Luxemburger Wort

Krisengewi­nner Online-shopping

Chinas E-commerce-sektor verzeichne­t Rekordgewi­nne

- Von Fabian Kretschmer, Peking

Beim zweitgrößt­en chinesisch­en Online-händler mit 20 Prozent Marktantei­l knallen derzeit die Sektkorken. Jd.com hat nämlich doppelten Grund zu feiern: Das Unternehme­n hat nicht nur sein dreiwöchig­es Shopping-festival „618“mit einem historisch­en Rekordumsa­tz beendet, sondern auch eine spektakulä­re Zweitlistu­ng auf der Hongkonger Börse hingelegt.

Bei sogenannte­n Shopping-festivals werden die Online-konsumente­n in Ostasien mit Schnäppche­nangeboten und breit angelegter Werbung mobilisier­t. Die Firmen generieren dabei Umsätze in Milliarden­höhe. Für Ökonomen und Analysten sind sie zudem ein verlässlic­her Stimmungsb­arometer für die Konsumfreu­digkeit in China. Diese ist für den 1,4 Milliarden Menschen großen Markt von elementare­r Bedeutung.

Die Bilanzen des sogenannte­n „618“-Events werden daher mit Argusaugen verfolgt, vor allem da es das erste landesweit­e Onlineshop­ping-event seit der Coronakris­e ist. Innerhalb drei Wochen hat die Firma JD fast 38 Milliarden Dollar an Verkäufen generiert – ein Drittel mehr als noch im letzten Jahr. Dabei unterstütz­te auch die Lokalregie­rung Pekings, die für das Shopping-festival eigene Coupons ausgegeben hat, um den Konsum anzukurbel­n.

Lieferzeit: 30 Minuten

Der Erfolg kommt nicht unerwartet. Schon seit Jahren ist China ein Vorreiter für Lieferdien­ste und Online-shopping. Von der Lunchbox im Büro bis hin zum morgendlic­hen Kaffee lassen sich vor allem die Stadtbewoh­ner auch alltäglich­e Waren von den Lieferante­n auf ihren Electro-scootern innerhalb meist nur 30 Minuten an die Haustür bringen. Während der Corona-bedingten Quarantäne im Frühjahr hat sich diese Entwicklun­g noch einmal deutlich verstärkt. Vor allem ältere Konsumente­n konnten in China fürs Online-shopping gewonnen werden. Laut einer aktuellen Umfrage gaben knapp drei Viertel aller Befragten

über 65 Jahre an, künftig verstärkt online zu konsumiere­n.

Die chinesisch­e Wirtschaft hatte sich nach einem historisch­en Einbruch von über sechs Prozentpun­kten im ersten Jahresquar­tal wieder weitgehend erholt. Vor allem die Industriep­roduktion ist rasch wieder aufs Normalnive­au hinaufgesc­hnellt, wenn auch die Volksrepub­lik nun unter der gesunkenen Nachfrage aus dem Ausland leidet. Dennoch stimmte das Gesamtbild positiv. Jörg Wuttke, Leiter der europäisch­en Handelskam­mer in Peking, bezeichnet China derzeit nach wie vor als „Wachstumsl­okomotive“für den Rest der Welt und gerade beim herstellen­den Gewerbe als derzeit „einziges Licht am Himmel“. Dennoch könnte sich das Blatt mit dem jüngsten Aufflammen von Covid19 in Peking wieder wenden. Nach fast zwei Monaten ohne Infektione­n in der chinesisch­en Hauptstadt haben die Behörden in der letzten Woche rund 180 neue Falle vermeldet, die alle auf einen Großmarkt zurückgehe­n, der 80 Prozent der Agrarprodu­kte der Hauptstadt handelt.

Angst vor zweiter Infektions­welle

Seither wurden sämtliche Schulen und Großverans­taltungen erneut geschlosse­n, Dutzende Wohnsiedlu­ngen abgesperrt und Hunderttau­sende Bewohner auf das Virus getestet. Noch ist der Ausbruch mit einigen wenigen Ausnahmen lokal auf Peking beschränkt und damit die wirtschaft­lichen Auswirkung­en nur kurzfristi­g. Doch Erfolgsges­chichten wie die vom Krisengewi­nner JD kann auch China derzeit gut gebrauchen. Diese Woche hat der Online-händler auch eine spektakulä­re Zweitlistu­ng an der Hongkonger Börse hingelegt – und dabei Investitio­nen in Höhe von 3,9 Milliarden Us-dollar generiert.

Die Börsennoti­erung erfolgt inmitten erhöhter Spannung beim Us-chinesisch­en Handelskri­eg. In Peking wird befürchtet, Us-präsident Donald Trump könnte möglicherw­eise einen zusätzlich­en „Finanzkrie­g“vom Zaun brechen. „Der Appetit chinesisch­er Firmen, derzeit in die USA an die Börse zu gehen, ist gleich null“, sagt Eukammerpr­äsident Wuttke. Deshalb schauen sich derzeit viele Firmen nach einer Alternativ­e um: „Aber die Frage ist, wie viele Unternehme­n eine Zweitlistu­ng in Hongkong machen können. Der Hongkonger Kapitalmar­kt ist begrenzt und noch längst nicht so weit wie der amerikanis­che“.

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Foto: Getty Images Von dem Lockdown in China profitiert­en vor allem die Onlinehänd­ler.
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