängige Praxis. Grund sei der sensible Charakter von Militärprojekten, die sich zudem meist über eine lange Zeitspanne erstreckten. Diesen Besonderheiten hätte PWC Hecks Meinung nach in seinem Gutachten Rechnung tragen müssen.
Heck verteidigt auch die Vergabe des Projekts. Diese sei nach Artikel 28 des Gesetzes der Verteidigungsmärkte erfolgt. Anfang Juni habe man neben OHB-I noch Airbus und Thalès um eine Kostenschätzung gebeten, auch um den Preis zu drücken. Weil deren Projekte jedoch deutlich teurer waren, habe man sich am 23. Juli 2018 für weitere Verhandlungen mit OHB-I entschieden. Trotz aller Rechtfertigungen äußert Heck in der E-mail an Adehm sein Bedauern über die Empfehlung zur Unterzeichnung des Vertrags mit OHB-I. Dies sei ein Fehler gewesen, für den er die Verantwortung übernehme.