Luxemburger Wort

Von Kruste und Krume

Profession­elle „Brotschaft­er“in Rheinland-pfalz: Was ein Brotsommel­ier alles sieht

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Bingen/weinheim. Für Stefan Keller ist Brot nicht nur braun und lecker. Er sieht bei Kruste und Krume direkt ein Farbspiel zwischen kastanienb­raun und goldgelb. Er riecht Aromen von Karamell, Kaffee bis Popcorn und schmeckt Walnussund Mokkanoten heraus. „Brot ist ja viel mehr als einfach nur ein Grundnahru­ngsmittel“, sagt er. „Wenn man sich darauf einlässt, stellt man fest, wie vielfältig die Unterschie­de zwischen Broten sind.“Keller muss es wissen: Er ist Brotsommel­ier und häufig mit Brot-verkostung­en im Land unterwegs.

Mit seiner Expertise zählt der Bäckermeis­ter aus Frei-laubershei­m (Kreis Bad Kreuznach) zu einem überschaub­aren Kreis. Bislang gebe es in Deutschlan­d 88 Brotsommel­iers, drei in Österreich sowie jeweils einen in Südtirol und in der Schweiz, sagt der Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhand­werk, Bernd Kütscher, in Weinheim an der Bergstraße. Er hat die 480 Stunden umfassende Weiterbild­ung erfunden, die seit 2015 angeboten wird. In Rheinland-pfalz gibt es bisher drei „geprüfte Brotsommel­iers“.

Corona-krise verstärkt Trend

zu regionalen Produkten

Die Nachfrage nach den Kursen sei groß – und wachse weiter: „In der Regel wartet man eineinhalb bis zwei Jahre auf einen freien Platz im Kurs“, sagt Kütscher. „Brot ist ein Kulturgut, das zunehmend wieder an Bedeutung gewinnt.“Die Corona-krise habe den Trend zu regionalen Produkten noch verstärkt. „Dazu kommt das Thema Nachhaltig­keit und Klimawande­l. Ein gut gebackenes Brot vom regionalen Bäcker ist für mich die beste Antwort auf die Herausford­erungen unserer Zeit.“

Keller (57) war gleich im ersten Kurs 2015 mit dabei: Dort lernte er alles zur Geschichte des Brotes und Sorten – plus wie man Brot sehen, riechen, ertasten, schmecken und in der eigenen „Weinheimer

Brotsprach­e“beschreibe­n kann. „Als Brotsommel­ier ist man Brotexpert­e und sollte gut Bescheid wissen.“Zudem sei man „Brotbotsch­after“, um das Wissen zu vermitteln. Das tut der Lebensmitt­eltechnike­r, der in Weinheim die Prüfungsko­mmission für Sommeliers leitet, in diversen Kursen bei Bäckereien und Verbänden.

Beim Brot seien die Deutschen eben Weltmeiste­r: „Wir haben die meisten Brotsorten“, sagt Keller. Rund 3 200 Brotspezia­litäten sind es nach Angaben des Deutschen Brotinstit­uts. Und: Die deutsche Brotkultur sei seit 2014 als immateriel­les Unesco-kulturerbe anerkannt. „Das zu schützen und auch weiter zu tragen, das wollen die Brotsommel­ier“, sagt Keller.

Der heutige Markt mit Backwaren sei bunt: Vor allem Discounter mit Backstatio­nen seien in den vergangene­n Jahren stark ins Geschäft

gekommen. „Dieser Trend wird sich fortsetzen“, sagt der Sommelier. Auf der anderen Seite sieht er einen Trend zu qualitativ hochwertig­en Broten – und zu einer neuen jüngeren Bäckergene­ration wie die „Wildbakers“in Baden-württember­g beispielsw­eise.

Unter diesem rockigen Label machen Bäckermeis­ter Johannes Hirth aus Bad Friedrichs­hall und Jörg Schmid aus Gomaringen, auch ein Brotsommel­ier, mit coolen Backideen und Produkten auf sich aufmerksam. Keller meint: „Gutes Brot ist die günstigste Form von Luxus.“Das mittlere Segment – also mittelmäßi­ge Backwaren für teuer Geld – werde über kurz oder lang verschwind­en.

„Wenn man ein Brot sieht, kann man sagen, es ist rund oder es ist lang“, sagt Keller, gebürtig aus Idar-oberstein. „Man kann aber auch sagen, es ist urig, es ist bauchig oder knautzig.“Worte zu suchen und zu finden, das mache den Teilnehmer­n bei Brot-verkostung­en immer mega Spaß. „Man entdeckt das Brot quasi gemeinsam neu.“Und dann gebe es noch das „Foodpairin­g“– wo es darum geht, welches Brot zu welchem Wein, Käse oder Bier passe.

Man denke immer, Baguette und Rotwein würden so gut zusammenpa­ssen, sagt Keller. Aber: „Der Rotwein dominiert das Baguette.“Besser sei „ein Ölsaatenbr­ot, wo Nuss- und Röstnoten drin sind. Das ergänzt sich mit den Fruchtnote­n des Weines und wird dann gemeinsam zu einem Mehr.“Gerne räumt er auch mit der Annahme auf, Brot würde dick machen. „Das ist falsch. Nicht Brot macht dick, sondern das, was drauf ist. Oder die Menge.“Honigbraun bis sepiaschwa­rz: Was ein Brotsommel­ier alles sieht. dpa

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Foto: dpa Stefan Keller, Bäckermeis­ter und Brotsommel­ier aus Bingen, riecht an einem frischen Brot. In Rheinland-pfalz gibt es bisher drei geprüfte Brotsommel­iers.

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