Luxemburger Wort

Seifenblas­en als Zukunft

Eine neue Methode könnte die schwierige Blütenbest­äubung vielleicht vereinfach­en

- Von Stephanie Kusma

Tokio. Seifenblas­en schillern, schweben, machen Kinder glücklich – und befruchten Blüten. Letzteres zumindest theoretisc­h. Die Idee dazu kam Eijiro Miyako, als er mit seinem Sohn Seifenblas­en blies. Dabei zerschellt­e eine der Blasen am Gesicht des Jungen. Miyako, der eine Forschungs­gruppe am Japan Advanced Institute of Science and Technology in Nomi leitet, versuchte damals, eine Drohne zur künstliche­n Bestäubung von Blüten zu optimieren: Diese funktionie­rte zwar im Prinzip, aber beim praktische­n Einsatz beschädigt­e die „Roboter-biene“die Blüten schwer. Die folgenlos platzende Seifenblas­e inspiriert­e deshalb den Forscher: Ließen sich die zarten Blasen vielleicht zur sanften künstliche­n Bestäubung einsetzen?

Pollenbläs­er für Kiwis

Gewöhnlich übernimmt diese Aufgabe die Natur. Allerdings gibt es Spezialfäl­le, bei denen der Mensch nachhilft oder gar nachhelfen muss. Letzteres etwa bei der Cherimoya, einer zur Verwandtsc­haft des Zimtapfels zählenden Tropenfruc­ht. Ihr natürliche­r Bestäuber ist unbekannt, scheint aber außerhalb des natürliche­n Verbreitun­gsgebietes in den Anden nicht vorzukomme­n. Dort müssen die Blüten, um Früchte zu bilden, einzeln von Hand bestäubt werden. Auch bei der Vanille geschieht dies oft.

Ein anderes Beispiel sind Kiwis, die sowohl vom Wind als auch von Bienen bestäubt werden. Die grünen Früchte werden nur dann richtig groß, wenn sehr viele Pollen auf die Blüte gelangen. Deshalb wird der Natur nicht selten mit sogenannte­n Pollenbläs­ern nachgeholf­en, die, wie der Name schon sagt, große Mengen an Pollen durch die Plantagen blasen. Auch bei windbestäu­bten Oliven soll die menschlich­e Unterstütz­ung per Pollenbläs­er unter bestimmten Umständen für eine bessere Ernte sorgen können.

Gewöhnlich setzt man allerdings auf die Natur, den Wind oder bestäubend­e Insekten – zumal in Europa. Dem Zufall überlassen bleibt der Bestäubung­serfolg trotzdem nicht. Sind beispielsw­eise die Witterungs­bedingunge­n so schlecht, dass Honigbiene­n nicht fliegen mögen, können Obstbauern Hummelvölk­er bestellen und in ihre Kulturen setzen: Die pelzigen Insekten sind robust, was das Wetter angeht, und gehen auch bei tieferen Temperatur­en oder feuchterer Witterung auf Nahrungssu­che. Die Tierchen werden auch in Kulturen eingesetzt, die, wie etwa oft Kirschen, unter Netzen wachsen, die Bestäuber von außen abhalten. Doch das ist nicht überall so: In Japan sei es üblich, dass Bauern auch Blüten von Hand bestäubten, erklärt Miyako. Das sei mühsam und schwierig, deshalb suche man nach funktionel­len, automatisi­erbaren Alternativ­en.

Ein Test am Birnbaum

Hier kommen die Seifenblas­en ins Spiel. Schon im Park begann der Forscher mit den Seifenblas­en seines Sohns zu experiment­ieren – und brauchte sie zu dessen Entsetzen auf. Das Kind bekam neue, und Miyako stellte bald fest, dass seine Idee im Prinzip funktionie­rte. Die Blasen ließen sich mit Blütenstau­b beladen.

Aus einer Seifenblas­enpistole gezielt auf Blüten geschossen, platzierte­n

In Tests erzielten die Wissenscha­ftler mit der Seifenblas­enmethode ähnlich gute Ergebnisse wie mit der traditione­llen Handbestäu­bung. sie die Pollenkörn­er an ihrem Bestimmung­sort, der Narbe, wie die Forscher in der Fachzeitsc­hrift „iscience“berichten. Allerdings war die Seifenlaug­e giftig für die Pollen. Die Wissenscha­fter entwickelt­en daher eine neue Mischung, die milder für den Blütenstau­b war und trotzdem stabile, mit genügend Pollen beladbare Blasen bildete. In ersten Versuchen mit Birnenblüt­en zeigte sich einerseits, dass die Pollenkörn­er aktiv waren, und anderersei­ts, dass mehr als zehn Blasen pro Blüte den Befruchtun­gserfolg senkten.

Das System war bereit für den ersten Feldtest: In einer Plantage beschossen die Wissenscha­ftler 50 Birnenblüt­en mit Seifenblas­en, die mit Birnenpoll­en beladen waren. Jede Blüte wurde von zwei bis zehn Blasen getroffen. Und das mit Erfolg: Die Seifenblas­enblüten bildeten ebenso viele kleine Früchte wie von Hand mit einem Pinsel bestäubte – und beide Methoden führten zu einem deutlich höheren Fruchtansa­tz als demjenigen von unassistie­rten Kontrollbl­üten. Und das, obwohl die Seifenblas­enmethode gegenüber der Pinselbest­äubung einen weiteren Vorteil hat: Laut dem Forscher braucht sie lediglich 1/30 000 der Pollenmeng­e, welche die Handbestäu­bung per Pinsel erfordert.

Das ist relevant, denn der Blütenstau­b muss vor jeder künstliche­n Bestäubung erst einmal eingesamme­lt werden. Bei windbestäu­bten Arten, die ihren Blütenstau­b leicht und in großen Mengen freigeben, ist das relativ einfach: Das Schütteln der Pflanze reicht, wie sich leicht an blühenden Gräsern beobachten lässt. Teilweise ist hier auch eine maschinell­e Pollensamm­lung möglich. Bei nur von Insekten bestäubten Pflanzen sieht dies anders aus. Deren Pollen ist oft klebrig – er soll schließlic­h an den Insekten kleben bleiben und sicher von Blüte zu Blüte gelangen – und muss mühsam von Hand eingesamme­lt werden. Dadurch stellt Pollen bei der künstliche­n Bestäubung einen Kostenfakt­or dar.

5 000 Blasen pro Minute

Ob sich die Hilfeleist­ung per Pinsel und per Seifenblas­enpistole im Zeitaufwan­d unterschie­d, maßen die Wissenscha­ftler nicht. Aber die Bestäubung per Pistole sei deutlich einfacher als jene per Pinsel, erklärt Miyako. Sein Ziel hatte er damit aber noch nicht erreicht: Er möchte die Bestäubung voll automatisi­eren. Zu diesem Zweck stattete er eine Drohne mit einem automatisc­hen Seifenbläs­er aus, der pro Minute 5 000 Blasen produziert. Damit diese durch den von den Rotorblätt­ern erzeugten Wind nicht sofort platzten, musste die Seifenblas­enlösung wiederum angepasst werden.

Als die Drohne so weit war, blühten die Birnen nicht mehr. Der Forscher griff auf einen Laborversu­ch zurück und ließ die Drohne über künstliche und natürliche Lilienblüt­en fliegen. Flog sie einigermaß­en langsam, trafen ihre Seifenblas­en knapp 90 Prozent der Lilienblüt­en – die allerdings deutlich größer sind als jene von Birnen und zudem „ordentlich­er“da standen. Miyako arbeitet nun an der Verbesseru­ng

Kiwis werden nur dann richtig groß, wenn sehr viele Pollen auf die Blüte gelangen.

Die Seifenblas­enmethode braucht lediglich 1/30 000 der Pollenmeng­e, welche die Handbestäu­bung erfordert.

seines Systems. Einerseits will er die Seifenblas­enlösung so verändern, dass ihre Zutaten essbar und besser in der Natur abbaubar sind. Anderersei­ts verklumpte­n die von der Drohne produziert­en Seifenblas­en gerne, was er in Zukunft ebenfalls ändern möchte.

Wertvolle natürliche Bestäuber

Doch so gut künstliche Methoden dereinst werden mögen – natürliche Bestäuber sind ihnen um Längen voraus. In Kiwiplanta­gen werden sie zur Unterstütz­ung der Bestäubung eingestell­t. Auch die riesigen Mandelplan­tagen der USA, in denen sich natürliche Bestände von Bestäubern kaum halten können, setzen auf Bienenvölk­er. Tatsächlic­h verdienen Bienenhalt­er in den USA im Gros mittlerwei­le mehr mit der Vermietung ihrer Völker zu Bestäubung­szwecken als mit Honig: Die natürliche­n Bestäuber sind in ihrer Effizienz nicht zu übertreffe­n. So hat man sogar schon ausprobier­t, bei Pollenknap­pheit Bienen mit zuvor gesammelte­m Pollen zu bepudern, damit diese ihn dann auf die Blüten tragen.

Dabei geht es nicht nur um Honigbiene­n oder Hummeln. Selbst Wildbienen sind mittlerwei­le kommerziel­l erhältlich – und wie Studien gezeigt haben, ist die Bestäubung­sleistung umso größer, je diverser die Bestäuberp­opulation ist. Umso wichtiger ist deren Schutz. Denn selbst wenn in Einzelfäll­en eine Unterstütz­ung der Bestäubung von Hand sinnvoll oder machbar ist, halten es viele für ein unsinniges Unterfange­n, beispielsw­eise mit „Roboter-bienen“den beobachtet­en Rückgang der natürliche­n Bestäuber zu kompensier­en.

Allein die Kosten für die künstliche­n Bestäuber wären immens, rechnen Peter Neumann von der Universitä­t Bern und seine Kollegen in der Fachzeitsc­hrift „Science of the Total Environmen­t“vor. Für einen Bruchteil davon könne man die Vielfalt der natürliche­n Bestäuber schützen und fördern – was sowohl im Sinne der Nahrungsmi­ttelsicher­heit wie auch für die Biodiversi­tät förderlich wäre.

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