Krisengewinner Online-shopping
Chinas E-commerce-sektor verzeichnet Rekordgewinne
Beim zweitgrößten chinesischen Online-händler mit 20 Prozent Marktanteil knallen derzeit die Sektkorken. Jd.com hat nämlich doppelten Grund zu feiern: Das Unternehmen hat nicht nur sein dreiwöchiges Shopping-festival „618“mit einem historischen Rekordumsatz beendet, sondern auch eine spektakuläre Zweitlistung auf der Hongkonger Börse hingelegt.
Bei sogenannten Shopping-festivals werden die Online-konsumenten in Ostasien mit Schnäppchenangeboten und breit angelegter Werbung mobilisiert. Die Firmen generieren dabei Umsätze in Milliardenhöhe. Für Ökonomen und Analysten sind sie zudem ein verlässlicher Stimmungsbarometer für die Konsumfreudigkeit in China. Diese ist für den 1,4 Milliarden Menschen großen Markt von elementarer Bedeutung.
Die Bilanzen des sogenannten „618“-Events werden daher mit Argusaugen verfolgt, vor allem da es das erste landesweite Onlineshopping-event seit der Coronakrise ist. Innerhalb drei Wochen hat die Firma JD fast 38 Milliarden Dollar an Verkäufen generiert – ein Drittel mehr als noch im letzten Jahr. Dabei unterstützte auch die Lokalregierung Pekings, die für das Shopping-festival eigene Coupons ausgegeben hat, um den Konsum anzukurbeln.
Lieferzeit: 30 Minuten
Der Erfolg kommt nicht unerwartet. Schon seit Jahren ist China ein Vorreiter für Lieferdienste und Online-shopping. Von der Lunchbox im Büro bis hin zum morgendlichen Kaffee lassen sich vor allem die Stadtbewohner auch alltägliche Waren von den Lieferanten auf ihren Electro-scootern innerhalb meist nur 30 Minuten an die Haustür bringen. Während der Corona-bedingten Quarantäne im Frühjahr hat sich diese Entwicklung noch einmal deutlich verstärkt. Vor allem ältere Konsumenten konnten in China fürs Online-shopping gewonnen werden. Laut einer aktuellen Umfrage gaben knapp drei Viertel aller Befragten
über 65 Jahre an, künftig verstärkt online zu konsumieren.
Die chinesische Wirtschaft hatte sich nach einem historischen Einbruch von über sechs Prozentpunkten im ersten Jahresquartal wieder weitgehend erholt. Vor allem die Industrieproduktion ist rasch wieder aufs Normalniveau hinaufgeschnellt, wenn auch die Volksrepublik nun unter der gesunkenen Nachfrage aus dem Ausland leidet. Dennoch stimmte das Gesamtbild positiv. Jörg Wuttke, Leiter der europäischen Handelskammer in Peking, bezeichnet China derzeit nach wie vor als „Wachstumslokomotive“für den Rest der Welt und gerade beim herstellenden Gewerbe als derzeit „einziges Licht am Himmel“. Dennoch könnte sich das Blatt mit dem jüngsten Aufflammen von Covid19 in Peking wieder wenden. Nach fast zwei Monaten ohne Infektionen in der chinesischen Hauptstadt haben die Behörden in der letzten Woche rund 180 neue Falle vermeldet, die alle auf einen Großmarkt zurückgehen, der 80 Prozent der Agrarprodukte der Hauptstadt handelt.
Angst vor zweiter Infektionswelle
Seither wurden sämtliche Schulen und Großveranstaltungen erneut geschlossen, Dutzende Wohnsiedlungen abgesperrt und Hunderttausende Bewohner auf das Virus getestet. Noch ist der Ausbruch mit einigen wenigen Ausnahmen lokal auf Peking beschränkt und damit die wirtschaftlichen Auswirkungen nur kurzfristig. Doch Erfolgsgeschichten wie die vom Krisengewinner JD kann auch China derzeit gut gebrauchen. Diese Woche hat der Online-händler auch eine spektakuläre Zweitlistung an der Hongkonger Börse hingelegt – und dabei Investitionen in Höhe von 3,9 Milliarden Us-dollar generiert.
Die Börsennotierung erfolgt inmitten erhöhter Spannung beim Us-chinesischen Handelskrieg. In Peking wird befürchtet, Us-präsident Donald Trump könnte möglicherweise einen zusätzlichen „Finanzkrieg“vom Zaun brechen. „Der Appetit chinesischer Firmen, derzeit in die USA an die Börse zu gehen, ist gleich null“, sagt Eukammerpräsident Wuttke. Deshalb schauen sich derzeit viele Firmen nach einer Alternative um: „Aber die Frage ist, wie viele Unternehmen eine Zweitlistung in Hongkong machen können. Der Hongkonger Kapitalmarkt ist begrenzt und noch längst nicht so weit wie der amerikanische“.