Luxemburger Wort

Trump gegen alle

Der Us-präsident droht, von den gesellscha­ftlichen Umbrüchen abgehängt zu werden

- Von Thomas Spang (Washington)

Mehr als anderthalb Jahrhunder­te nach Ende des amerikanis­chen Bürgerkrie­gs holten Demonstran­ten den letzten Präsidente­n der amerikanis­chen Südstaaten, Jefferson Davis, vom Sockel. Der Denkmalstu­rz von Richmond steht symbolisch ganz oben auf der Liste Dutzender Statuen, die in den vergangene­n Tagen fielen, weil die Hauptstadt des Bundesstaa­tes Virginia einst auch das politische Zentrum der Konföderat­ion war.

Wie zum Ende der Sowjetunio­n die Denkmäler für Stalin und Lenin fielen, stürzen seit dem Tod George Floyds landesweit Monumente, die nicht mehr nur von den 46 Millionen Afroamerik­anern als Schandmale verstanden werden. Weiße Amerikaner beteiligen sich in gleichem Maße an deren Demontage. Ermutigt durch Proteste der vergangene­n Wochen fühlen sich Bürger und Bürgermeis­ter überall im Land stark genug, jahrelange Debatten zu beenden und Fakten zu schaffen.

Bürger schreiten zur Abrisstat

Unweit von Richmond schritten Bürger in Portsmouth mit Bolzenschn­eidern, Hämmern und Tauen selber zur Tat, um ein Konföderie­rten-denkmal zu demontiere­n. Der Bürgermeis­ter von Birmingham im Südstaat Alabama, Randall Woodfin, schickte Demonstran­ten Stadtarbei­ter zur Hilfe, einen 20 Meter hohen Obelisken sicher zu entfernen.

Der Kolumnist Eugene Robinson spricht von einem „Moment des Umbruchs“, der seinen sichtbaren Ausdruck in der multiethni­schen Unterstütz­ung finde. Dass die Denkmäler von mindestens so vielen weißen Amerikaner­n gestürzt werden wie von Schwarzen, zeigt, was sich gerade verändert.

Sogar Trump-bastionen wie die „National Football League“oder die Autosport-liga Nascar unterstütz­en aktiv Veränderun­gen. Plötzlich ist das Knien von Nflspieler­n als Protest gegen Rassismus in Ordnung, während das Zeigen der Südstaaten-flagge auf Rennplätze­n ab sofort nicht mehr geduldet wird.

Der Präsident kann seinen Augen nicht trauen, dass in Martinsvil­le im Bundesstaa­t Virginia ein „Chevy“-rennwagen mit der Aufschrift „Black Lives Matter“seine Runden durch das Motodrom zieht.

Wie er über die Entschuldi­gung seines obersten Generals, den Joint Chiefs of Staff Mark A. Milley, grollt, der sich bei seiner Abschlussr­ede für die Absolvente­n der renommiert­en „National Defense University“für seinen martialisc­hen Auftritt auf dem mit Tränengas geräumten „Lafayette“platz entschuldi­gte. „Ich hätte nicht da sein sollen“, bedauerte Milley seine Teilnahme.

Überlegung­en im Pentagon, zehn nach Südstaaten­generälen benannte Kasernen umzubenenn­en – darunter große Standorte wie Fort Bragg in South Carolina, Fort Benning in Georgia und Fort Hood in Texas – erteilte Trump via Twitter eine Absage. „Meine Regierung wird nicht einmal darüber nachdenken, diese großartige­n und fabulösen Kasernen umzubenenn­en.“Diese seien Teil unseres „großartige­n amerikanis­chen Erbes“.

Dass der Präsident am 19. Juni, dem Gedenktag der Sklavenema­nzipation, seine erste Großkundge­bung seit Beginn der Pandemie abhalten will, halten Kritiker für keinen Zufall. Zumal auch der Ort eine Provokatio­n ist. In Tulsa im Us-bundesstaa­t Oklahoma kam es 1921 zu einem der schlimmste­n Massaker an Afroamerik­anern in der Geschichte des Landes.

„Das ist nicht nur ein Augenzwink­ern für weiße Suprematis­ten“, meint die mögliche Vizepräsid­entschafts­kandidatin der Demokraten, Kamala Harris, „das ist eine Willkommen-zuhause-party“.

Kritik aus Reihen der Republikan­er Dass der Präsident den Parteitag der Republikan­er von Charlotte nach Jacksonvil­le verlegte, hat mehr mit dem Bestehen des Gouverneur­s von North Carolina auf die sozialen Abstandsre­geln zu tun als dem Umgang mit der Geschichte.

Bürgerrech­tler wie Rodney Hurst finden es allerdings taktlos, dass Trump seine erneute Nominierun­g an dem Tag akzeptiere­n will, an dem genau 60 Jahre zuvor ein weißer Mob mit Äxten auf die Teilnehmer eines Protests der Bürgerrech­tsbewegung losgegange­n war.

Trump wirkt selbst in den eigenen Reihen mit seinen Reaktionen auf die Umbrüche wie ein Fossil aus vergangene­n Zeiten. Seine konspirati­ven Tweets über den angebliche­n Antifa-hintergrun­d eines von der Polizei in Buffalo brutal zu Boden gestoßenen 75jährigen Rentners irritieren nicht minder, wie die Beschimpfu­ng friedliche­r Demonstran­ten als „Terroriste­n“.

Der Politologe Omar Wasow von der Princeton-universitä­t glaubt, dass Trumps gewohnte Taktik und sein Versuch sich als „Law-and-order“-kandidat zu positionie­ren, diesmal nicht aufgehen wird. „Er erreicht damit eine Nische, aber für große Teile des Landes ist er die Quelle des Chaos, nicht die Lösung.“

 ?? Foto: dpa ?? Mehr als 150 Jahre nach dem Ende des Amerikanis­chen Bürgerkrie­gs (1861 bis 1865) ist die aus dieser Zeit stammende Flagge der konföderie­rten Südstaaten in den USA weiter heftig umstritten.
Foto: dpa Mehr als 150 Jahre nach dem Ende des Amerikanis­chen Bürgerkrie­gs (1861 bis 1865) ist die aus dieser Zeit stammende Flagge der konföderie­rten Südstaaten in den USA weiter heftig umstritten.

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