„Dürfen stolz darauf sein, Polen zu sein“
Trotz Wahlhilfe des Us-amtskollegen: Präsident Duda muss sich am Sonntag einem Kopf-an-kopf-rennen stellen
Hoch über Washington kreist eine Drohne und sendet Bilder vom Weißen Haus in Miniaturgröße in die polnischen Wohnzimmer. Endlich kommen die beiden Politiker ins Bild, auf die alle gewartet haben: Andrzej Duda, der Präsident Polens, und der Us-amerikanische Präsident Donald Trump. Die Chemie zwischen den beiden scheint zu stimmen. Im Rosengarten nicken sich die beiden Politiker immer wieder anerkennend zu, treten dann ans Mikro. Im Warschauer Fernsehstudio, das in einer Sondersendung das Treffen live ausstrahlt, jubelt der Soziologe Tomasz Zukowski: „Wir dürfen stolz darauf sein, Polen zu sein. Unsere beiden Präsidenten geben die Karten in der Weltpolitik aus.“
In Washington sagt Andrej Duda: „Ich vertrete hier die Interessen Polens und paradiere nicht in Moskau!“. Stunden zuvor wurde in Russland die Weltkriegssiegesparade zum 9. Mai nachgeholt, die wegen des Corona-virus hatte verschoben werden müssen. Der aus dem Homeoffice zugeschaltete Chefredakteur eines regierungsnahen Magazins kann seine Begeisterung über Polens Präsidenten kaum zügeln: „Wir haben es bei Duda mit einem erfahrenen Politiker zu tun, einem Staatsmann. Unseren Aufstieg in die oberste Liga der Weltpolitik verdanken wir ihm.“
Präsident als Helfershelfer
von Jaroslaw Kaczynski
Am Sonntag findet in Polen die Präsidentschaftswahl statt. Duda bewirbt sich um eine zweite Amtszeit. Seine Blitzvisite in den USA verdankt er einer Einladung Trumps, der damit einem guten Rüstungskunden Wahlkampfhilfe leistet. In Warschau hingegen richten sich die Kameras auf ein vierstöckiges Gebäude in der Nowogrodzka-straße 84. Der grobe Betonklotz mit dunkler Holzverkleidung ist Polens Machtzentrale.
Hier holen sich Premier und Minister, viele Abgeordnete und Manager ihre Instruktionen ab. Für diejenigen, die nicht gesehen werden wollen, gibt es einen Hintereingang. Jaroslaw Kaczynski benutzt ihn, der Chef der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PIS). In seinen Händen laufen die Fäden der Macht in Polen zusammen. Seit nunmehr fünf Jahren betreibt der 71-Jährige energisch den Rückbau der polnischen Demokratie.
Einer seiner Helfershelfer ist Andrzej Duda. Er verdankt seinen Aufstieg vom No-name-pis-abgeordneten im Europäischen Parlament zum Staatsoberhaupt Polens allein dem Parteichef. Kaczynski tut alles, um dem 48-Jährigen eine weitere Amtszeit zu sichern. Denn der „Kugelschreiber“, wie der Volksmund Polens Präsidenten gern verspottet, da dieser fast alle Gesetze unterschreibt, sichert auch Kaczynskis Macht.
Dass Dudas Umfragewerte in den letzten beiden Monaten sanken und sein sicher geglaubter Sieg laut neuesten Umfragen zu wanken beginnt, hat mit Corona zu tun. Anfang des Jahres sah die Situation für ihn noch hervorragend aus. Duda war Favorit unter den Kandidaten und hätte die Präsidentenwahl am 10. Mai haushoch gewonnen, doch dann tauchte das Virus auf. Bis zum spektakulären Scheitern der Wahl vom 10. Mai, als „die Wähler keine Möglichkeit hatten, für einen Kandidaten zu stimmen“, wie die Wahlkommission feststellte, besuchte Duda als treu sorgender Landesvater Fabriken und Kohlebergwerke, hörte sich die Sorgen der Bauern und Landfrauen an, versprach neue Wohnungen und Kindergartenplätze.
Zwar rief Malgorzata Kidawablonska von der liberalkonservativen Bürgerkoalition mutig zum Boykott der Wahlen auf, doch keiner der anderen Kandidaten folgte ihr. Beim Neustart der Kampagne für die Wahlen am 28. Juni zog sie ihre Kandidatur zurück und ließ dem allseits beliebten Oberbürgermeister Warschaus den Vortritt. Rafal Trzaskowski oder „der Fighter“, wie ihn die Bürgerkoalition nennt, hatte Glück. Denn die Anti-corona-maßnahmen wurden zurückgefahren, normale Wahlkampfauftritte wurden auch für die Opposition möglich, und Trzaskowski musste nur zusehen, die verlorene Zeit aufzuholen. Anders als den anderen Kandidaten blieb ihm gerade mal ein knapper Monat, um die polnischen Wählerinnen und Wähler zu überzeugen.
Bei der Stichwahl in zwei Wochen
ist alles offen
Der Staatssender TVP ist überall in Polen zu empfangen. Zwar gibt es auch Privatsender mit besserer Berichterstattung, doch nicht jeder kann und will sich das leisten. So sind es insbesondere die Bewohner auf dem Land, die immer nur TVP sehen und vielleicht noch Radio Maria hören. Meist stimmen sie am Ende so ab, wie es ihnen die beiden Sender empfehlen. Trzaskowski will TVP abschaffen.
Die Kommentare in den polnischen Zeitungen sind weniger euphorisch als diejenigen bei TVP. Die meisten Kommentatoren kritisieren die vagen Aussagen Trumps. Eigentlich wisse man nach dem Gespräch Dudas mit Trump nicht viel mehr als vorher. Wie viele der amerikanischen Soldaten von Deutschland nach Polen verlegt würden, ließ Trump offen. Noch gibt es keine neuen Umfragen, aber es sieht so aus, als habe der Usa-besuch Dudas seine Wahlchancen nicht signifikant erhöht. Es bleibt beim Kopf-an-kopfrennen von Duda (43 %) und Trzaskowski (27 %) im ersten Durchgang am nächsten Sonntag. In zwei Wochen bei der Stichwahl ist dann wieder alles möglich.