Warten auf den Ansturm
In der Oberstadt kehren die Kunden allmählich zurück – aber noch längst nicht alle
Luxemburg. „Net ouni meng Mask“, „trois clients maximum“, „veuillez vous désinfecter les mains svp.“– auch in der Stater Geschäftswelt ist längst eine „neue Normalität“eingekehrt. Vor vielen Ladentüren sind am Boden Pfeile und Linien angebracht. Sie zeigen auf, wo die Kunden Schlange stehen sollen, wenn sich bereits zu viele Menschen im Inneren aufhalten. Menschenschlangen sieht man an diesem Wochentag, es ist kurz vor Mittag, jedoch keine.
Seit sechs Wochen dürfen die Einzelhändler wieder Kunden empfangen. Viele Läden werben mit Rabatten, es gibt 20, 30 oder auch 50 Prozent. Das Ziel ist klar: Schnellstmöglich zurück ins Geschäft kommen, nach acht langen Wochen der pandemiebedingten Schließung. Im Gespräch mit mehreren Geschäftsleuten in der Oberstadt fällt die erste Zwischenbilanz durchwachsen, aber dennoch vorsichtig optimistisch aus.
„Ja, die Kunden kommen allmählich zurück. Aber es sind deren auf jeden Fall weniger als vor der Krise“, erklärt die Leiterin eines Schuhgeschäfts. In einem Lederwarengeschäft in der Nachbarschaft fällt das Fazit ähnlich aus. „Die Frequenz ist noch bei Weitem nicht so hoch wie zuvor. Das dauert.“Nicht weit davon entfernt, in einem Bekleidungsgeschäft, hat man in der Anfangsphase versucht, die Kunden mit einer Rabattaktion zurückzugewinnen. Dies habe zwar funktioniert, wie die Verkäuferinnen berichten, zurück auf dem Niveau von vor der Krise sei man allerdings auch hier noch nicht.
Gedämpfte Kauflust
Ob die Kunden das Shoppen denn nicht vermisst hätten? „Na ja, viele haben während des Lockdown zugenommen“, lacht eine Verkäuferin. „Hinzu kommt, dass die Menschen die vergangenen Wochen überwiegend zu Hause verbracht haben – und demnach noch keinen Anlass hatten, ihre vor der Krise erworbenen, neuen Teile auszuführen.“
Bisweilen ist die Kauflust also gedämpft, gepaart mit einer leichten Verunsicherung angesichts der neuen Hygienevorschriften. An Letztere scheinen sich die Kunden aber zusehends zu gewöhnen. „Am Anfang hatten unsere Kundinnen sehr viele Fragen zu den Bestimmungen“, berichten zwei Verkäuferinnen. Kleidung anprobieren ist hier, genau wie in den meisten anderen Läden, möglich. „Im Anschluss desinfizieren wir die Kabinen. Kleidungsstücke, die nicht gekauft werden, behandeln wir an der Dampfbügelstation.“
Genauso wird es auch im nächsten Geschäft gehandhabt, wie die Verkäuferin berichtet. Probleme bereite dies nicht: „Ich stelle fest, dass die Kunden nicht weiter besorgt sind. Sie haben keine Angst und fühlen sich wohl.“
Sorge bereitet den Geschäftsleuten zurzeit eher die immer noch begrenzte Laufkundschaft. „Viele Beschäftigte arbeiten noch im Homeoffice. Daher fehlt der Andrang in der Mittagspause“, erklären zwei Fachkräfte. Einen Rückgang der Kundschaft über Mittag habe man sogar schon zwei Wochen vor Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen bemerkt.
Direkthilfen für die Händler
Wie eine weitere Geschäftsfrau anmerkt, seien im Stadtzentrum zwar wieder vermehrt Touristen unterwegs. „Doch sie kaufen nichts“, bedauert sie. „Viele Kunden sagen auch, dass sie erst zurückkommen, wenn es Preisnachlässe von mehr als 30 Prozent gibt“, stellt sie fest. „Sie haben sich Mega-rabatte erwartet. Aber wir können doch nicht mit Verlust verkaufen“, meint sie kopfschüttelnd. Ihrer Ansicht nach gibt es aber noch einen weiteren Grund für die fehlende Kundschaft. „Das Stadtzentrum verliert zunehmend an Authentizität, es gibt kaum Animation und es wird nicht genug unternommen, um die Stadt zu dynamisieren“, findet sie. Und dann seien da noch die nach wie vor verrückten Mietpreise. „Es muss etwas unternommen werden.“
Dessen ist man sich auch bei den Gemeindeverantwortlichen bewusst. Erst gestern hat der Gemeinderat der Stadt Luxemburg Einzelhändlern eine Direkthilfe in
Höhe von 4 000 Euro zugesprochen. Bereits Anfang der Woche hatten die Räte außerdem eine Gutschein-aktion zugunsten der lokalen Geschäfte (siehe Kasten) beschlossen; anderthalb Millionen Euro lässt sich die Stadt allein dieses Unterfangen kosten. Eine Initiative, die die Geschäftsleute im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“allesamt begrüßen.
Leerstand und Neuzugänge
Noch lässt sich nicht absehen, wie weitreichend die Folgen von Corona letztendlich sein werden. Sichtbare Konsequenzen erblickt man in der hauptstädtischen Fußgängerzone zumindest bisher kaum. In den Schaufenstern der meisten leerstehenden Ladenflächen wurde auch schon vor der Krise nach neuen Mietern geworben. Doch es werden wohl weitere hinzukommen.
Anfang der Woche wurde bekannt, dass der Macaron-spezialist Ladurée Luxembourg, ansässig an der Ecke Rue des Capucins/grand-rue, in Konkurs gegangen ist. Und in den Geschäften wird über weitere bevorstehende Schließungen gemutmaßt.
Dennoch gibt es auch Lichtblicke. Seit Jahresbeginn haben in der Oberstadt mehrere Neuzugänge ihre Türen geöffnet, in zuvor leerstehenden Läden buhlen vorübergehend eingerichtete Pop-upstores um Kunden. Jetzt müssen sie nur noch kommen.
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