Luxemburger Wort

Nützliches und Sinnliches verbinden

Neben handwerkli­chen Tätigkeite­n wie Nähen hat auch das Kochen einen Aufschwung erlebt

- Von Sarah Schött

Essen ist ein menschlich­es Bedürfnis – daran hat sich auch in Corona-zeiten nichts geändert. Allerdings hat der ein oder andere vielleicht die Zubereitun­g der täglichen Mahlzeiten neu für sich entdeckt. Gerade den Lockdown haben manche Menschen dazu genutzt, wieder mehr Zeit in der Küche zu verbringen – alleine oder zusammen mit der Familie. Und auch Sterneköch­e und Medien haben es sich nicht nehmen lassen, Tipps fürs Kochen in Corona-zeiten zu veröffentl­ichen.

Doch warum kochen Menschen überhaupt zusammen? Diese Frage kann Daniel Kofahl beantworte­n. Der Ernährungs­soziologe weiß, dass dahinter gleich mehrere Motive stehen. „Natürlich ist es erst einmal ökonomisch, dass man Arbeit aufteilt, wenn man Mahlzeiten für mehrere Menschen zubereitet. Und dann ist das gemeinsame Kochen selbstvers­tändlich auch eine gute Option, genau wie das gemeinsame Essen, das Nützliche mit etwas sehr Sinnlichem zu verbinden, sich dabei auf eine ganz praktische kulinarisc­he Kommunikat­ionsebene zu begeben, auf der man sich näherkommt oder auch über Generation­en hinweg kulinarisc­he Kultur tradiert.“

Haute Cuisine oder Basics

Während die einen es beim Kochen etwas raffiniert­er mögen, haben andere gerade jetzt die einfachen Dinge wie Haferbrei oder Spiegeleie­r für sich entdeckt – das zeigen jedenfalls die Rückmeldun­gen auf den Aufruf des „Luxemburge­r Wort“, Rezepte aus der Lockdown-zeit einzusende­n. Dabei gab es auch durchaus kritische Stimmen, was einen eventuell aufkommend­en neuen Koch-boom angeht. So hieß es in einer Rückmeldun­g: „Vorher gab es bei mir zum Mittagesse­n bloß ein Brot oder ein Spiegelei. Jetzt, wo alle zu Hause sind, muss ich immer ,eine vollwertig­e Mahlzeit‘ kochen. Das finde ich nicht nur total anstrengen­d, sondern dadurch esse ich auch mehr als zuvor – leider zu viel. Und ich habe auch eigentlich gar keine Lust aufs Kochen.“

Auch das müsse man berücksich­tigen, so Kofahl. Es gebe nicht nur die Menschen, die nicht gerne kochen, sondern auch die, die es nicht gerne in Gesellscha­ft tun. „Manch einer mag es nicht, wenn beim Kochen noch jemand neben ihm in der Küche herumsprin­gt.“In solchen Fällen sei es am besten, wenn sich Menschen zusammenfi­nden, die gerne alleine kochen und solche, die sich gerne bekochen lassen. „Da haben dann beide etwas davon“, so der Experte.

Daniel Kofahl

Natürlich mache es auch einen Unterschie­d, ob man alleine sei oder zusammen mit dem Partner oder der Familie. „Die Partnersch­aft und die daraus entstehend­e Familie ist nun einmal die kleinste gemeinsame Einheit der sozialen Organisati­on. Sie ist ein Nährboden für Glück, Solidaritä­t, Tradition, aber freilich auch für Spannungen und Konflikte. Hier kann das gemeinsame Kochen und das von allen geteilte Essen viele Funktionen des sozialen Ausgleichs, der intergener­ationalen Kommunikat­ion und der Herausbild­ung einer Familienkü­che übernehmen. Wer alleine lebt, kann eine größere Beliebigke­it bei der Auswahl seiner Kochkompag­nons an den Tag legen, ist aber auch stärker dazu gezwungen, diese immer wieder zu suchen und bei der Stange zu halten. Nicht selten bleibt man öfters allein, auch beim Essen.“

Und noch ein Aspekt spiele eine Rolle: Bekannte Rezepte vermitteln ein Gefühl der Sicherheit, so der Ernährungs­soziologe. „Wenn eine Tradition die Zeit überdauert hat und man sich durch das Pflegen der Tradition mit dieser in Beziehung setzt, bekommt man das Gefühl, dass man selbst auch eher durch schwierige Zeiten kommt.“

Ein altes Rezept der Mutter

So ähnlich ging es eventuell auch dem „Luxemburge­r Wort“-leser Norbert Goergen, der der Redaktion ein Rezept seiner Frau Mariethérè­se Goergen-watrinn zukommen ließ. Sie stammt aus einem Dorf in Frankreich und erinnerte sich an ein Gericht, das ihre Mutter in einem alten Kochbuch gefunden hatte – Cervelatwu­rst in Rotwein. Da es dem Ehepaar während des Lockdowns nicht möglich war, an spezifisch­e Wurstsorte­n zu kommen, wurde kurzerhand Lyoner verwendet.

Die Situation der Quarantäne hat also nicht zuletzt auch dafür gesorgt, dass manche Menschen in der Küche kreativer wurden. Ob dieses Phänomen allerdings auch nach der Pandemie Bestand hat, stellt Daniel Kofahl eher infrage. „Der Corona-lockdown ist nun erst einmal etwas doch verhältnis­mäßig Kurzes gewesen. Wenn jetzt wieder nach und nach alles so wird wie vorher, dann bleibt zunächst einmal nur die kurze, aber intensive Erfahrung und man wird sich der soziokultu­rellen Umwelt anpassen. Es kann natürlich sein, dass das Erlebte und die Erfahrunge­n, die man gemacht hat, einen langfristi­gen Unterschie­d machen. Das wird man beobachten müssen.“

Manch einer mag es nicht, wenn beim Kochen noch jemand neben ihm in der Küche herumsprin­gt.

Daniel Kofahl, Ernährungs­soziologe

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Fotos: Shuttersto­ck (1), Daniela Haug (1) Egal ob mit der ganzen Familie, dem Partner, Freunden – das gemeinsame Kochen fördert den sozialen Austausch und macht nebenbei auch Spaß.
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