Zurück zur Normalität
Die Opposition meldet sich lautstark zurück – eine Analyse
Wenn das Parlament an einem Samstag und anschließend sogar am Vortag des Nationalfeiertags zusammenkommt, dann liegt etwas in der Luft. Der ungewöhnliche Zeitplan war der proppenvollen Agenda geschuldet: Nicht weniger als 27 Gesetze wurden in den vergangenen Tagen durchgeboxt, allesamt Texte, mit denen Reglements mit Vorschriften oder Beihilfen über das Ende des Etat de crise fortgeschrieben wurden.
Während die meisten Texte ohne viel Aufhebens durchgewunken wurden, sorgten die beiden so genannten Covid-gesetze mit den Abstands- und Hygienevorschriften am Montag für Aufregung im Plenum. Sechs Stunden lang wurde über die beiden Texte debattiert, zum Teil sehr kontrovers.
Nachdem sie drei lange Monate wegen des Ausnahmezustands der Regierung das Terrain überlassen musste, witterte die Opposition Morgenluft. Unausgegoren, inkohärent und unpräzise, so der Tenor von CSV, ADR, Déi Lénk und der Piraten. Dabei ging es weniger um die Regeln an sich als vielmehr um die Art und Weise, wie die Texte zustande kamen. Moniert wurde vor allem die Hektik, mit der sie zur Abstimmung gebracht wurden. Das Parlament habe seiner Kontrollfunktion nur ungenügend nachkommen können, und das gerade bei Texten, die die Grundrechte der Bürger in nicht unerheblichem Maß beschneiden, so der Vorwurf.
Zwei Gesetze in 25 Tagen
Ganz unbegründet ist die Kritik der Opposition nicht. Ganze 25 Tage lagen zwischen der Präsentation und dem Votum der beiden Texte. Das ist rekordverdächtig. Und dennoch muss man die Argumentation der Regierung zumindest teilweise gelten lassen. Solange man nicht wusste, welche Regeln nach dem Ende des Etat de crise
Bestand haben würden, gestaltete sich die Arbeit an den Texten schwierig.
Die Oppositionsparteien monierten auch, dass sie von der Regierung lediglich informiert wurden, dass sie aber nicht in die Ausarbeitung der Texte eingebunden worden waren. Ja, das stimmt, doch die Opposition hat sich auch nicht aus eigenem Antrieb eingebracht. Nichts hätte verhindert, dass die Fraktionen eigene Vorschläge ausgearbeitet hätten. Die Regierung hätte sich wahrscheinlich sogar über die Vorarbeit gefreut.
Auffallend war auch, dass die Kritik der Opposition in den ersten Tagen noch recht verhalten ausfiel. Nach der ersten gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Gesundheit und Justiz am 3. Juni wurde zwar vor den tiefgreifenden Einschnitten in die persönlichen Freiheiten gewarnt, es gab aber auch Lob für Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP), weil sie sich kooperativ zeigte und sich auf die meisten Änderungswünsche der Abgeordneten einließ. Doch je mehr Gutachten eingingen, desto vehementer wurde die Kritik. Bis es eben am Montag im Plenum zur Ministerschelte kam.
Die Kritik der Opposition ging weit über die beiden Covid-gesetze hinaus. Die zurecht kontrovers geführte Debatte war für die Opposition das ideale Sprungbrett, um sich nach drei Monaten, in der einzig und allein die Exekutive am Drücker war und somit auch die Oberhoheit über die Kommunikation
hatte, endlich wieder ins Spiel zu bringen.
Sachlich, aber hart in der Sache
Besonders deutlich wurde dies an der Rede von Claude Wiseler (CSV). Mit der ihm eigenen Sachlichkeit nutzte er seine Redezeit für eine generelle Abrechnung mit der Regierungsarbeit während des Ausnahmezustands. Die Kritik kam an, auch deshalb, weil seine Rede gut strukturiert und rhetorisch stark war.
Es war genau die Rede, die eigentlich die Csv-fraktionsvorsitzende Martine Hansen hätte halten müssen, wenn sie ihrer Rolle als Oppositionsführerin gerecht werden will. Doch anstatt sich in Position zu bringen, um nach dem Ende des Etat de crise die Regierung wieder in ihre Schranken zu weisen, überließ sie ihrem Vorgänger an der Spitze der Fraktion den Vortritt und begnügte sich mit einer Statistenrolle. Dabei hatte Wiseler bis dahin kaum in die Covid-debatte eingegriffen. Und auch in den Monaten seit der verlorenen Wahl im Oktober 2018 war es eher ruhig um den ehemaligen Spitzenkandidaten.
Insgesamt läuft es zurzeit nicht rund an der Spitze der CSV. Fraktionschefin Hansen und Parteipräsident Engel kommen sich immer wieder in die Quere. Beispiel CETA. Frank Engel war sich im Vorfeld mit den Mehrheitsparteien einig geworden, die Debatte zwar während des Ausnahmezustands zu führen, das Votum aber auf ein Datum nach dem 24. Juni zu vertagen. Im Plenum wurde der Kompromiss des Vorsitzenden aber schnell Makulatur. Einmal mehr verließ die Fraktion mit Getöse den Plenarsaal.
Man kann sich daher zu Recht die Frage stellen, wer denn nun bei den Christsozialen das Sagen hat. Parteipräsident Engel, Fraktionschefin Hansen, oder steht der ehemalige starke Mann Claude Wiseler angesichts der Führungsschwäche vor einem Comeback?
Die Kritik der Opposition ging weit über die beiden Covidgesetze hinaus.