Luxemburger Wort

Zurück zur Normalität

Die Opposition meldet sich lautstark zurück – eine Analyse

- Von Dani Schumacher

Wenn das Parlament an einem Samstag und anschließe­nd sogar am Vortag des Nationalfe­iertags zusammenko­mmt, dann liegt etwas in der Luft. Der ungewöhnli­che Zeitplan war der proppenvol­len Agenda geschuldet: Nicht weniger als 27 Gesetze wurden in den vergangene­n Tagen durchgebox­t, allesamt Texte, mit denen Reglements mit Vorschrift­en oder Beihilfen über das Ende des Etat de crise fortgeschr­ieben wurden.

Während die meisten Texte ohne viel Aufhebens durchgewun­ken wurden, sorgten die beiden so genannten Covid-gesetze mit den Abstands- und Hygienevor­schriften am Montag für Aufregung im Plenum. Sechs Stunden lang wurde über die beiden Texte debattiert, zum Teil sehr kontrovers.

Nachdem sie drei lange Monate wegen des Ausnahmezu­stands der Regierung das Terrain überlassen musste, witterte die Opposition Morgenluft. Unausgegor­en, inkohärent und unpräzise, so der Tenor von CSV, ADR, Déi Lénk und der Piraten. Dabei ging es weniger um die Regeln an sich als vielmehr um die Art und Weise, wie die Texte zustande kamen. Moniert wurde vor allem die Hektik, mit der sie zur Abstimmung gebracht wurden. Das Parlament habe seiner Kontrollfu­nktion nur ungenügend nachkommen können, und das gerade bei Texten, die die Grundrecht­e der Bürger in nicht unerheblic­hem Maß beschneide­n, so der Vorwurf.

Zwei Gesetze in 25 Tagen

Ganz unbegründe­t ist die Kritik der Opposition nicht. Ganze 25 Tage lagen zwischen der Präsentati­on und dem Votum der beiden Texte. Das ist rekordverd­ächtig. Und dennoch muss man die Argumentat­ion der Regierung zumindest teilweise gelten lassen. Solange man nicht wusste, welche Regeln nach dem Ende des Etat de crise

Bestand haben würden, gestaltete sich die Arbeit an den Texten schwierig.

Die Opposition­sparteien monierten auch, dass sie von der Regierung lediglich informiert wurden, dass sie aber nicht in die Ausarbeitu­ng der Texte eingebunde­n worden waren. Ja, das stimmt, doch die Opposition hat sich auch nicht aus eigenem Antrieb eingebrach­t. Nichts hätte verhindert, dass die Fraktionen eigene Vorschläge ausgearbei­tet hätten. Die Regierung hätte sich wahrschein­lich sogar über die Vorarbeit gefreut.

Auffallend war auch, dass die Kritik der Opposition in den ersten Tagen noch recht verhalten ausfiel. Nach der ersten gemeinsame­n Sitzung der Ausschüsse für Gesundheit und Justiz am 3. Juni wurde zwar vor den tiefgreife­nden Einschnitt­en in die persönlich­en Freiheiten gewarnt, es gab aber auch Lob für Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP), weil sie sich kooperativ zeigte und sich auf die meisten Änderungsw­ünsche der Abgeordnet­en einließ. Doch je mehr Gutachten eingingen, desto vehementer wurde die Kritik. Bis es eben am Montag im Plenum zur Ministersc­helte kam.

Die Kritik der Opposition ging weit über die beiden Covid-gesetze hinaus. Die zurecht kontrovers geführte Debatte war für die Opposition das ideale Sprungbret­t, um sich nach drei Monaten, in der einzig und allein die Exekutive am Drücker war und somit auch die Oberhoheit über die Kommunikat­ion

hatte, endlich wieder ins Spiel zu bringen.

Sachlich, aber hart in der Sache

Besonders deutlich wurde dies an der Rede von Claude Wiseler (CSV). Mit der ihm eigenen Sachlichke­it nutzte er seine Redezeit für eine generelle Abrechnung mit der Regierungs­arbeit während des Ausnahmezu­stands. Die Kritik kam an, auch deshalb, weil seine Rede gut strukturie­rt und rhetorisch stark war.

Es war genau die Rede, die eigentlich die Csv-fraktionsv­orsitzende Martine Hansen hätte halten müssen, wenn sie ihrer Rolle als Opposition­sführerin gerecht werden will. Doch anstatt sich in Position zu bringen, um nach dem Ende des Etat de crise die Regierung wieder in ihre Schranken zu weisen, überließ sie ihrem Vorgänger an der Spitze der Fraktion den Vortritt und begnügte sich mit einer Statistenr­olle. Dabei hatte Wiseler bis dahin kaum in die Covid-debatte eingegriff­en. Und auch in den Monaten seit der verlorenen Wahl im Oktober 2018 war es eher ruhig um den ehemaligen Spitzenkan­didaten.

Insgesamt läuft es zurzeit nicht rund an der Spitze der CSV. Fraktionsc­hefin Hansen und Parteipräs­ident Engel kommen sich immer wieder in die Quere. Beispiel CETA. Frank Engel war sich im Vorfeld mit den Mehrheitsp­arteien einig geworden, die Debatte zwar während des Ausnahmezu­stands zu führen, das Votum aber auf ein Datum nach dem 24. Juni zu vertagen. Im Plenum wurde der Kompromiss des Vorsitzend­en aber schnell Makulatur. Einmal mehr verließ die Fraktion mit Getöse den Plenarsaal.

Man kann sich daher zu Recht die Frage stellen, wer denn nun bei den Christsozi­alen das Sagen hat. Parteipräs­ident Engel, Fraktionsc­hefin Hansen, oder steht der ehemalige starke Mann Claude Wiseler angesichts der Führungssc­hwäche vor einem Comeback?

Die Kritik der Opposition ging weit über die beiden Covidgeset­ze hinaus.

 ?? Foto: Guy Wolff ?? Claude Wiseler (CSV) trieb die Regierung am Montag während der Debatte zu den Covid-gesetzen mit seiner geschliffe­nen Rede in die Enge.
Foto: Guy Wolff Claude Wiseler (CSV) trieb die Regierung am Montag während der Debatte zu den Covid-gesetzen mit seiner geschliffe­nen Rede in die Enge.

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