Der Tod als einziger Zweck
Doppelmord in Bereldingen: Freunde berichten von möglichen Vergiftungsversuchen
Luxemburg. Es ist der Sohn von Olivier K. aus erster Ehe, der es anspricht: Kurz vor seinem Tod scherzt das spätere Mordopfer bei einem Familienessen darüber, dass sein Schwager ihn wohl vergiften wollte. Die Antwort auf die Frage, ob es nun tatsächlich nur ein Scherz über das damals Undenkbare ist oder, ob er tatsächlich einen Verdacht hegt, nimmt der 31Jährige allerdings mit ins Grab.
Olivier K. stirbt am 25. September 2016, gemeinsam mit seiner 30jährigen Frau Pascale in einer Dachgeschosswohnung in Bereldingen an einer Zyankali-vergiftung – zugefügt vom eigenen Schwager, der sich seit Dienstag vergangener Woche nun vor der hauptstädtischen Kriminalkammer wegen des mutmaßlichen Doppelmords verantworten muss.
Die Aussage des kleinen Jungen steht in Zusammenhang mit einem Besuch des Angeklagten am ersten Septemberwochenende 2016 bei Schwester und Schwager in Roeser. Dabei hat Gilles L. den Ermittlungen zufolge wohl einen selbst gemachten Wassermelonensaft dabei, der bei denen, die davon getrunken haben, zu Übelkeit und Schlaflosigkeit führt.
Verdacht unter Freunden
Es ist nicht der einzige Verdacht, den mutmaßliche Vergiftungsopfer äußern. Auch drei enge Freunde geben später gegenüber den Ermittlern an, dass ihnen im Beisein von Gilles L. im Sommer und Frühherbst 2016 plötzlich und auf unerklärliche Weise schlecht wird. Die Symptome, die sie beschreiben, sind sehr ähnlich: plötzliche Schwindelanfälle, als ob ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen werde und ein Kribbeln in den Fingerspitzen.
Das wirft auch bei den Ermittlern Fragen auf: Ist es Einbildung im Nachhinein? Ist es eine Folge von Drogen und Alkoholkonsum? Denn, dass Ecstasy und Kokain gebraucht wurden, ist nicht bestritten. Oder hat Gilles L. tatsächlich Giftstoffe an Menschen in seinem Umfeld ausprobiert?
Einen Nachweis und somit eine Antwort auf alle diese Fragen gibt es nicht – obwohl von allen drei Verdachtsfällen Haarproben genommen werden. Zyankali und Botulinumtoxin sind im Haar schwer nachweisbar, und der Untersuchungsrichter will die Zeugen nicht auf andere Substanzen wie etwa Drogen testen lassen.
Der Ermittler der Inspection générale de la police (IGP) nutzt gestern seine letzte Anhörung noch einmal dafür, alle Zeugenaussagen, die teils widersprüchlichen
Angaben von Gilles L. beim Untersuchungsrichter und die wichtigsten Erkenntnisse aus den Ermittlungen zusammenzufassen.
Schrotflinte statt Präzisionsgewehr
Nie geklärt wird wohl werden, warum der Angeklagte von den inzwischen in Deutschland inhaftierten, aber beharrlich schweigenden Darknet-verkäufern Zyankali anstatt des bestellten Botulinumtoxins erhält und welchen Reinheitsgrad Letzteres hatte. Der Ermittler vergleicht die Stoffe mit einer abgesägten Schrotflinte anstatt eines bestellten Präzisionsgewehrs mit Schalldämpfer.
Klar ist hingegen der Zweck, den diese Mittel erfüllen sollen, betont die vorsitzende Richterin. Sie braucht ihn gar nicht auszusprechen: Der Zweck ist der Tod.
„Wir haben in diesem Fall wirklich jeden Stein umgedreht“, betont der Ermittler abschließend. Was bleibe, sei ein roter Faden – den er seit Beginn seiner Ausführungen immer wieder anspricht. Und dieser führt zum Tod von mindestens zwei Menschen und zum Angeklagten als Täter.
Der Prozess wird heute unter anderem mit der Anhörung eines der engsten Freunde des Angeklagten fortgesetzt – einem Expolizist, dem Gilles L. zwei Tage nach dem Tod von Schwester und Schwager deren Wohnung in Roeser zum Verkauf angeboten haben soll. Im Anschluss ergreift dann der Angeklagte selbst das Wort.