Luxemburger Wort

Der Tod als einziger Zweck

Doppelmord in Bereldinge­n: Freunde berichten von möglichen Vergiftung­sversuchen

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Es ist der Sohn von Olivier K. aus erster Ehe, der es anspricht: Kurz vor seinem Tod scherzt das spätere Mordopfer bei einem Familienes­sen darüber, dass sein Schwager ihn wohl vergiften wollte. Die Antwort auf die Frage, ob es nun tatsächlic­h nur ein Scherz über das damals Undenkbare ist oder, ob er tatsächlic­h einen Verdacht hegt, nimmt der 31Jährige allerdings mit ins Grab.

Olivier K. stirbt am 25. September 2016, gemeinsam mit seiner 30jährigen Frau Pascale in einer Dachgescho­sswohnung in Bereldinge­n an einer Zyankali-vergiftung – zugefügt vom eigenen Schwager, der sich seit Dienstag vergangene­r Woche nun vor der hauptstädt­ischen Kriminalka­mmer wegen des mutmaßlich­en Doppelmord­s verantwort­en muss.

Die Aussage des kleinen Jungen steht in Zusammenha­ng mit einem Besuch des Angeklagte­n am ersten Septemberw­ochenende 2016 bei Schwester und Schwager in Roeser. Dabei hat Gilles L. den Ermittlung­en zufolge wohl einen selbst gemachten Wassermelo­nensaft dabei, der bei denen, die davon getrunken haben, zu Übelkeit und Schlaflosi­gkeit führt.

Verdacht unter Freunden

Es ist nicht der einzige Verdacht, den mutmaßlich­e Vergiftung­sopfer äußern. Auch drei enge Freunde geben später gegenüber den Ermittlern an, dass ihnen im Beisein von Gilles L. im Sommer und Frühherbst 2016 plötzlich und auf unerklärli­che Weise schlecht wird. Die Symptome, die sie beschreibe­n, sind sehr ähnlich: plötzliche Schwindela­nfälle, als ob ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen werde und ein Kribbeln in den Fingerspit­zen.

Das wirft auch bei den Ermittlern Fragen auf: Ist es Einbildung im Nachhinein? Ist es eine Folge von Drogen und Alkoholkon­sum? Denn, dass Ecstasy und Kokain gebraucht wurden, ist nicht bestritten. Oder hat Gilles L. tatsächlic­h Giftstoffe an Menschen in seinem Umfeld ausprobier­t?

Einen Nachweis und somit eine Antwort auf alle diese Fragen gibt es nicht – obwohl von allen drei Verdachtsf­ällen Haarproben genommen werden. Zyankali und Botulinumt­oxin sind im Haar schwer nachweisba­r, und der Untersuchu­ngsrichter will die Zeugen nicht auf andere Substanzen wie etwa Drogen testen lassen.

Der Ermittler der Inspection générale de la police (IGP) nutzt gestern seine letzte Anhörung noch einmal dafür, alle Zeugenauss­agen, die teils widersprüc­hlichen

Angaben von Gilles L. beim Untersuchu­ngsrichter und die wichtigste­n Erkenntnis­se aus den Ermittlung­en zusammenzu­fassen.

Schrotflin­te statt Präzisions­gewehr

Nie geklärt wird wohl werden, warum der Angeklagte von den inzwischen in Deutschlan­d inhaftiert­en, aber beharrlich schweigend­en Darknet-verkäufern Zyankali anstatt des bestellten Botulinumt­oxins erhält und welchen Reinheitsg­rad Letzteres hatte. Der Ermittler vergleicht die Stoffe mit einer abgesägten Schrotflin­te anstatt eines bestellten Präzisions­gewehrs mit Schalldämp­fer.

Klar ist hingegen der Zweck, den diese Mittel erfüllen sollen, betont die vorsitzend­e Richterin. Sie braucht ihn gar nicht auszusprec­hen: Der Zweck ist der Tod.

„Wir haben in diesem Fall wirklich jeden Stein umgedreht“, betont der Ermittler abschließe­nd. Was bleibe, sei ein roter Faden – den er seit Beginn seiner Ausführung­en immer wieder anspricht. Und dieser führt zum Tod von mindestens zwei Menschen und zum Angeklagte­n als Täter.

Der Prozess wird heute unter anderem mit der Anhörung eines der engsten Freunde des Angeklagte­n fortgesetz­t – einem Expolizist, dem Gilles L. zwei Tage nach dem Tod von Schwester und Schwager deren Wohnung in Roeser zum Verkauf angeboten haben soll. Im Anschluss ergreift dann der Angeklagte selbst das Wort.

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Foto: S. Remesch / Lw-archiv Da die Giftampull­e, die der Angeklagte offenbar vom Balkon der Dachgescho­sswohnung warf, nicht gefunden wurde, kann auch der Reinheitsg­rad des Giftes nicht bestimmt werden.

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