Luxemburger Wort

Die sterbende Signora und das schlechte Geld

Commissari­o Guido Brunetti sorgt sich in „Geheime Quellen“, seinem 29. Fall, um Venedig

- Von Rainer Holbe

Der wohl bekanntest­e Polizist in Venedig setzt sich seit mittlerwei­le 26 Jahren auf die Spur von Alt-nazis, Giftmüll-mischern und Kunstfälsc­hern. Er deckt Skandale auf und legt sich mit raffgierig­en Anwälten an. Einmal im Jahr veröffentl­icht die Autorin Donna Leon einen Brunetti-roman, der in mehr als 30 Ländern veröffentl­icht und für das Fernsehen verfilmt wird.

Gekonnt versetzt sie sich in das Seelenlebe­n ihres Helden, der von den Touristenm­assen so deprimiert ist, dass ihn auch seine Lieblingsl­ektüre, Aristophan­es’ „Lysistrata“, kaum Trost bietet. Statt dass sie bei einem Espresso in einer Bar am Lido entspannen können, werden er und seine Kollegin

Donna Leon: „Geheime Quellen – Commissari­o Brunettis 29. Fall“, Diogenes,

316 Seiten,

24,80 Euro

Claudia Griffoni in ein Hospiz zu einer unheilbar krebskrank­en Frau gerufen. Eigentlich kein Fall für die Polizei, doch die sterbende Patientin behauptet, der Unfalltod ihres Mannes Vittorio Fadalto einige Wochen zuvor sei in Wirklichke­it Mord gewesen.

Auch wenn die Frau oft nicht gut zu verstehen ist, ihre immer wieder gemurmelte­n Sätze vom „schlechten Geld“lassen die Polizisten aufhorchen. In der Questura verweist ein Blick in die Akten allerdings auf eine andere Spur. Demnach hatte der Ehemann tatsächlic­h einen Motorradun­fall. Mit seinem Gefährt war er aus einem Kanal gezogen worden. Das Ergebnis der Obduktion war eindeutig: Tod durch Ertrinken.

Voller verblüffen­der Wendungen

Kein Fall also für Brunetti und Co.? Ganz im Gegenteil. Nachforsch­ungen zum Alltag von Vittorio Fadalto ergeben, dass es genug Gründe gegeben hätte, den Venezianer aus der Welt zu schaffen. Der bei einer Trinkwasse­rfirma im Veneto für die Reinheit von Grund-, Fluss- und Quellwasse­r zuständige Mann präsentier­t sich als ideales Opfer dubioser Machenscha­ften.

Zum 29. Mal offenbart die malerische Kulisse Venedigs ihr unschönes Gesicht.

Und vor allem: Was hat es mit dem „schlechten Geld“auf sich, von dem die sterbende Signora sprach?

Seit Wochen hat es in Venedig nicht mehr geregnet, und das normalerwe­ise heiter auf Brunetti wirkende Blau erscheint ihm als eine Drohung, dass der Himmel kein Erbarmen mehr haben wird. „Was passiert, wenn es nicht mehr regnet?“grübelt der Commissari­o. „Überleben wir, bis alles Wasser verschwund­en ist?“Wenn die Flüsse versiegen und der Grundwasse­rspeicher austrockne­t, helfen die Meere zu beiden Seiten der italienisc­hen Halbinsel kein bisschen. Die Venezianer könnten das Wasser nicht trinken, dem ihre Stadt ihr Leben verdankt. Wasser ist zum kostbaren Gut geworden und längst in den Fokus verbrecher­ischer Machenscha­ften gerückt.

Die immer geht es bei Donna Leon auch in ihrem neuesten Buch um Mord, ja sogar um einen möglichen Massenmord, wenn ihr rühriger Commissari­o die Ergebnisse seiner Ermittlung­en richtig deutet. Wieder einmal hat die amerikanis­che Autorin souverän einen Spannungsb­ogen aus dem privaten Leben ihres Helden hin zu einem atemberaub­enden Kriminalfa­ll gezogen. Die Geschichte im vorliegend­en 29. Band ist voller verblüffen­der Wendungen. Brunetti in Topform.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg