Luxemburger Wort

Beim nächsten Mal mit Handschlag

Die Eu-staats- und Regierungs­chefs wollen das Corona-konjunktur­paket bei einem „physischen“Treffen im Juli billigen

- Von Diego Velazquez (Brüssel)

Das „Treffen“der Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union am Freitag offenbarte alle Probleme, die eine Video-konferenz für politische Verhandlun­gen darstellt – wegen den Corona-bedingten Bewegungse­inschränku­ngen tagten die „Chefs“noch ein (vorerst) letztes Mal digital. Dabei gab es nur wenig Interaktio­n: Schön brav der Reihe nach meldeten sich die Regierungs­chefs zu Wort, um ihre Meinung über die Idee eines 750-Milliarden-wiederaufb­auplans für die wirtschaft­lichen Folgen der Corona-krise zu äußern.

Eu-kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen hatte diesen mit europäisch­en Krediten finanziert­en Plan Ende Mai vorgeschla­gen, wonach 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an Eu-staaten gehen sollen und 250 Milliarden als Kredite dienen können. Zurückgeza­hlt werden soll das Geld über den gemeinsame­n Eu-haushalt. Das Programm soll im Paket mit dem nächsten siebenjähr­igen Eufinanzra­hmen in Höhe von 1,1 Billionen Euro verhandelt werden. Am Freitag fand demnach die erste Debatte auf höchster politische­r Ebene darüber statt. Debattiert wurde laut Angaben von Diplomaten allerdings wenig – vielmehr wurden längst bekannte Positionen vorgetrage­n.

So lobten die von der Krise sehr stark betroffene­n Staaten wie Italien und Spanien den Plan der Europäisch­en Kommission. Auch Luxemburgs Premier Xavier Bettel zeigte sich mit dem Gesamtpake­t zufrieden. „Das Gesamtvolu­men des Konjunktur­pakets ist der Herausford­erung gewachsen, der wir gegenübers­tehen. Das Paket könnte ein echter Fortschrit­t für Europa sein“. Einige der anderen wirtschaft­sstarken Staaten Nordeuropa­s, zu denen die Niederland­e, Finnland, Österreich und Schweden gehören, kritisiert­en dagegen das Programm. Sie finden, dass es bei den europäisch­en Corona-hilfen keine zusätzlich­en Geld-transfers geben kann und pochen darauf, dass die Staaten Südeuropas weiterhin Sparreform­en durchführe­n. Die Diskussion­srunde verlief demnach – inhaltlich gesehen – wenig überrasche­nd. So bestätigte Eu-ratschef Charles Michel, dass es noch „bedeutende Unterschie­de zwischen den Positionen gibt“– etwa über den Umfang des Plans und dem

Kommission­schefin von Leyen ist optimistis­ch.

der

Verteilung­sschlüssel für die Geldspritz­en.

Dennoch geben sich einige Gipfelteil­nehmer und hochrangig­e Diplomaten optimistis­ch. Aggressivi­tät, wie noch vor wenigen Wochen spürbar war, gab es nicht mehr unter den Regierungs­chefs – nicht einmal bei den Hardlinern aus Wien und Den Haag. Der Spanier Pedro Sanchez und der Italiener Giuseppe Conte zeigten sich sogar offen für wirtschaft­liche Reformprog­ramme.

Hoffnung auf baldige Einigung

Die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel sagte nach dem Treffen, es habe eine „sachbezoge­ne Diskussion­skultur und Atmosphäre geherrscht“. Auch Kommission­schefin von der Leyen erkannte positive Anzeichen. „Die erste Diskussion war meiner Meinung nach sehr positiv“, sagte sie. „Die Staats- und Regierungs­chefs waren sich einig, dass die Schwere dieser Krise eine ehrgeizige gemeinsame Reaktion rechtferti­gt. Eine, die Solidaritä­t, Investitio­nen und Reformen verbindet.“Brisant ist auch, so von der Leyen weiter, „dass viele Staats- und Regierungs­chefs betonten, dass wir alles in unserer Macht stehende tun müssen, um bald vor der Sommerpaus­e eine Einigung zu erzielen. Es besteht ein echtes Verständni­s, dass die Wirksamkei­t der Antwort auch davon abhängt.“

Und in der Tat erklärten auch mehrere Regierungs­chefs öffentlich, dass die Zeit drängt. Eine schnelle Antwort sei wichtig für die Glaubwürdi­gkeit der EU, sagten etwa Angela Merkel und die belgische Regierungs­chefin Sophie Wilmès. Ratspräsid­ent Charles Michel, der die Verhandlun­gen nun leiten wird, kündigte ein weiteres Gipfeltref­fen „Mitte Juli“an – diesmal aber „physisch“und nicht via Videokonfe­renz. Spätestens dann „muss eine Einigung erreicht werden“, drängte Giuseppe Conte. Der niederländ­ische Premier Mark Rutte dagegen profiliert­e sich nicht ungern als Bremser: Verhandlun­gen bis in den Herbst wären nicht dramatisch, sagte er. Doch Deutschlan­d, das im Juli seine Eu-ratspräsid­entschaft beginnt und dann das Tagesgesch­äft der EU leiten wird, hätte das Thema am liebsten schon vorher vom Tisch – dann muss die EU sich nämlich intensiver mit den Folgen des Brexit befassen und ein Handelsabk­ommen mit London abschliess­en.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg