Beim nächsten Mal mit Handschlag
Die Eu-staats- und Regierungschefs wollen das Corona-konjunkturpaket bei einem „physischen“Treffen im Juli billigen
Das „Treffen“der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am Freitag offenbarte alle Probleme, die eine Video-konferenz für politische Verhandlungen darstellt – wegen den Corona-bedingten Bewegungseinschränkungen tagten die „Chefs“noch ein (vorerst) letztes Mal digital. Dabei gab es nur wenig Interaktion: Schön brav der Reihe nach meldeten sich die Regierungschefs zu Wort, um ihre Meinung über die Idee eines 750-Milliarden-wiederaufbauplans für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-krise zu äußern.
Eu-kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte diesen mit europäischen Krediten finanzierten Plan Ende Mai vorgeschlagen, wonach 500 Milliarden Euro als Zuschüsse an Eu-staaten gehen sollen und 250 Milliarden als Kredite dienen können. Zurückgezahlt werden soll das Geld über den gemeinsamen Eu-haushalt. Das Programm soll im Paket mit dem nächsten siebenjährigen Eufinanzrahmen in Höhe von 1,1 Billionen Euro verhandelt werden. Am Freitag fand demnach die erste Debatte auf höchster politischer Ebene darüber statt. Debattiert wurde laut Angaben von Diplomaten allerdings wenig – vielmehr wurden längst bekannte Positionen vorgetragen.
So lobten die von der Krise sehr stark betroffenen Staaten wie Italien und Spanien den Plan der Europäischen Kommission. Auch Luxemburgs Premier Xavier Bettel zeigte sich mit dem Gesamtpaket zufrieden. „Das Gesamtvolumen des Konjunkturpakets ist der Herausforderung gewachsen, der wir gegenüberstehen. Das Paket könnte ein echter Fortschritt für Europa sein“. Einige der anderen wirtschaftsstarken Staaten Nordeuropas, zu denen die Niederlande, Finnland, Österreich und Schweden gehören, kritisierten dagegen das Programm. Sie finden, dass es bei den europäischen Corona-hilfen keine zusätzlichen Geld-transfers geben kann und pochen darauf, dass die Staaten Südeuropas weiterhin Sparreformen durchführen. Die Diskussionsrunde verlief demnach – inhaltlich gesehen – wenig überraschend. So bestätigte Eu-ratschef Charles Michel, dass es noch „bedeutende Unterschiede zwischen den Positionen gibt“– etwa über den Umfang des Plans und dem
Kommissionschefin von Leyen ist optimistisch.
der
Verteilungsschlüssel für die Geldspritzen.
Dennoch geben sich einige Gipfelteilnehmer und hochrangige Diplomaten optimistisch. Aggressivität, wie noch vor wenigen Wochen spürbar war, gab es nicht mehr unter den Regierungschefs – nicht einmal bei den Hardlinern aus Wien und Den Haag. Der Spanier Pedro Sanchez und der Italiener Giuseppe Conte zeigten sich sogar offen für wirtschaftliche Reformprogramme.
Hoffnung auf baldige Einigung
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte nach dem Treffen, es habe eine „sachbezogene Diskussionskultur und Atmosphäre geherrscht“. Auch Kommissionschefin von der Leyen erkannte positive Anzeichen. „Die erste Diskussion war meiner Meinung nach sehr positiv“, sagte sie. „Die Staats- und Regierungschefs waren sich einig, dass die Schwere dieser Krise eine ehrgeizige gemeinsame Reaktion rechtfertigt. Eine, die Solidarität, Investitionen und Reformen verbindet.“Brisant ist auch, so von der Leyen weiter, „dass viele Staats- und Regierungschefs betonten, dass wir alles in unserer Macht stehende tun müssen, um bald vor der Sommerpause eine Einigung zu erzielen. Es besteht ein echtes Verständnis, dass die Wirksamkeit der Antwort auch davon abhängt.“
Und in der Tat erklärten auch mehrere Regierungschefs öffentlich, dass die Zeit drängt. Eine schnelle Antwort sei wichtig für die Glaubwürdigkeit der EU, sagten etwa Angela Merkel und die belgische Regierungschefin Sophie Wilmès. Ratspräsident Charles Michel, der die Verhandlungen nun leiten wird, kündigte ein weiteres Gipfeltreffen „Mitte Juli“an – diesmal aber „physisch“und nicht via Videokonferenz. Spätestens dann „muss eine Einigung erreicht werden“, drängte Giuseppe Conte. Der niederländische Premier Mark Rutte dagegen profilierte sich nicht ungern als Bremser: Verhandlungen bis in den Herbst wären nicht dramatisch, sagte er. Doch Deutschland, das im Juli seine Eu-ratspräsidentschaft beginnt und dann das Tagesgeschäft der EU leiten wird, hätte das Thema am liebsten schon vorher vom Tisch – dann muss die EU sich nämlich intensiver mit den Folgen des Brexit befassen und ein Handelsabkommen mit London abschliessen.