In guter Gesellschaft
Wie die Bewohner der Senioreneinrichtung im Konviktsgaart die Corona-krise erleben
Luxemburg. Es ist kurz vor Mittag. Entlang der hauptstädtischen Avenue Marie-thérèse führt eine lange Einfahrt bis vor den Haupteingang der Résidence Grandeduchesse Joséphine-charlotte – besser bekannt als Konviktsgaart. Eine Handvoll Senioren spaziert dort auf und ab, einige stützen sich dabei auf ihre Rollatoren. Alle warten darauf, dass im Restaurant das Mittagessen serviert wird.
So auch Emile Rossler. Der 88Jährige sitzt draußen an einem Tisch auf der erst vor Kurzem neu gestalteten Terrasse. Seit vier Jahren lebt der pensionierte Lw-journalist in der Senioreneinrichtung, die seit 1992 körperlich und mental fitten Senioren über 65 Jahre ein betreutes Wohnkonzept anbietet. „Anders als in vielen Alters- und Pflegeheimen wohnen hier teils noch sehr autonome Senioren, die ein freies und aktives Leben führen. Daher fühle ich mich in dieser Wohngemeinschaft so wohl“, sagt Rossler.
Einsam statt gesellig
Doch auch die Bewohner der Résidence Grande-duchesse Joséphine-charlotte, die insgesamt 111 Wohneinheiten und acht Zimmer für Kurzaufenthalte zählt, mussten in den vergangenen Monaten wegen der Corona-krise auf einige Lieblingsbeschäftigungen und Freiheiten verzichten. Unter anderem sind zahlreiche Freizeitaktivitäten ausgefallen, Familienbesuche waren nicht mehr gestattet und auch das hauseigene Restaurant musste seine Türen schließen. „Obschon die vereinzelten Maßnahmen bei uns vielleicht nicht ganz so streng waren wie in anderen Einrichtungen, hat es das Leben der Bewohner doch sehr beeinflusst“, meint Marcello Loguercio, der seit 19 Jahren die Senioreneinrichtung leitet.
Vor allem die Schließung des Restaurants hätte viele Bewohner aus der Bahn geworfen. „Er gehört einfach zum Alltag dazu – der Gang ins Restaurant. Die Senioren bekommen dort täglich ihr Frühstück und Mittagessen serviert, abends versorgen sie sich selbst, in ihren Wohnungen oder woanders. Als das Restaurant und die Cafeteria geschlossen wurden, war plötzlich ein Teil dieser Routine weg. Das Essen wurde ihnen auf das Zimmer gebracht, wo sie dann ohnehin die meiste Zeit verbrachten. Mit dieser plötzlichen Einsamkeit hatten viele zu kämpfen“, so Marcello Loguercio.
Das kann Elvire Baumann nur bestätigen. Vor circa vier Jahren zog die heute 78-Jährige mit ihrem Ehemann in die Wohneinrichtung, im April 2019 wurde sie zur Witwe. „Ich bin manchmal schon gerne allein, traf mich aber auch regelmäßig mit Bewohnern oder der Familie zum Essen im Restaurant oder auf ein Gläschen in der Cafeteria. Da beide auf einmal geschlossen und Besuche nicht mehr erlaubt waren, musste ich mich anderwärtig beschäftigen“, so die 78Jährige.
Ihr sei das – anders als vielen anderen Bewohnern, die sich ihrer Meinung nach sehr einsam fühlten
Was die Senioren Elvire Baumann, Emile Rossler und Mariette Remy (v.o.n.u.) gemeinsam haben? Sie fürchten sich nicht vor dem Corona-virus. – nicht so schwergefallen. „Ich habe den Lockdown bis jetzt relativ gut überstanden. Da ich mit der Technik gut klarkomme, war ich stets in Kontakt mit meiner Familie, habe täglich mit meiner Tochter telefoniert, getextet und ihr Fotos geschickt“, erzählt Elvire Baumann. Außerdem habe sie Computerspiele gespielt, Grußkarten gestickt und kleine Spaziergänge im Garten unternommen.
Keine Ausgangsbeschränkungen
Anders als in vielen Alten- und Pflegeheimen gab es für die Bewohner des Konviktsgaart während des Lockdown keine offizielle Ausgangsbeschränkung, sagt Direktor Marcello Loguercio: „Aus Sicherheitsgründen haben wir den Senioren aber natürlich geraten, so wenig wie möglich die Residenz zu verlassen. Offiziell verboten, war das Verlassen des Hauses für sie aber nicht.“Die meisten Bewohner, „etwa 90 Prozent“, wie Loguercio meint, hätten auch Verständnis gezeigt und sich verantwortungsvoll an die Hygienevorschriften und Empfehlungen der Direktion gehalten. „Natürlich sind aber auch bei uns einige aus der Reihe getanzt“, so der Direktor.
Seit Mitte März schon arbeitet Marcello Loguercio nicht mehr von seinem Büro aus, sondern sitzt an einem provisorischen Arbeitstisch neben der Rezeption. „Als Direktor war es mir wichtig, während der Krise jederzeit auffindbar zu sein und den Bewohnern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen“, erklärt der 48-Jährige, der jeden einzelnen der rund 110 Senioren beim Namen kennt. Besonders froh sei er auch über die Tatsache, dass es im Konviktsgaart bislang keinen einzigen Corona-fall gab.
Schritt in Richtung Normalität
Mariette Remy ist eine von vielen Senioren, die mit dem aktuellen Vorgehen der Direktion und des Personals zufrieden sind. „Sie haben alles getan, um uns zu schützen. Natürlich fiel es mir schwer, meine Enkelkinder lange nicht zu sehen, doch die Mitarbeiter im Haus haben stets versucht, uns bei Laune zu halten“, versichert die 85Jährige. Mit dem Alter hätte man ohnehin schon so viel erlebt, dass die Angst vor einem tödlichen Virus nur noch sehr gering sei, so Remy. „Wir haben den Krieg überlebt, in Elend gelebt und unsere Kinder großgezogen. Angst vor dem Sterben habe ich also keine mehr. Doch ich liebe es, zu leben und werde mich auch weiterhin daran festklammern.“
Mit den ersten Lockerungen kam für die Seniorengemeinschaft denn auch eine gewisse Erleichterung. Der rezenteste Grund zur Freude: die Wiedereröffnung des Restaurants. Diese fand vor knapp einer Woche statt. „Jetzt können wir uns endlich wieder schick machen, um in guter Gesellschaft zu Mittag zu essen“, freut sich Mariette Remy. Zwar werden die Mahlzeiten vorübergehend noch in zwei getrennten Speisesälen serviert, bald werden aber auch wieder Freunde und Familie den Senioren beim Essen und Trinken Gesellschaft leisten können, wie Marcello Loguercio verrät.