Fast wieder die alte Normalität
In Ozeanien ist das Corona-virus fast komplett besiegt – Doch die Grenzen bleiben erst einmal zu
Neuseeland erreichte in dieser Woche einen Meilenstein in der Bekämpfung von Covid-19: Keine Person trägt das Virus mehr in sich. Sogleich hoben die Behörden sämtliche Restriktionen auf – einzig die Grenzen bleiben zu. Im Inselstaat kehrt die Bevölkerung zur Normalität zurück. An diesem Wochenende nimmt die Rugbyliga ihren Betrieb wieder auf. In Auckland werden über 30 000 Zuschauer für das erste Spiel nach dem Lockdown erwartet.
Auch in Australien gibt es Grund zur Freude. Die Zahlen sinken, die meisten Personen, die sich neu anstecken, haben sich das Virus im Ausland eingefangen. Innerhalb Australiens ist die Ansteckungsrate deutlich gesunken. So wurden in den vergangenen sieben Tagen lediglich 50 Neuinfizierte registriert. Und auch die abgelegenen Kleinstaaten im Südpazifik vermelden Positives: Fidschi beispielsweise hatte 18 Infizierte, wobei sämtliche Personen das Virus überstanden haben und es nicht mehr in sich tragen. Die Cook-inseln, Tonga und Vanuatu sind bis dato komplett Corona-frei geblieben.
Reisen innerhalb Tasmaniens
Das hat diverse Gründe. Doch einer gilt für alle erwähnten Inselstaaten: Sie sind abgeschottet, Touristen müssen draußen bleiben. Einzig Spezialisten und Ausnahmefälle dürfen in einzelne Länder einreisen.
Diese geschlossenen Grenzen haben selbstredend starke Auswirkungen
auf den Tourismus, der in Ozeanien einer der größten Wirtschaftstreiber ist. Australien und Neuseeland verzeichnen in normalen Zeiten je rund 1,5 Millionen Gäste vom jeweils anderen Land. Und die kleinen Südseeinseln zählen auf ihre beiden großen Nachbarn, von wo die meisten Besucher stammen. Auf den Fidschi-inseln beispielsweise sind 33 Prozent der Besucher Australier, rund 17 Prozent Neuseeländer. Der Tourismus macht 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.
Wenn diese Besucher also plötzlich ausbleiben, hinterlässt das Spuren. Deswegen, und weil das Corona-virus in der Gegend langsam, aber sicher unter Kontrolle
ist, gibt es unter den Regierungen seit geraumer Zeit Bestrebungen, die Grenzen als erstes wieder untereinander zu öffnen. In Australien und Neuseeland beispielsweise wird seit Wochen von der „transtasmanischen Reiseblase“gesprochen. Der Tourismussektor will die Grenzen für Touristen von der jeweils anderen Seite der Tasmanischen See so schnell wie möglich öffnen.
Doch dass solche Reisen bereits in den nächsten Wochen möglich werden, scheint derzeit unwahrscheinlich. Noch im Mai hofften dies Tourismusverantwortliche. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern bleibt vorsichtig, da sie den soeben erreichten Meilenstein
mit null Infizierten nicht nach ein paar Wochen wegen Touristen, die das Virus aus Australien einschleppen könnten, wieder aufgeben will.
Die kleinen Südpazifikinseln hoffen nun, dass sie zum Handkuss kommen, da sie Corona-frei sind. Beispielsweise die Cook-inseln, die eng mit Neuseeland verbandelt sind. In den vergangenen Tagen wurden Stimmen laut, die forderten, dass die Reiserestriktionen zwischen Neuseeland und den Inseln aufgehoben werden sollen. „Auf den Cook-inseln ist das Risiko größer, von einer Kokosnuss getroffen zu werden, als das Corona-virus zu kriegen“, sagte ein neuseeländischer Chirurg,
der auch auf den Inseln tätig ist, gegenüber Medien.
Doch die neuseeländische Regierung wiegelt ab. Die Grenzen seien die wichtigste Verteidigung gegen das Virus. Und es könne sein, dass symptomfreie Leute das Virus in sich trügen.
Warten auf den Impfstoff
Diese Vorsicht zeigt das Dilemma, in dem die Inseln im Südpazifik stecken: Zwar wollen die Regierungen die Grenzen so schnell wie möglich öffnen, doch will man auch keine Infizierten „importieren“, da kein (erneuter) Ausbruch des Corona-virus riskiert werden soll. Was wiederum zur Frage führt: Wenn die Grenzen nicht einmal für Nachbarn geöffnet werden, die keine Infizierten verzeichnen, für wen und wann werden sie dann überhaupt geöffnet? Denn von einer Öffnung der Grenzen für den Rest der Welt wird in der Gegend kaum gesprochen.
Der Erfolg Neuseelands und auch Australiens in der Covid-19bekämpfung kann so zum Bumerang werden. Denn wenn die Infektionszahlen um jeden Preis auf null gehalten werden sollen, ist die logische Schlussfolgerung, dass die Länder ihre Grenzen erst dann wieder öffnen, wenn ein Impfstoff gefunden wird. Und das kann bekanntlich noch eine Weile dauern. Der vermeintliche Erfolg im Kampf gegen Covid-19 könnte so enorme Auswirkungen auf den Tourismus haben, der für die Wirtschaft in dieser Weltgegend immens wichtig ist.