Luxemburger Wort

Neuseeland verspielt seinen guten Corona-ruf

Probleme bei der Quarantäne von eingereist­en Personen zeigen große Defizite der Regierungs­strategie auf

- Von Matthias Stadler (Auckland)

Noch vor wenigen Wochen wurde Neuseeland weltweit gelobt. Das Land hatte einen harten Lockdown hinter sich und eliminiert­e Covid-19. Am 8. Juni gab es keinen aktiven Fall mehr. Premiermin­isterin Jacinda Ardern dankte der Bevölkerun­g für den großen Einsatz und ließ sich selber gerne auf die Schultern klopfen. Sie gefiel sich in der Rolle der Krisenmana­gerin, die ihr Land vom Corona-virus befreit hatte, die Bevölkerun­g stand geschlosse­n hinter ihr und den Maßnahmen der Regierung.

Die Freude über null Infizierte im Land dauerte eine Woche, sämtliche Maßnahmen wurden aufgehoben. Rugbyspiel­e fanden statt, Zehntausen­de Zuschauer füllten die Stadien, Bars hatten plötzlich wieder alle Hände voll zu tun. Einzig die Grenze blieb zu. Nur heimkehren­de Neuseeländ­er und solche mit einer Niederlass­ungsbewill­igung sowie Spezialist­en durften einreisen. Covid-19 schien plötzlich weit weg – ein Problem für den Rest der Welt, nicht für Neuseeland. Am Dienstag vor einer Woche wurde das Land schließlic­h abrupt auf den harten Boden der Realität zurückgeho­lt.

Heimkehren­de schleppen Virus ein Zwei in die Heimat zurückgeke­hrte Neuseeländ­erinnen hatten der Bevölkerun­g in die Suppe gespuckt, indem sie das Virus von Europa wieder nach Neuseeland einschlepp­ten. Ein paar Tage nach ihrer Ankunft reisten sie von Auckland in die über 600 Kilometer entfernte Hauptstadt Wellington. Zuvor hatten sie eine offizielle Ausnahmebe­willigung der Behörden erhalten, um dorthin zu reisen. Einen Covid-test vor Abreise Richtung Hauptstadt hielten die Behörden nicht für nötig. Erst als die beiden Frauen dort ankamen, mussten sie sich testen lassen. Ob sie weitere Personen angesteckt haben, ist noch unklar.

Dazu muss man wissen: Wer momentan nach Neuseeland reisen kann, muss sich direkt nach der Landung in eine vierzehntä­gige Quarantäne begeben. Die Unterkunft wird von den Behörden organisier­t, es handelt sich um Hotels in diversen Städten, in denen nur Eingereist­e untergebra­cht werden, um Ansteckung­en mit der normalen Bevölkerun­g zu vermeiden. Am dritten und zwölften Tag der Quarantäne sollte je ein Covid-test gemacht werden. Momentan landen in Auckland jeden Tag einige hundert Personen, hauptsächl­ich aus dem Ausland zurückgeke­hrte Neuseeländ­er.

So weit, so simpel. Doch gibt es seit Tagen Berichte darüber, wie lasch die Sicherheit­svorkehrun­gen in den Hotels sind. Nach dem erwähnten Fall mit zwei Frauen, die eine offizielle Erlaubnis hatten, die Quarantäne vorzeitig zu beenden und durch das Land zu reisen, erhielten 55 weitere Personen eine solche Bewilligun­g. Sage und schreibe 50 kamen ohne Test davon, obwohl die Regierung bei jeder Möglichkei­t darauf hinweist, dass sämtliche ankommende Personen getestet werden.

Lasche Vorkehrung­en in Hotels

Personen, die in Quarantäne sind, berichtete­n gegenüber Medienvert­retern, wie lasch die Vorkehrung­en in den Hotels teilweise seien. Während in Australien ankommende Personen gleich nach der Landung Masken tragen müssen, ist dies in Neuseeland nicht der Fall. Zudem habe es geführte Spaziergän­ge in Auckland gegeben, bei denen man locker mit der normalen Bevölkerun­g in Kontakt hätte treten können. Die Sicherheit­skräfte

hätte dies kaum interessie­rt. In Australien hingegen kann bestraft werden, wer sich nicht an die Vorgaben hält. Auch „Quarantäne-partys“unter den Hotelgäste­n habe es gegeben.

Es zeichnet sich ein amateurhaf­tes Bild. So wurde eine Gruppe von Personen, die in Auckland gelandet war, mit einem Bus ins über 200 Kilometer entfernte Städtchen Rotorua gefahren, ohne Wasservers­orgung und ohne darüber informiert worden zu sein.

Die Regierung muss sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Einige hundert Personen kommen pro Tag am Flughafen in Auckland an. Eine überschaub­are Zahl. „Diese Idioten können nicht einmal die Grenzen kontrollie­ren“, sagte David Seymour von der Act-partei.

Gesundheit­sdirektor Ashley Bloomfield, übernahm die Verantwort­ung für die verschiede­nen Unzulängli­chkeiten. Die Opposition fordert hingegen den Rücktritt des Gesundheit­sministers.

Hotelgäste sollen „Quarantäne­partys“gefeiert haben.

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