Seifenblasen als Zukunft
Eine neue Methode könnte die schwierige Blütenbestäubung vielleicht vereinfachen
Tokio. Seifenblasen schillern, schweben, machen Kinder glücklich – und befruchten Blüten. Letzteres zumindest theoretisch. Die Idee dazu kam Eijiro Miyako, als er mit seinem Sohn Seifenblasen blies. Dabei zerschellte eine der Blasen am Gesicht des Jungen. Miyako, der eine Forschungsgruppe am Japan Advanced Institute of Science and Technology in Nomi leitet, versuchte damals, eine Drohne zur künstlichen Bestäubung von Blüten zu optimieren: Diese funktionierte zwar im Prinzip, aber beim praktischen Einsatz beschädigte die „Roboter-biene“die Blüten schwer. Die folgenlos platzende Seifenblase inspirierte deshalb den Forscher: Ließen sich die zarten Blasen vielleicht zur sanften künstlichen Bestäubung einsetzen?
Pollenbläser für Kiwis
Gewöhnlich übernimmt diese Aufgabe die Natur. Allerdings gibt es Spezialfälle, bei denen der Mensch nachhilft oder gar nachhelfen muss. Letzteres etwa bei der Cherimoya, einer zur Verwandtschaft des Zimtapfels zählenden Tropenfrucht. Ihr natürlicher Bestäuber ist unbekannt, scheint aber außerhalb des natürlichen Verbreitungsgebietes in den Anden nicht vorzukommen. Dort müssen die Blüten, um Früchte zu bilden, einzeln von Hand bestäubt werden. Auch bei der Vanille geschieht dies oft.
Ein anderes Beispiel sind Kiwis, die sowohl vom Wind als auch von Bienen bestäubt werden. Die grünen Früchte werden nur dann richtig groß, wenn sehr viele Pollen auf die Blüte gelangen. Deshalb wird der Natur nicht selten mit sogenannten Pollenbläsern nachgeholfen, die, wie der Name schon sagt, große Mengen an Pollen durch die Plantagen blasen. Auch bei windbestäubten Oliven soll die menschliche Unterstützung per Pollenbläser unter bestimmten Umständen für eine bessere Ernte sorgen können.
Gewöhnlich setzt man allerdings auf die Natur, den Wind oder bestäubende Insekten – zumal in Europa. Dem Zufall überlassen bleibt der Bestäubungserfolg trotzdem nicht. Sind beispielsweise die Witterungsbedingungen so schlecht, dass Honigbienen nicht fliegen mögen, können Obstbauern Hummelvölker bestellen und in ihre Kulturen setzen: Die pelzigen Insekten sind robust, was das Wetter angeht, und gehen auch bei tieferen Temperaturen oder feuchterer Witterung auf Nahrungssuche. Die Tierchen werden auch in Kulturen eingesetzt, die, wie etwa oft Kirschen, unter Netzen wachsen, die Bestäuber von außen abhalten. Doch das ist nicht überall so: In Japan sei es üblich, dass Bauern auch Blüten von Hand bestäubten, erklärt Miyako. Das sei mühsam und schwierig, deshalb suche man nach funktionellen, automatisierbaren Alternativen.
Ein Test am Birnbaum
Hier kommen die Seifenblasen ins Spiel. Schon im Park begann der Forscher mit den Seifenblasen seines Sohns zu experimentieren – und brauchte sie zu dessen Entsetzen auf. Das Kind bekam neue, und Miyako stellte bald fest, dass seine Idee im Prinzip funktionierte. Die Blasen ließen sich mit Blütenstaub beladen.
Aus einer Seifenblasenpistole gezielt auf Blüten geschossen, platzierten
In Tests erzielten die Wissenschaftler mit der Seifenblasenmethode ähnlich gute Ergebnisse wie mit der traditionellen Handbestäubung. sie die Pollenkörner an ihrem Bestimmungsort, der Narbe, wie die Forscher in der Fachzeitschrift „iscience“berichten. Allerdings war die Seifenlauge giftig für die Pollen. Die Wissenschafter entwickelten daher eine neue Mischung, die milder für den Blütenstaub war und trotzdem stabile, mit genügend Pollen beladbare Blasen bildete. In ersten Versuchen mit Birnenblüten zeigte sich einerseits, dass die Pollenkörner aktiv waren, und andererseits, dass mehr als zehn Blasen pro Blüte den Befruchtungserfolg senkten.
Das System war bereit für den ersten Feldtest: In einer Plantage beschossen die Wissenschaftler 50 Birnenblüten mit Seifenblasen, die mit Birnenpollen beladen waren. Jede Blüte wurde von zwei bis zehn Blasen getroffen. Und das mit Erfolg: Die Seifenblasenblüten bildeten ebenso viele kleine Früchte wie von Hand mit einem Pinsel bestäubte – und beide Methoden führten zu einem deutlich höheren Fruchtansatz als demjenigen von unassistierten Kontrollblüten. Und das, obwohl die Seifenblasenmethode gegenüber der Pinselbestäubung einen weiteren Vorteil hat: Laut dem Forscher braucht sie lediglich 1/30 000 der Pollenmenge, welche die Handbestäubung per Pinsel erfordert.
Das ist relevant, denn der Blütenstaub muss vor jeder künstlichen Bestäubung erst einmal eingesammelt werden. Bei windbestäubten Arten, die ihren Blütenstaub leicht und in großen Mengen freigeben, ist das relativ einfach: Das Schütteln der Pflanze reicht, wie sich leicht an blühenden Gräsern beobachten lässt. Teilweise ist hier auch eine maschinelle Pollensammlung möglich. Bei nur von Insekten bestäubten Pflanzen sieht dies anders aus. Deren Pollen ist oft klebrig – er soll schließlich an den Insekten kleben bleiben und sicher von Blüte zu Blüte gelangen – und muss mühsam von Hand eingesammelt werden. Dadurch stellt Pollen bei der künstlichen Bestäubung einen Kostenfaktor dar.
5 000 Blasen pro Minute
Ob sich die Hilfeleistung per Pinsel und per Seifenblasenpistole im Zeitaufwand unterschied, maßen die Wissenschaftler nicht. Aber die Bestäubung per Pistole sei deutlich einfacher als jene per Pinsel, erklärt Miyako. Sein Ziel hatte er damit aber noch nicht erreicht: Er möchte die Bestäubung voll automatisieren. Zu diesem Zweck stattete er eine Drohne mit einem automatischen Seifenbläser aus, der pro Minute 5 000 Blasen produziert. Damit diese durch den von den Rotorblättern erzeugten Wind nicht sofort platzten, musste die Seifenblasenlösung wiederum angepasst werden.
Als die Drohne so weit war, blühten die Birnen nicht mehr. Der Forscher griff auf einen Laborversuch zurück und ließ die Drohne über künstliche und natürliche Lilienblüten fliegen. Flog sie einigermaßen langsam, trafen ihre Seifenblasen knapp 90 Prozent der Lilienblüten – die allerdings deutlich größer sind als jene von Birnen und zudem „ordentlicher“da standen. Miyako arbeitet nun an der Verbesserung
Kiwis werden nur dann richtig groß, wenn sehr viele Pollen auf die Blüte gelangen.
Die Seifenblasenmethode braucht lediglich 1/30 000 der Pollenmenge, welche die Handbestäubung erfordert.
seines Systems. Einerseits will er die Seifenblasenlösung so verändern, dass ihre Zutaten essbar und besser in der Natur abbaubar sind. Andererseits verklumpten die von der Drohne produzierten Seifenblasen gerne, was er in Zukunft ebenfalls ändern möchte.
Wertvolle natürliche Bestäuber
Doch so gut künstliche Methoden dereinst werden mögen – natürliche Bestäuber sind ihnen um Längen voraus. In Kiwiplantagen werden sie zur Unterstützung der Bestäubung eingestellt. Auch die riesigen Mandelplantagen der USA, in denen sich natürliche Bestände von Bestäubern kaum halten können, setzen auf Bienenvölker. Tatsächlich verdienen Bienenhalter in den USA im Gros mittlerweile mehr mit der Vermietung ihrer Völker zu Bestäubungszwecken als mit Honig: Die natürlichen Bestäuber sind in ihrer Effizienz nicht zu übertreffen. So hat man sogar schon ausprobiert, bei Pollenknappheit Bienen mit zuvor gesammeltem Pollen zu bepudern, damit diese ihn dann auf die Blüten tragen.
Dabei geht es nicht nur um Honigbienen oder Hummeln. Selbst Wildbienen sind mittlerweile kommerziell erhältlich – und wie Studien gezeigt haben, ist die Bestäubungsleistung umso größer, je diverser die Bestäuberpopulation ist. Umso wichtiger ist deren Schutz. Denn selbst wenn in Einzelfällen eine Unterstützung der Bestäubung von Hand sinnvoll oder machbar ist, halten es viele für ein unsinniges Unterfangen, beispielsweise mit „Roboter-bienen“den beobachteten Rückgang der natürlichen Bestäuber zu kompensieren.
Allein die Kosten für die künstlichen Bestäuber wären immens, rechnen Peter Neumann von der Universität Bern und seine Kollegen in der Fachzeitschrift „Science of the Total Environment“vor. Für einen Bruchteil davon könne man die Vielfalt der natürlichen Bestäuber schützen und fördern – was sowohl im Sinne der Nahrungsmittelsicherheit wie auch für die Biodiversität förderlich wäre.