Trügerische Freunde
Wenn Medien über Dinge berichten, die nicht ins Bild des Betrachters zu passen scheinen, dann ist heute der Begriff „Fake News“schnell zur Hand. Missliebige Berichterstattung in einen Topf zu werfen mit Falschmeldungen ist seit jeher eine der stärksten Waffen im Arsenal der Meinungsmanipulation, bei Us-präsident Donald Trump ebenso beliebt wie bei Despoten aller Couleur. Ihr Ziel ist klar: Sobald nichts mehr wahr ist und alles in Zweifel gezogen wird, haben sie freie Hand, weil keinerlei Kontrolle mehr möglich ist.
Wenn man eine Lüge eine Million Mal wiederhole, dann werde sie zum Fakt, warnt etwa die engagierte philippinische Journalistin Maria Ressa in einem Interview zur Gefahr der Manipulation durch die sozialen Netzwerke. Mit ihrer kritischen Berichterstattung ist Ressa seit Jahren ein Dorn im Auge des brutalen Machthabers Duterte (siehe Seite 10).
Wohin das zynische Spiel mit der Desinformation führen kann, ist sogar messbar: 56 Prozent der Nutzer von Nachrichten sind unsicher, ob das, was sie lesen, stimmt oder „fake“ist, also falsch, wie der in dieser Woche veröffentlichte Jahresbericht zur Entwicklung der Medien des Reuters Institute der Universität Oxford feststellt. Verschärft wird die Nachrichten-vertrauenskrise dadurch, dass auch traditionelle Medien zunehmend auf die großen Plattformen angewiesen sind, um ein breites Publikum zu erreichen. Solides, journalistisches Handwerk riskiert dann, mit Gerüchten und Verschwörungstheorien auf einer Stufe zu stehen.
Tatsächlich jedoch haben professionelle, verantwortungsbewusste Medien kein Fake-news-problem, denn die Verbreitung von vorsätzlich falschen Informationen hat mit echten Nachrichten und journalistischem Selbstverständnis rein gar nichts zu tun. Tauchen Fehler auf, werden sie, wo nötig, korrigiert. Diese Deontologie unterscheidet die Presse ganz wesentlich von den sozialen Medien, die sich hinter der Freiheit des Wortes verstecken, um keine Verantwortung für die Inhalte übernehmen zu müssen, die über ihre Kanäle verbreitet werden. Erst im vierten
Jahr der Präsidentschaft von Donald Trump und nach 20 000 dokumentierten Lügen und Halbwahrheiten konnte sich Twitter erstmals dazu durchringen, einen Tweet des Us-präsidenten mit einem Fact-checking-warnhinweis zu versehen. Facebook sperrte in dieser Woche immerhin ein Trump-anzeigenvideo mit Nazisymbolen.
Soziale Netzwerke und Messenger-dienste können für den Nutzer trügerische Freunde sein. Sie suggerieren ihm durch den ständigen Fluss an Informationen und die permanente Selbstbestätigung eine Glaubwürdigkeit unterschiedslos aller Inhalte, die es so nicht gibt. Gleichzeitig sind soziale Netzwerke von der Konzeption her geradezu prädestiniert, maßgeschneiderte Botschaften an bestimmte Zielgruppen zu verschicken. Sie verstärken sich nach dem Schneeballprinzip und sind damit ein wesentlicher Faktor bei der Polarisierung des öffentlichen Diskurses.
Je unversöhnlicher die Stimmung, desto besser für die Autokraten. Wo jedoch die Debattenkultur verkümmert, bleibt am Ende die Demokratie auf der Strecke.
Wo Debattenkultur verkümmert, bleibt Demokratie auf der
Strecke.