Im Regen stehen gelassen
Warum das Hilfspaket an der Autobranche vorbeizielt – ein Gespräch mit dem Verbandsvorsitzenden Philippe Mersch
Das Autojahr 2019 war ein hervorragendes. Entsprechend optimistisch startete die Branche ins Jahr 2020. Dann kam Corona. Es folgten zwei umsatzlose Monate. Helfen soll jetzt das Maßnahmenpaket der Regierung. „Neistart Lëtzebuerg“ist aber keine Hilfe für die Luxemburger Automobilbranche, davon ist Philippe Mersch (49), Vorsitzender des Händlerverbandes Fedamo (Fédération des distributeurs automobiles et de la mobilité), überzeugt.
Philippe Mersch, wie geht es dem Auto in der Corona-krise?
Dem Auto geht es gut. Allerdings müssten wieder dringend mehr neue verkauft werden. Während des Lockdowns wurde die Rolle des Automobils sogar weiter gefestigt. Das soll aber jetzt nicht heißen, dass es der Luxemburger Automobilbranche gut geht. Die Situation ist alles andere als einfach, zwei Monate ohne Umsatz, und dann die ohnehin kleinen Gewinnmargen. Die sanitäre Krise scheint überstanden zu sein, jetzt müssen wir die wirtschaftliche Krise stemmen.
Der März gilt als Auslaufmonat des Autofestivals. Viele Marken werben mit guten Konditionen bis Monatsende, auch die Kreditinstitute spielen mit. Mittendrin aber verhängte die Regierung den Ausnahmezustand. Was bedeutet das für die Branche?
Ja, auch im März bleiben die Konditionen in der Regel sehr attraktiv. Aber dieses Jahr ist das Autofestival ohnehin nicht zum Allerbesten verlaufen, eine Katastrophe ist es aber nicht. Da wiegen die zwei umsatzlosen Monate weitaus schwerer. Sie sind in den meisten Fällen nicht aufzuholen. Dennoch blickt die Branche nach vorn, wir wollen ja wieder Autos verkaufen.
Wie hat sich das Geschäft nach der Wiedereröffnung der Autohäuser denn angelassen?
Unmittelbar nach der Aufhebung des Lockdowns ließ sich der Verkauf gut an. Das waren wohl die Unentschlossenen des Autofestivals, oder jene, die aufgrund des Etat de crise nicht mehr zum Zug gekommen waren. Dann wurde es ruhig. Es ist insgesamt viel ruhiger als in den Vorjahren zur gleichen Zeit.
Wie sind die Autohäuser finanziell aufgestellt? Wie krisenfest sind sie?
Das kann man nicht pauschal sagen. Man muss unterscheiden zwischen den großen Händlergruppen mit mehreren Niederlassungen, Zusammenschlüssen von Händlern und den klassischen Familienbetrieben. Größer bedeutet aber nicht zwangsläufig finanziell stabiler. Die Großen der Branche, oftmals Vertragshändler der Premium-marken, haben auch viel höhere Investitionen zu finanzieren. Da kann es dann schon vorkommen, dass ein Familienbetrieb kapitalmäßig besser aufgestellt ist, um eine Durststrecke zu überstehen. Am Ende sitzen wir als Händler aber alle im selben
Boot. Das Problem sind die geringen Gewinnspannen.
Was verstehen Sie unter „gering“?
Wir reden hier von durchschnittlich null bis zwei Prozent Marge. Und das nicht nur auf dem Verkauf von Neufahrzeugen, sondern auf der gesamten wirtschaftlichen Aktivität.
Mit „Neistart Lëtzebuerg“hat die Regierung ein Maßnahmenpaket aufgelegt, um die Wirtschaft, allen voran den Mittelstand zu unterstützen. Inwiefern hilft das Paket der Automobilbranche?
Als Händlerverband begrüßen wir natürlich die Aufstockung des Förderbetrags für Elektroautos.
Sie werden dadurch für den Kaufinteressenten preislich attraktiver. Es ist aber nur ein kleines Entgegenkommen, ein kleiner Push für den Handel. Es ist aber nicht richtig, diese Maßnahme als Teil eines „Plan de relance“vorzustellen. Angesichts der Tatsache, dass Eautos zwischen zwei und 2,5 Prozent der Verkäufe ausmachen, sprechen wir hier von „Peanuts“. Selbst bei einem vorstellbaren Wachstum von 1000 E-autos pro Jahr, wo ist da die Hilfe?
Wie stellen Sie sich eine angemessene Unterstützung der Automobilbranche denn vor?
Jedes neue Auto ist sauberer und damit klimafreundlicher als ein altes. Es ist schlicht unverständlich, dass die Regierung diese Tatsache ausblendet und nur Elektroautos bezuschusst. Damit allein verbessert man keine Co2bilanz. Eine angemessene Förderung müsste „antriebsneutral“sein.
Hat die Fedamo den Ernst der Lage möglicherweise selbst unterschätzt und den Druck auf die Regierung zu niedrig gehalten? Wie lauteten die Forderungen?
Zusammen mit dem „House of Automobile“haben wir als Fedamo einen Forderungskatalog formuliert und diesen an Premier Xavier Bettel (DP) geschickt. Seither werden wir vertröstet, es wurde aber kürzlich eine Zusammenkunft mit dem Mittelstandsminister in Aussicht gestellt. Darüber hinaus haben wir auch über den Handwerkerverband Druck gemacht, in dem die Autohändler als Werkstattbetriebe vertreten sind. Auch die Union des entreprises luxembourgeoises (UEL) weiß von unseren Sorgen. Fakt ist, wir als Automobilbranche wurden bei „Neistart Lëtzebuerg“bis jetzt nicht berücksichtigt. Das sind alles kleinere und mittlere Unternehmen, die außen vor gelassen werden. Außer bei der Kurzarbeit. Alle anderen Maßnahmen treffen nicht auf uns zu. Wir sind eigentlich ein „Secteur sensible“, eine Branche, der es nicht gut geht ...
8 000 statt bis dato 5 000 Euro staatliche Prämie beim Kauf eines neuen Elektro-fahrzeugs. Inwiefern ist das eine Hilfe?
Es ist ein Anreiz für den Käufer, aber keine Hilfe für das Autohaus.
Was wäre denn in Ihren Augen eine adäquate Maßnahme?
Sie müssen wissen, dass 2019 für die Branche ein gutes Jahr war. Entsprechend hoch sind die Ziele, die die Marken vorgeben. Die Händler haben derzeit viele Bestandsfahrzeuge, alle Arten von Antriebsarten. Eine echte Hilfe wäre eine sogenannte neutrale Eintauschprämie als Anreiz für den Kauf eines neuen Autos, ganz gleich ob Verbrenner, Hybrid oder Elektro. Jede Antriebsart hat ihre Daseinsberechtigung. Ob eine auf E-autos beschränkte Prämie sozial ist, bleibt zudem dahingestellt.
3 000 Euro. Genau diesen Betrag hatten wir der Regierung vorgeschlagen, aber für alle Neuwagen! Wobei man meinetwegen sogar den bisherigen Zuschuss in Höhe von 5 000 Euro für E-autos hätte beibehalten können ...
Eins vorweg: „House of Automobile“und Fedamo haben sich in diesem Punkt auf eine gemeinsame Position verständigt. Der Zeitpunkt dafür ist denkbar ungünstig, obendrein ist die Strategie nicht klar. Diese Maßnahme als solche ist so im nationalen Energie- und Klimaplan (PNEC) nicht vorgesehen. Dort ist nur die Reform des „Avantage en nature“angedacht. Zunächst einmal müsste man wissen, ob das ein Vorpreschen von Claude Turmes ist oder ob die Regierung geschlossen dahintersteht. Es wäre nicht das erste Mal, dass Claude Turmes eine Welle der Verunsicherung auslöst. Eines steht fest: Die Beschränkung steuerlicher Vorteile auf E-autos bei Firmenund Dienstwagen ist nicht Neustart-kompatibel. Macht die Regierung ernst, haben wir ein Problem.
Ein „Package salarial“mit Auto ist für viele Arbeitnehmer immer noch sehr attraktiv, besonders für jene aus der Großregion. Wird dieses Gesamtpaket für diese Personengruppe zusehends uninteressanter, überlegt sich manch einer, sich nach einem Arbeitsplatz näher an seinem Wohnort umzusehen. Er verzichtet dabei vielleicht auf einen Teil seines Einkommens, gewinnt aber an Lebensqualität, weil er die Strapazen des Arbeitswegs nach Luxemburg nicht mehr auf sich nehmen muss. Macht dieses Beispiel Schule, geht das nicht nur zu Lasten des Autohandels, auch die Banken, Leasingfirmen und Versicherungen werden Einbußen zu verzeichnen haben. Das Hauptproblem wird sein, dass es keinen finanziellen Anreiz mehr für ein Auto gibt, das nicht elektrisch ist.
Die Mobilitätspolitik in der Post-corona-zeit: dogmatisch oder realistisch?
Nur E-autos zu fördern, ist keine Antwort auf die Mobilitätsfragen, die sich in Luxemburg stellen. Die E–mobilität wird kommen, so oder so. Aber sie kommt im selben Rhythmus, wie die Produkte auf den Markt kommen. Man kann da nichts forcieren. Wir, die Luxemburger Autohändler, sind keine Bremser. Wir kennen unsere Produkte. Je jünger, desto klimafreundlicher der Fuhrpark. In diese Richtung sollten auch die Fördermaßnahmen gehen.
Wir sind eigentlich ein „Secteur sensible“, eine Branche, der es nicht gut geht ... Philippe Mersch
Platz das Problem für viele Gastronomen, sondern die fehlende Kundschaft.
Das zeigt das Beispiel „Kaale Kaffi“: Auch dort hatte Ende Mai alles gut angefangen – „die Terrasse war voll“, sagt Geschäftsführer Solak Mustafa. Seitdem geht es aber bergab. In der zweiten Woche kamen weniger Kunden, in der dritten noch weniger. Das Lokal in Luxemburg-stadt macht 50 Prozent weniger Umsatz im Vergleich zum vergangenen Jahr. Beim „Kaale Kaffi“ist es in der Regel selbst unter der Woche schwer, einen Platz zu ergattern. Ob sich das Geschäft überhaupt noch lohnt? „Es ist knapp“, gibt Mustafa zu und muss sichtlich schlucken. „Wenn wir über das Jahr gesehen einen Verlust von 20 bis 30 Prozent machen, dann schaffen wir das noch. Wenn es unter dem Strich mehr ist, dann wird es schwer.“
Eine ähnliche Erfahrung muss auch Amandine Breton machen, die das Lokal „L'adéquat'“in der Hauptstadt betreibt. „Die Situation ist katastrophal – derzeit verzeichnen wir einen Umsatzverlust von 75 Prozent“. Vor der Coronakrise
kamen pro Tag 25 bis 35 Gäste zum Essen, heute sind es drei bis fünf. Einige ihrer Mitarbeiter muss sie voraussichtlich in Kurzarbeit schicken – „wir arbeiten normalerweise bis spät in die Nacht“, erklärt sie, „das geht ja derzeit nicht.“Die Vorschriften der Regierung sehen vor, dass bei allen Restaurants und Cafés um Mitternacht die Lichter ausgehen.
Eine Vorschrift, die auch viele Lokale in den Rives de Clausen vor Schwierigkeiten stellt: „Zwischen 23 Uhr und 1 Uhr macht man als Gastronom normalerweise einen großen Umsatz“, sagt Edmond Libens. Seiner Familie gehört das Areal der ehemaligen „Mouselbrauerei“, wo mehrere gastronomische Betriebe versammelt sind. „Insgesamt liegt der Verlust bei 60 bis 70 Prozent.“Libens betreibt das „Zapschoul“. Während des Lockdowns waren alle seine Mitarbeiter in Kurzarbeit, jetzt ist es noch die Hälfte. Die Preise im Lokal hat Edmond Libens nicht erhöht: „Niemand sollte mit der Krise Gewinn machen wollen.“„Luxemburg-stadt leidet noch immer sehr unter den Folgen der Krise“, stellt der Horesca-generalsekretär, François Koepp, fest. Er geht davon aus, dass die Lokale derzeit zu 30 bis 60 Prozent ausgelastet sind, je nach Betrieb und Lage. Grund dafür sei unter anderem, dass viele Menschen noch von zu Hause arbeiten.
Kirchberg schläft noch
„Wir bekommen schon die Folgen des Homeoffice zu spüren“, sagt Carmen Mazzei, Mitarbeiterin des „Grand Café“. Dort läuft das Geschäft allerdings noch gut, wie sie erklärt. „Wir sind zufrieden.“„Je nach Lage des Betriebes kann das Homeoffice eine Auswirkung auf den Umsatz haben“, heißt es auch bei der Generaldirektion für Tourismus. Das zeigt sich beispielhaft in Kirchberg, wo viele Büroräume nach wie vor leer bleiben. Dort ist es in der Mittagsstunde ungewohnt ruhig.
Doch das Homeoffice ist nicht der einzige Grund für die fehlende Kundschaft – in vielen Lokalen der Hauptstadt bleiben auch die Touristen aus. Erst vor wenigen
Tagen konnten die Lokale erste Gäste aus Deutschland empfangen. „Das freut uns“, sagt Solak Mustafa vom „Kaale Kaffi“. „In den kommenden Tagen und Wochen dürften wieder mehr Urlauber nach Luxemburg kommen.“
„Das Geschäft der Restaurants und Cafés läuft seit der Eröffnung wieder, aber es ist nicht berauschend“, zieht Horesca-generalsekretär Koepp Bilanz. Für viele Lokale reiche der erwirtschaftete Umsatz derzeit, um die Fixkosten – etwa die Miete und die Lohnkosten – zu decken. „Für mehr aber nicht.“Ob es in der Branche bereits zu Pleiten gekommen ist, kann der Generalsekretär nicht sagen. Aber: Die Zahl der Restaurantbesitzer und Cafetiers, die ihr Lokal zum Verkauf anbieten, ist gestiegen, wie Koepp erklärt. Das lässt sich an der Zahl der Anzeigen auf der Website des Horescadachverbandes ablesen. „Unter normalen Umständen gibt es eine oder zwei Anzeigen pro Woche – derzeit sind es fünf bis sechs.“
Dennoch gibt es einen Lichtblick. Die Ankündigung der Regierung, ab jetzt zehn Leute an einem Tisch sitzen zu lassen und nicht mehr vier, sorgt bei vielen Betrieben für Erleichterung. „Das macht einen großen Unterschied“, heißt es einstimmig. Und: Die Entscheidung der Stadt Luxemburg, 1,5 Millionen Euro in den lokalen Handel zu investieren, kommt gut an. Pro Händler kauft die Stadt 20 Gutscheine in Höhe von 50 Euro – das sind 1 000 Euro, die direkt in die Kassen der Betriebe fließen. Die Coupons werden anschließend verlost. „Eine gute Sache“, freut sich Amandine Breton vom „L'adéquat“, „vielleicht kann ich dadurch neue Kunden gewinnen.“
In unserer neuen, in loser Folge erscheinenden Serie „Nach dem Lockdown“beschäftigen wir uns mit Unternehmen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen, die unter der Corona-krise besonders leiden. Die Frage: Wie haben sich diese Unternehmen nach dem Lockdown wieder erholt?