Der Sensenmann
Prozess um Doppelmord: Zeugenaussagen zeichnen ein düsteres Bild des Angeklagten
Luxemburg. Das junge Paar führte offensichtlich ein glückliches Leben: Pascale L. arbeitete in einer Reiseagentur und verbrachte auch ihre Freizeit gerne in der Ferne. Sie wird von Freunden und Kollegen als ausgesprochen liebenswert beschrieben und es wird immer wieder betont, wie sehr sie sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreute. Gemeinsam mit Olivier K., der als Koch in einem Hotel in Münsbach arbeitete, hatte sie im Herbst 2016 große Pläne: Nach einer letzten Thailandreise, die kurz bevorstand, wünschten sie sich ein gemeinsames Kind.
Doch dazu sollte es niemals kommen. Am 25. September 2016 sterben der 31-Jährige und seine 30jährige Frau in der Wohnung von deren Bruder Gilles L. an einer Zyankalivergiftung – die ihnen von dem damals 26-jährigen Polizisten zugefügt wurde.
Mit ihm hatte das Paar ein offenbar angespanntes Verhältnis. Knackpunkt, war, wie gestern am vierten Verhandlungstag im Prozess um den mutmaßlichen Doppelmord von Bereldingen festgehalten wurde, einerseits, dass der Bruder die eigene Mutter über Jahre hinweg bei Streitigkeiten körperlich misshandelt haben soll. Andererseits hatte zu diesem Zeitpunkt der Verkauf des Penthouses aus der Erbschaft der Mutter zu Differenzen geführt.
Gepacst oder verheiratet?
Während gestern eigentlich vor allem die Aussagen der Rettungsund Polizeikräfte am Tatort zusammengefasst wurden, ging der Ermittler der Inspection générale de la police (IGP) auch auf eine vielleicht zunächst unbedeutende Auffälligkeit im Dossier ein. Gilles L. betone immer, seine Schwester und deren Freund seien gepacst, so der Ermittler. Dabei sei der Angeklagte selbst bei der Hochzeit anwesend gewesen und müsse es demnach besser wissen. Der Ermittler untermauerte dies, indem er Fotos der Hochzeit vorlegte, auf denen nicht nur ein vor Freude strahlendes Paar zu sehen war, sondern auch Gilles L. mit auffallend grimmigem Blick. „Unsere Schlussfolgerung war, dass es kein Tatmotiv gegenüber Olivier K. gibt, wenn die beiden nicht verheiratet waren“, so der Ermittler. In anderen Worten: Ohne Hochzeit hätte Olivier K. auch kein Anspruch auf das Erbe gehabt.
Nachdem sie von Arbeitskollegen darauf hingewiesen worden waren, hatten sich der Ermittler im Laufe der Untersuchungen übrigens auch die Tattoos von Gilles L. zeigen lassen.
Der Todbringende auf dem Oberarm
Besondere Aufmerksamkeit im Kontext der verdächtigen Todesumstände der Mutter und der anschließenden Tötung von Schwester und Schwager widmeten sie dabei einem Bild, das den linken Oberarm des Beschuldigten ziert: ein Sensenmann. Die Zeichnung des Todbringenden, die in diesem
Zusammenhang fast zwangsläufig Fragen aufwirft, habe Gilles L. sich allerdings nach dem Tod des Vaters im Jahr 2008 anfertigen lassen – ein, wie Freunde betonten, sehr einschneidendes Ereignis für den damals noch Minderjährigen.
Frappierende Gefühlskälte
Die Arbeitskollegen zeichneten zudem teilweise ein sehr düsteres Bild von Gilles L., dessen Spitzname unter Polizisten „de Rosenen“gewesen sei, weil er dazu neige, sich schnell provozieren zu lassen und dann sehr aggressiv reagiere. Der heute 30-Jährige sei zudem sehr zielstrebig, wenn er sich etwas in den Kopf setze – und er führe einen Lebenswandel, der weit über dem Verdienst eines Polizisten liege. Seine Kollegen wunderten sich zudem über seine Emotionslosigkeit nach dem Tod der Schwester. Gilles L. habe nie Trauer geäußert, sich aber desto mehr über die Ermittler und seine Situation geärgert.
Das Ausbleiben von Gefühlsreaktionen war auch sämtlichen Rettungskräften am Tatort aufgefallen. Seine Beteiligung an den Wiederbelebungsversuchen sei auffallend schwach gewesen.
Später habe Gilles L. den Eindruck vermittelt, er empfinde die Rettungskräfte, die um das Leben von zwei ihm nahestehenden Menschen kämpften, als störend. Sechsmal habe er indes versucht, die Wohnung unter Vorwänden zu verlassen.
Ein Feuerwehrmann berichtete, Gilles L. habe sich zu einem gegebenen Zeitpunkt während der Wiederbelebungsmaßnahmen gar vor den Fernseher gesetzt, um sich ein Radrennen anzusehen.
Selbst die Todesnachricht habe ihn nicht wirklich interessiert, gab der Notarzt zu Protokoll. Nervös sei Gilles L. erst geworden, als man begonnen habe, den Mageninhalt eines der Opfer sicherzustellen.
Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.