Der rot-weiß-blaue Faden
Nationalfeiertag im Zeichen der Corona-krise und der Solidarität
Das Wetter präsentiert sich in prächtigstem Festgewand, als Großherzog Henri kurz nach 11 Uhr am Kanounenhiwwel von Chamberpräsident Fernand Etgen, Premierminister Xavier Bettel und Stadtbürgermeisterin Lydie Polfer zu den Klängen des „Wilhelmus“empfangen wird. Ihre obligatorischen Schutzmasken sind das sichtbare Merkmal, dass ein Nationalfeiertag der besonderen Art zelebriert wird. Ein Nationalfeiertag, an dem der Begriff „kein“allgegenwärtig ist: keine zivile Feier in der Philharmonie, keine Militärparade, kein feierliches Te Deum, kein Fakelzuch, keine Volksnähe mit Visiten von Großherzog und Großherzogin sowie des erbgroßherzoglichen Paares ...
„Es ist ein außergewöhnlicher Tag in einer außergewöhnlichen Situation.“Gleich zu Beginn seiner Ansprache bringt es Premierminister Xavier Bettel denn auch auf den Punkt: Die Corona-krise drückt dem 23. Juni 2020 ihren Stempel auf. Wie ein rot-weißblauer Faden zieht sich die Pandemie durch die Rede des Premierministers, von Fernand Etgen und von Großherzog Henri. Einen Punkt heben sie dabei mehrfach ganz besonders hervor: Die Solidarität, die Luxemburg getragen habe, seit das Land Mitte März vom Virus erfasst und der nationale Notstand ausgerufen wurde.
Dankbarkeit und Stolz
Während Etgen von einer „typisch luxemburgischen Tugend“spricht, betont Bettel, dass er „dankbar und stolz“auf das sei, was die Bürger gemeinsam geleistet hätten und bezieht wie Großherzog Henri die ausländischen Mitbürger und Grenzgänger in diesen Dank mit ein – denn mit den einschneidenden Eingriffen habe man den Menschen „sehr viel zugemutet“, so Bettel.
Großherzog Henri zollt insbesondere den Angestellten im Gesundheitsund Pflegedienst seinen tiefen Respekt für ihr „beispielhaftes Engagement“und lobt neben der Solidarität auch die Disziplin.
Luxemburg wäre weitaus härter getroffen worden, wenn die sanitären Schutzbestimmungen nicht beherzigt worden wären: „Jeder hat sich vorbildlich verhalten.“Anerkennende Worte vom Staatschef ernten Regierung und Parlament, die jene Maßnahmen getroffen hätten, die Leben schützen und Leben retten.
Die drei Redner gehen aber auch auf die Opfer ein, die die Krise gefordert hat und noch abverlangen werde – moralisch, physisch und wirtschaftlich, wie Fernand Etgen zu bedenken gibt. „Es sind Wunden entstanden, die nicht von heute auf morgen heilen“, mahnt Premier Bettel und fügt sogleich eine positive Note an: Er sei zuversichtlich, „dass wir die Krise gemeinsam meistern“.
Die Corona-krise könne auch aufgrund einer starken Europäischen Union bewältigt werden, unterstreicht Großherzog Henri mit Blick auf das umfangreiche Hilfspaket den Stellenwert des Staatenbündnisses und plädiert dafür, dass Europa künftig in der Gesundheitspolitik stärker kooperiere. Fernand Etgen erinnert auch daran, was geschieht, wenn nationalpolitische Reflexe dominieren: „Wir wollen unser grenzenloses Schengen zurück“, kritisiert er die Grenzschließungen.
Solidaritéit a Kohesioun tëschent alle Lëtzebuerger an alle Leit, déi hei liewen a schaffen, dat sinn ons beschten Atouten an dëser Kris. Großherzog Henri
Die Bedeutung der Freiheit
Dass der Festakt zum Nationalfeiertag am Kanounenhiwwel stattfindet, wird ebenfalls in den Reden thematisiert. Das Monument national de la solidarité luxembourgeoise erinnere an die dunkle Zeit des Zweiten Weltkrieges, als die Luxemburger ihrer Freiheit beraubt wurden und unter schweren Opfern Widerstand gegen das Nazi-regime geleistet hätten. Das werde nie vergessen, so Großherzog Henri. Und Premierminister Bettel hebt hervor, dass diese Gedenkstätte der passende Ort sei, um sich der Bedeutung der Freiheit stets bewusst zu werden.
Emotional werden die Redner, als sie jenes freudige Ereignis ansprechen, das sich während der Corona-tage am 10. Mai zutrug: die Geburt von Prinz Charles, das erste Kind von Erbgroßherzogin Stéphanie und Erbgroßherzog Guillaume und „das ganze Glück seiner Eltern“, wie der Staatschef als stolzer Großvater verkündet. „Es war ein heller Lichtblick in dunkler Zeit“, betont seinerseits Fernand Etgen.
Nach etwas mehr als einer halben Stunde endet die Zeremonie mit der Europahymne und der Heemecht. Danach werden vom Fetschenhaff 21 Salutschüsse abgefeuert. Der Nationalfeiertag 2020 ist Geschichte.