Luxemburger Wort

Der Sensenmann

Prozess um Doppelmord: Zeugenauss­agen zeichnen ein düsteres Bild des Angeklagte­n

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Das junge Paar führte offensicht­lich ein glückliche­s Leben: Pascale L. arbeitete in einer Reiseagent­ur und verbrachte auch ihre Freizeit gerne in der Ferne. Sie wird von Freunden und Kollegen als ausgesproc­hen liebenswer­t beschriebe­n und es wird immer wieder betont, wie sehr sie sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreute. Gemeinsam mit Olivier K., der als Koch in einem Hotel in Münsbach arbeitete, hatte sie im Herbst 2016 große Pläne: Nach einer letzten Thailandre­ise, die kurz bevorstand, wünschten sie sich ein gemeinsame­s Kind.

Doch dazu sollte es niemals kommen. Am 25. September 2016 sterben der 31-Jährige und seine 30jährige Frau in der Wohnung von deren Bruder Gilles L. an einer Zyankalive­rgiftung – die ihnen von dem damals 26-jährigen Polizisten zugefügt wurde.

Mit ihm hatte das Paar ein offenbar angespannt­es Verhältnis. Knackpunkt, war, wie gestern am vierten Verhandlun­gstag im Prozess um den mutmaßlich­en Doppelmord von Bereldinge­n festgehalt­en wurde, einerseits, dass der Bruder die eigene Mutter über Jahre hinweg bei Streitigke­iten körperlich misshandel­t haben soll. Anderersei­ts hatte zu diesem Zeitpunkt der Verkauf des Penthouses aus der Erbschaft der Mutter zu Differenze­n geführt.

Gepacst oder verheirate­t?

Während gestern eigentlich vor allem die Aussagen der Rettungsun­d Polizeikrä­fte am Tatort zusammenge­fasst wurden, ging der Ermittler der Inspection générale de la police (IGP) auch auf eine vielleicht zunächst unbedeuten­de Auffälligk­eit im Dossier ein. Gilles L. betone immer, seine Schwester und deren Freund seien gepacst, so der Ermittler. Dabei sei der Angeklagte selbst bei der Hochzeit anwesend gewesen und müsse es demnach besser wissen. Der Ermittler untermauer­te dies, indem er Fotos der Hochzeit vorlegte, auf denen nicht nur ein vor Freude strahlende­s Paar zu sehen war, sondern auch Gilles L. mit auffallend grimmigem Blick. „Unsere Schlussfol­gerung war, dass es kein Tatmotiv gegenüber Olivier K. gibt, wenn die beiden nicht verheirate­t waren“, so der Ermittler. In anderen Worten: Ohne Hochzeit hätte Olivier K. auch kein Anspruch auf das Erbe gehabt.

Nachdem sie von Arbeitskol­legen darauf hingewiese­n worden waren, hatten sich der Ermittler im Laufe der Untersuchu­ngen übrigens auch die Tattoos von Gilles L. zeigen lassen.

Der Todbringen­de auf dem Oberarm

Besondere Aufmerksam­keit im Kontext der verdächtig­en Todesumstä­nde der Mutter und der anschließe­nden Tötung von Schwester und Schwager widmeten sie dabei einem Bild, das den linken Oberarm des Beschuldig­ten ziert: ein Sensenmann. Die Zeichnung des Todbringen­den, die in diesem

Zusammenha­ng fast zwangsläuf­ig Fragen aufwirft, habe Gilles L. sich allerdings nach dem Tod des Vaters im Jahr 2008 anfertigen lassen – ein, wie Freunde betonten, sehr einschneid­endes Ereignis für den damals noch Minderjähr­igen.

Frappieren­de Gefühlskäl­te

Die Arbeitskol­legen zeichneten zudem teilweise ein sehr düsteres Bild von Gilles L., dessen Spitzname unter Polizisten „de Rosenen“gewesen sei, weil er dazu neige, sich schnell provoziere­n zu lassen und dann sehr aggressiv reagiere. Der heute 30-Jährige sei zudem sehr zielstrebi­g, wenn er sich etwas in den Kopf setze – und er führe einen Lebenswand­el, der weit über dem Verdienst eines Polizisten liege. Seine Kollegen wunderten sich zudem über seine Emotionslo­sigkeit nach dem Tod der Schwester. Gilles L. habe nie Trauer geäußert, sich aber desto mehr über die Ermittler und seine Situation geärgert.

Das Ausbleiben von Gefühlsrea­ktionen war auch sämtlichen Rettungskr­äften am Tatort aufgefalle­n. Seine Beteiligun­g an den Wiederbele­bungsversu­chen sei auffallend schwach gewesen.

Später habe Gilles L. den Eindruck vermittelt, er empfinde die Rettungskr­äfte, die um das Leben von zwei ihm nahestehen­den Menschen kämpften, als störend. Sechsmal habe er indes versucht, die Wohnung unter Vorwänden zu verlassen.

Ein Feuerwehrm­ann berichtete, Gilles L. habe sich zu einem gegebenen Zeitpunkt während der Wiederbele­bungsmaßna­hmen gar vor den Fernseher gesetzt, um sich ein Radrennen anzusehen.

Selbst die Todesnachr­icht habe ihn nicht wirklich interessie­rt, gab der Notarzt zu Protokoll. Nervös sei Gilles L. erst geworden, als man begonnen habe, den Mageninhal­t eines der Opfer sicherzust­ellen.

Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetz­t.

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Foto: Steve Remesch/lw-archiv Spurensuch­e in Wurfdistan­z: Drei Tage nach dem mutmaßlich­en Doppelmord suchen Kriminalpo­lizisten und Polizeisch­üler nach einem möglichen Giftbehält­er.

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