Gramegna will es wissen
Luxemburgs Finanzminister kandidiert für den Vorsitz der Eurogruppe
Das Rennen um die Präsidentschaft der Eurogruppe ist offiziell eröffnet. Nachdem die spanische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño ihre Kandidatur für die Nachfolge von Mario Centeno an der Spitze des Gremiums der Euro-finanzminister am Donnerstagmorgen öffentlich gemacht hatte, bestätigte auch Pierre Gramegna (DP) seine Kandidatur gestern via Twitter. „Ich bin bereit, mich als Kandidat für die Präsidentschaft der Eurogruppe zu bewerben“, so Luxemburgs Finanzminister. Der irische Finanzminister Paschal Donohoe warf seinen Hut ebenfalls gestern offiziell in den Ring.
Dass Gramegna am Posten interessiert ist, ist schon länger bekannt. Seine offizielle Kandidatur ist allerdings auch ein Zeichen dafür, dass er mit genügend Unterstützung unter seinen Amtskollegen rechnet, um bei der Wahl am 9. Juli als Chef des Gremiums gekürt zu werden.
Nadia Calviño gilt dabei aber als Favoritin, denn für die Spanierin spricht so einiges: Sie gilt als gemäßigte Stimme der linken Regierung in Madrid. Die parteilose Technokratin gilt außerdem als ausgezeichnete Eu-kennerin – die Ökonomin und Juristin leitete von 2014 bis 2018 die Generaldirektion für Haushaltsplanung in der Europäischen Kommission. Nach Jeanclaude Juncker, Jeroen Dijsselbloem und Mario Centeno könnte sie auch noch die erste Frau an der Spitze der Eurogruppe werden.
Gramegnas Chancen stehen gut
Und da der Finne Tuomas Saarenheimo die „Euro Work Group“derzeit leitet, das mächtige und etwas unbekannte Vorbereitungsgremium für die Arbeiten der Eurogruppe, scheint der Weg für eine Südeuropäerin an der Spitze der Eurogruppe frei zu sein – unter Centeno leitete ein Niederländer die Arbeiten der „Euro Working Group“und in Brüssel wird die geografische Balance bei derartigen Besetzungen sehr geschätzt.
Doch gibt es auch gute Argumente für Pierre Gramegna. Der Luxemburger gehört zu den dienstältesten Finanzministern des Euroraums. „Ich werde meine sechsjährige Erfahrung und all meine Energie und Diplomatie nutzen“, so der Luxemburger gestern. Obendrein pflegt der Dp-politiker in Brüssel sein Image als Vermittler: Er ist kein Vertreter einer harten Linie, was die Haushaltsdisziplin angeht, sondern zeigte sich stets solidaritätsbereit mit Europas Süden.
Der Mann für Kompromisse
Gleichzeitig stammt er aus einem Land, das immer zu den guten Schülern gehört, zumindest was Haushaltsfragen angeht. Er könnte sich dadurch als Kandidat der sparsamen Nordeuropäer profilieren. Denn Madrid war in den vergangenen Monaten an vorderster Front im Kampf für mehr Vergemeinschaftung in Eu-geldfragen – und auch Calviño gab sich dabei stets offensiv, was so manche Hauptstadt nördlich der Alpen abschrecken könnte.
In seinem Bewerbungsschreiben unterstreicht Gramegna auch explizit, dass er ein guter Kompromisskandidat ist: „Diejenigen, die meine Beiträge in den letzten Jahren genau verfolgt haben, wissen sehr gut, dass ich allen aufmerksam zuhöre und stets versuche, den Mittelweg zu identifizieren, der uns gemeinsam ist.“
Eine Eigenschaft, die der Luxemburger im selben Brief auch im Eurogruppen-fachjargon wiederholt: „Ich werde mich bemühen, das richtige Gleichgewicht zwischen verantwortungsbewusster Finanzpolitik und der anhaltenden Notwendigkeit einer makroökonomischen Stabilisierung zu finden.“Oder noch deutlicher: „Als Präsident der Eurogruppe möchte ich daher einen Konsens anstreben und versuchen, Brücken zwischen dem Norden und dem Süden, dem
Osten und dem Westen zu schlagen und kleine und große Mitgliedstaaten gleichermaßen fair zu behandeln.“
Zweiter Versuch
Pierre Gramegna hat auch bereits Erfahrung mit Wahlkampagnen unter den Euro-finanzministern. 2017 hatte er erfolglos versucht, Präsident der Eurogruppe zu werden. Drei Elemente wurden ihm damals zum Verhängnis: Zum einen gab es mit Juncker bereits einen Präsidenten aus Luxemburg in der Brüsseler Machtmaschinerie. Zweitens stand das Großherzogtum damals kurz vor Wahlen, bei denen ungewiss war, ob der Dp-politiker danach noch in Regierungsverantwortung sein würde. Und Gramegnas liberale europäische Parteienfamilie fehlte die Macht und die Konsequenz, sich durchzusetzen – die rechtsliberale Regierung in Den Haag hatte Gramegna damals ihre Unterstützung verweigert, um einen Niederländer an der Spitze der „Euro Working Group“zu platzieren. Ob die Eu-liberalen diesmal geschlossener auftreten, bleibt ungewiss, doch die anderen zwei Probleme hat Gramegna dieses Mal definitiv nicht mehr.
Einfache Mehrheit genügt
Paschal Donohoe kann sich seinerseits auf seine Parteienfamilie verlassen – zumindest in der Regel. Er ist nämlich Mitglied der mächtigen Europäischen Volkspartei (EVP), des Bunds der christdemokratischen Parteien Europas, was bei Brüsseler Personalfragen nie zu unterschätzen ist. Allerdings ist ein anderer Ire – der Eu-handelskommissar Phil Hogan – derzeit im Rennen für einen anderen Top-job im Namen der Europäer: Hogan will die Welthandelsorganisation (WTO) leiten. Das könnte Donohoes Chancen schwächen, da Dublin kaum zwei Kampagnen gleichzeitig führen wird.
Wer beim Treffen der Euro-finanzminister am 9. Juli eine einfache Mehrheit bekommt, wird Präsident. Die Abstimmung ist geheim, was die Wahl besonders unberechenbar machen kann.
Ich werde meine Erfahrung und all meine Energie nutzen.
Pierre Gramegna