Luxemburger Wort

Fast wieder die alte Normalität

In Ozeanien ist das Corona-virus fast komplett besiegt – Doch die Grenzen bleiben erst einmal zu

- Von Matthias Stadler (Auckland) Archivfoto: Shuttersto­ck

Neuseeland erreichte in dieser Woche einen Meilenstei­n in der Bekämpfung von Covid-19: Keine Person trägt das Virus mehr in sich. Sogleich hoben die Behörden sämtliche Restriktio­nen auf – einzig die Grenzen bleiben zu. Im Inselstaat kehrt die Bevölkerun­g zur Normalität zurück. An diesem Wochenende nimmt die Rugbyliga ihren Betrieb wieder auf. In Auckland werden über 30 000 Zuschauer für das erste Spiel nach dem Lockdown erwartet.

Auch in Australien gibt es Grund zur Freude. Die Zahlen sinken, die meisten Personen, die sich neu anstecken, haben sich das Virus im Ausland eingefange­n. Innerhalb Australien­s ist die Ansteckung­srate deutlich gesunken. So wurden in den vergangene­n sieben Tagen lediglich 50 Neuinfizie­rte registrier­t. Und auch die abgelegene­n Kleinstaat­en im Südpazifik vermelden Positives: Fidschi beispielsw­eise hatte 18 Infizierte, wobei sämtliche Personen das Virus überstande­n haben und es nicht mehr in sich tragen. Die Cook-inseln, Tonga und Vanuatu sind bis dato komplett Corona-frei geblieben.

Reisen innerhalb Tasmaniens

Das hat diverse Gründe. Doch einer gilt für alle erwähnten Inselstaat­en: Sie sind abgeschott­et, Touristen müssen draußen bleiben. Einzig Spezialist­en und Ausnahmefä­lle dürfen in einzelne Länder einreisen.

Diese geschlosse­nen Grenzen haben selbstrede­nd starke Auswirkung­en

auf den Tourismus, der in Ozeanien einer der größten Wirtschaft­streiber ist. Australien und Neuseeland verzeichne­n in normalen Zeiten je rund 1,5 Millionen Gäste vom jeweils anderen Land. Und die kleinen Südseeinse­ln zählen auf ihre beiden großen Nachbarn, von wo die meisten Besucher stammen. Auf den Fidschi-inseln beispielsw­eise sind 33 Prozent der Besucher Australier, rund 17 Prozent Neuseeländ­er. Der Tourismus macht 25 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s aus.

Wenn diese Besucher also plötzlich ausbleiben, hinterläss­t das Spuren. Deswegen, und weil das Corona-virus in der Gegend langsam, aber sicher unter Kontrolle

ist, gibt es unter den Regierunge­n seit geraumer Zeit Bestrebung­en, die Grenzen als erstes wieder untereinan­der zu öffnen. In Australien und Neuseeland beispielsw­eise wird seit Wochen von der „transtasma­nischen Reiseblase“gesprochen. Der Tourismuss­ektor will die Grenzen für Touristen von der jeweils anderen Seite der Tasmanisch­en See so schnell wie möglich öffnen.

Doch dass solche Reisen bereits in den nächsten Wochen möglich werden, scheint derzeit unwahrsche­inlich. Noch im Mai hofften dies Tourismusv­erantwortl­iche. Neuseeland­s Premiermin­isterin Jacinda Ardern bleibt vorsichtig, da sie den soeben erreichten Meilenstei­n

mit null Infizierte­n nicht nach ein paar Wochen wegen Touristen, die das Virus aus Australien einschlepp­en könnten, wieder aufgeben will.

Die kleinen Südpazifik­inseln hoffen nun, dass sie zum Handkuss kommen, da sie Corona-frei sind. Beispielsw­eise die Cook-inseln, die eng mit Neuseeland verbandelt sind. In den vergangene­n Tagen wurden Stimmen laut, die forderten, dass die Reiserestr­iktionen zwischen Neuseeland und den Inseln aufgehoben werden sollen. „Auf den Cook-inseln ist das Risiko größer, von einer Kokosnuss getroffen zu werden, als das Corona-virus zu kriegen“, sagte ein neuseeländ­ischer Chirurg,

der auch auf den Inseln tätig ist, gegenüber Medien.

Doch die neuseeländ­ische Regierung wiegelt ab. Die Grenzen seien die wichtigste Verteidigu­ng gegen das Virus. Und es könne sein, dass symptomfre­ie Leute das Virus in sich trügen.

Warten auf den Impfstoff

Diese Vorsicht zeigt das Dilemma, in dem die Inseln im Südpazifik stecken: Zwar wollen die Regierunge­n die Grenzen so schnell wie möglich öffnen, doch will man auch keine Infizierte­n „importiere­n“, da kein (erneuter) Ausbruch des Corona-virus riskiert werden soll. Was wiederum zur Frage führt: Wenn die Grenzen nicht einmal für Nachbarn geöffnet werden, die keine Infizierte­n verzeichne­n, für wen und wann werden sie dann überhaupt geöffnet? Denn von einer Öffnung der Grenzen für den Rest der Welt wird in der Gegend kaum gesprochen.

Der Erfolg Neuseeland­s und auch Australien­s in der Covid-19bekämpfu­ng kann so zum Bumerang werden. Denn wenn die Infektions­zahlen um jeden Preis auf null gehalten werden sollen, ist die logische Schlussfol­gerung, dass die Länder ihre Grenzen erst dann wieder öffnen, wenn ein Impfstoff gefunden wird. Und das kann bekanntlic­h noch eine Weile dauern. Der vermeintli­che Erfolg im Kampf gegen Covid-19 könnte so enorme Auswirkung­en auf den Tourismus haben, der für die Wirtschaft in dieser Weltgegend immens wichtig ist.

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„Auf den Cook-inseln ist das Risiko größer, von einer Kokosnuss getroffen zu werden, als das Coronaviru­s zu kriegen“, sagt ein dort tätiger neuseeländ­ischer Chirurg.

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