„Ich wollte das nicht“
Angeklagter im Prozess um mutmaßlichen Doppelmord von Bereldingen kommt zu Wort
Luxemburg. Eingeschüchtert, zögerlich und mit ruhiger Stimme sprach der Angeklagte gestern, als er erstmals im Prozess um den mutmaßlichen Giftmord an seiner Schwester und seinem Schwager im September 2016 in Bereldingen zu Wort kam. Er sei schuld, aber er habe das so nicht gewollt, betonte Gilles L. mehrfach.
Was er sich denn erwartet habe, als er den Opfern Gift verabreicht habe, wollte die vorsitzende Richterin gleich zu Beginn wissen. „Dass ihnen nach einem oder zwei Tagen schwindlig wird, dass sie Durchfall haben und sich Erbrechen müssen“, führte Gilles L. aus. Die Idee sei ihm gekommen, weil er im Internet über Lebensmittelvergiftungen recherchiert habe und so erfuhr, dass Botulinumtoxin als Bakterium in verdorbenen Konserven entstehe. Deshalb habe er das Gift dann erwerben wollen – um dem Paar den anstehenden Urlaub zu verderben.
Darauf angesprochen, dass die Auswertung seines Computers ganz andere Recherchen an den Tag gelegt hätte, die deutlich in Richtung Mordabsichten zeigen würden, meinte Gilles L., ja, dieser Schluss sei nachvollziehbar. Es gebe aber eine Erklärung: Er habe einen Großteil seiner Recherchen über den anonymen Tor-browser geführt und diese seien damit nicht mehr nachweisbar. Die Recherchen, welche die Ermittler aufgelistet hätten, stünden vorrangig im Kontext von Fernsehdokumentation über Verbrechen, die er sich angesehen habe. Unter deren Einfluss sei er stets einem regelrechten Recherche-rausch erlegen.
Dass er die Geschehnisse so nicht geplant habe, gestehe sie ihm zu, meinte die Richterin. Und sie glaube ihm auch, dass er tatsächlich nicht gewusst habe, dass er Zyankali anstatt von Botulinumtoxin aus dem Darknet erhielt. Doch daran, dass er dessen tödliche Wirkung so leichtfertig ausgeklammert habe, glaube sie nicht.
In der Verhandlung fällt auf, dass der Angeklagte sich bei seinen Erklärungen um Sachlichkeit bemüht. Das entspricht wohl der emotionalen Kälte, die ihm in den Tagen zuvor mehrfach attestiert wurde. Er untermauert seine Schuld am Tod seiner Schwester und seines Schwagers – ohne jedoch das geringste Anzeichen von Bedauern und Trauer zu zeigen.
Der Schmerz des besten Freundes
Ein menschlicheres Bild des Angeklagten, als jenes, das der bisherige Prozessverlauf vermittelt, zeichnete gestern sein bester Freund im Zeugenstand. Der beschrieb Gilles L. vor dessen Anhörung zwar ebenfalls als etwas distanziert, er betonte aber, dass der Angeklagte in den 18 Jahren ihrer sehr engen Freundschaft auch sensibel habe sein können.
Als er zwei Tage nach den Todesfällen Gilles L. mit einem weiteren Polizisten in einem hauptstädtischen Restaurant traf, habe er sich nur einen einzigen Tathintergrund vorstellen können. „Alles andere als ein Suizid war undenkbar“, betonte er im Zeugenstand. Im Nachhinein komme ihm jedoch vieles komisch vor. So könne er nicht nachvollziehen, dass sein Freund Dinge am Tatort habe verschwinden lassen und, dass dieser keine erste Hilfe geleistet habe. Schließlich sei man Polizisten und entsprechend ausgebildet.
„Aber ich selbst war nie in einer vergleichbaren Situation, deshalb will ich da auch nichts hineininterpretieren“, bekräftigte er. Als Gilles L. ihm damals sagte, man wolle ihn einbuchten, oder, er sei in Schwierigkeiten, habe er nur an den Tatvorwurf der Strafvereitlung im Amt gedacht – wegen des weggeworfenen Fläschchens. „Etwas anderes war für mich einfach nicht vorstellbar“, wiederholte er. Einsicht folgte erst Ende der Woche, als Gilles L. bereits inhaftiert war, und er die Todesursache erfuhr: Zyankali-vergiftung.
„Nicht prahlerisch“
Zudem bemühte sich der langjährige Freund des Angeklagten auch verschiedene im Prozess zitierte Aussagen ins rechte Licht zu rücken. Ja, Gilles L. habe wohl öfters Urlaub gemacht, als er selbst. Aber das eine Mal, als er dabei gewesen sei, habe man stets darauf geachtet, die Kosten gering zu halten. Auf auffallend großem Fuß habe Gilles L. nicht gelebt, auch wenn er sich von seinem Ersparten binnen einem Jahr einen Gebrauchtwagen und ein Motorrad gekauft habe. Auch prahlerisch sei er in seiner Gesellschaft eher nicht gewesen. Seinen Drogenkonsum habe Gilles L. ihm wohl erfolgreich verheimlicht – wofür er ihm heute auch dankbar sei, denn das hätte ihn als Polizist in eine schwierige Lage gebracht, so der Zeuge.
Zwei Dinge seien ihm aber in den Monaten vor der Tat aufgefallen: Dass Gilles L. plötzlich sehr viel mehr Alkohol konsumiert habe und, wie sehr Gilles L. vom Lebenswandel eines befreundeten Profi-radsportlers beeindruckt gewesen sei. Gilles L. war in seiner Jugend selbst ein talentierter Radsportler. „Er hätte sicher gerne das Leben des Anderen geführt, aber wohl eher weniger die Opfer erbracht, die ein Leben als Profisportler mit sich gebracht hätten“, schlussfolgerte der Freund.
Der Prozess wird heute Vormittag mit der weiteren Anhörung des Angeklagten fortgesetzt.