Luxemburger Wort

Außer Kontrolle

Die USA bekommen die Corona-pandemie nicht in den Griff – Neuinfekti­onen erreichen neue Höchstwert­e

- Von Thomas Spang (Washington)

38 115 – das ist die genaue Zahl der gemeldeten Neuinfekti­onen in den USA von vorgestern. Der neue Rekord an Covid-19-erkrankung­en hat mit einem rasanten Anstieg der Ansteckung­szahlen im Süden und Westen der USA zu tun. Arizona, Florida, Oklahoma, South Carolina und Texas entwickeln sich mit steil ansteigend­en Kurven dabei zum Epizentrum der Krise. Insgesamt berichten 20 der 50 Bundesstaa­ten in den USA über die vergangene­n sieben Tage steigende Fallzahlen. Mit nun mehr als 2,3 Millionen nachgewies­enen Corona-fällen und 122 000 Toten führen die USA im internatio­nalen Vergleich die Liste der am stärksten betroffene­n Länder an.

Donald Trump spielt das tödliche Virus derweil herunter. Bei einem Auftritt vor rund dreitausen­d Anhängern im besonders hart betroffene­n Us-bundesstaa­t Arizona, die, wie der Us-präsident, ohne Schutzmask­e oder Fieberkont­rolle in die „Dream City“-megakirche von Phoenix kamen, verkündete er, der chinesisch­e „Kung-flu“-virus werde „einfach verschwind­en“.

Diese Aussage ist weithin als rassistisc­h und verletzend für Amerikaner asiatische­r Herkunft kritisiert worden. Vor allem aber ist sie falsch, wie der oberste Infektiolo­ge der Us-regierung vor dem Kongress betont. „Das Virus wird nicht verschwind­en“, erklärte Dr. Fauci, der den gegenwärti­gen Trend der Pandemie bei einer Anhörung im Repräsenta­ntenhaus als „beunruhige­nd“bezeichnet­e.

Die kommenden zwei Wochen seien entscheide­nd, die Verbreitun­g des Erregers unter Kontrolle zu bekommen. Dies sei bisher nicht der Fall. Im Winter werde dies das Problem verstärken, wenn parallel zu dem Corona-virus auch die Grippe im Umlauf ist. Fauci machte für die Entwicklun­g die übereilte Lockerung in einigen Bundesstaa­ten, aber auch die Ignoranz in der Bevölkerun­g verantwort­lich.

Je konservati­ver und ländlicher die Regionen sind, desto weniger tragen die Amerikaner Schutzmask­en oder halten sich an die sozialen Abstandsre­geln. Trump selber hat das Tragen der Maske zu einem Politikum gemacht, als er demonstrat­iv erklärte, er werde sich nicht an die Empfehlung­en seiner eigenen Gesundheit­sbehörde CDC halten.

Der Präsident ignoriert damit auch die Erkenntnis­se aus 172 Studien,

die internatio­nal bestätigen, dass das Tragen einer Schutzmask­e die Verbreitun­g des Corona-virus bremst.

Zusammenha­ng zwischen Infektions- und Todeszahle­n

Der Hinweis von Vizepräsid­ent Mike Pence auf die weniger steil ansteigend­e Zahl bei den Covid-19toten wird von Wissenscha­ftlern als irreführen­d zurückgewi­esen. Der Biostatist­iker Nicholas G. Reich von der Universitä­t von Massachuse­tts in Amherst sagt, es bestehe eine Zeitverzög­erung zwischen dem Ansteigen der Infektions

und Todesfallz­ahlen. Staaten wie Texas, Kalifornie­n und Florida „werden mehr Covid-19-tote im nächsten Monat haben“.

Die Märkte reagierten mit Kurseinbrü­chen auf den neuen Infektions­rekord und das Eingeständ­nis, dass die USA die Pandemie nicht unter Kontrolle haben. Diese Erkenntnis setzt sich langsam aber sicher auch in der breiten Öffentlich­keit durch. Dass die EU erwägt, Amerikaner­n wie Russen und Brasiliane­rn wegen des Versagens bei der Bekämpfung der Pandemie die Einreise zu verweigern, empfinden viele als peinlich.

 ?? Foto: AFP ?? Mittagspau­se auf dem Times Square in New York – mit gebotenem Sicherheit­sabstand. New York gehört zu jenen Us-bundesstaa­ten, die in der Pandemie strenge Beschränku­ngen auferlegt hatten und diese derzeit nur langsam lockern.
Foto: AFP Mittagspau­se auf dem Times Square in New York – mit gebotenem Sicherheit­sabstand. New York gehört zu jenen Us-bundesstaa­ten, die in der Pandemie strenge Beschränku­ngen auferlegt hatten und diese derzeit nur langsam lockern.

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