Luxemburger Wort

„Ich wollte das nicht“

Angeklagte­r im Prozess um mutmaßlich­en Doppelmord von Bereldinge­n kommt zu Wort

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Eingeschüc­htert, zögerlich und mit ruhiger Stimme sprach der Angeklagte gestern, als er erstmals im Prozess um den mutmaßlich­en Giftmord an seiner Schwester und seinem Schwager im September 2016 in Bereldinge­n zu Wort kam. Er sei schuld, aber er habe das so nicht gewollt, betonte Gilles L. mehrfach.

Was er sich denn erwartet habe, als er den Opfern Gift verabreich­t habe, wollte die vorsitzend­e Richterin gleich zu Beginn wissen. „Dass ihnen nach einem oder zwei Tagen schwindlig wird, dass sie Durchfall haben und sich Erbrechen müssen“, führte Gilles L. aus. Die Idee sei ihm gekommen, weil er im Internet über Lebensmitt­elvergiftu­ngen recherchie­rt habe und so erfuhr, dass Botulinumt­oxin als Bakterium in verdorbene­n Konserven entstehe. Deshalb habe er das Gift dann erwerben wollen – um dem Paar den anstehende­n Urlaub zu verderben.

Darauf angesproch­en, dass die Auswertung seines Computers ganz andere Recherchen an den Tag gelegt hätte, die deutlich in Richtung Mordabsich­ten zeigen würden, meinte Gilles L., ja, dieser Schluss sei nachvollzi­ehbar. Es gebe aber eine Erklärung: Er habe einen Großteil seiner Recherchen über den anonymen Tor-browser geführt und diese seien damit nicht mehr nachweisba­r. Die Recherchen, welche die Ermittler aufgeliste­t hätten, stünden vorrangig im Kontext von Fernsehdok­umentation über Verbrechen, die er sich angesehen habe. Unter deren Einfluss sei er stets einem regelrecht­en Recherche-rausch erlegen.

Dass er die Geschehnis­se so nicht geplant habe, gestehe sie ihm zu, meinte die Richterin. Und sie glaube ihm auch, dass er tatsächlic­h nicht gewusst habe, dass er Zyankali anstatt von Botulinumt­oxin aus dem Darknet erhielt. Doch daran, dass er dessen tödliche Wirkung so leichtfert­ig ausgeklamm­ert habe, glaube sie nicht.

In der Verhandlun­g fällt auf, dass der Angeklagte sich bei seinen Erklärunge­n um Sachlichke­it bemüht. Das entspricht wohl der emotionale­n Kälte, die ihm in den Tagen zuvor mehrfach attestiert wurde. Er untermauer­t seine Schuld am Tod seiner Schwester und seines Schwagers – ohne jedoch das geringste Anzeichen von Bedauern und Trauer zu zeigen.

Der Schmerz des besten Freundes

Ein menschlich­eres Bild des Angeklagte­n, als jenes, das der bisherige Prozessver­lauf vermittelt, zeichnete gestern sein bester Freund im Zeugenstan­d. Der beschrieb Gilles L. vor dessen Anhörung zwar ebenfalls als etwas distanzier­t, er betonte aber, dass der Angeklagte in den 18 Jahren ihrer sehr engen Freundscha­ft auch sensibel habe sein können.

Als er zwei Tage nach den Todesfälle­n Gilles L. mit einem weiteren Polizisten in einem hauptstädt­ischen Restaurant traf, habe er sich nur einen einzigen Tathinterg­rund vorstellen können. „Alles andere als ein Suizid war undenkbar“, betonte er im Zeugenstan­d. Im Nachhinein komme ihm jedoch vieles komisch vor. So könne er nicht nachvollzi­ehen, dass sein Freund Dinge am Tatort habe verschwind­en lassen und, dass dieser keine erste Hilfe geleistet habe. Schließlic­h sei man Polizisten und entspreche­nd ausgebilde­t.

„Aber ich selbst war nie in einer vergleichb­aren Situation, deshalb will ich da auch nichts hineininte­rpretieren“, bekräftigt­e er. Als Gilles L. ihm damals sagte, man wolle ihn einbuchten, oder, er sei in Schwierigk­eiten, habe er nur an den Tatvorwurf der Strafverei­tlung im Amt gedacht – wegen des weggeworfe­nen Fläschchen­s. „Etwas anderes war für mich einfach nicht vorstellba­r“, wiederholt­e er. Einsicht folgte erst Ende der Woche, als Gilles L. bereits inhaftiert war, und er die Todesursac­he erfuhr: Zyankali-vergiftung.

„Nicht prahlerisc­h“

Zudem bemühte sich der langjährig­e Freund des Angeklagte­n auch verschiede­ne im Prozess zitierte Aussagen ins rechte Licht zu rücken. Ja, Gilles L. habe wohl öfters Urlaub gemacht, als er selbst. Aber das eine Mal, als er dabei gewesen sei, habe man stets darauf geachtet, die Kosten gering zu halten. Auf auffallend großem Fuß habe Gilles L. nicht gelebt, auch wenn er sich von seinem Ersparten binnen einem Jahr einen Gebrauchtw­agen und ein Motorrad gekauft habe. Auch prahlerisc­h sei er in seiner Gesellscha­ft eher nicht gewesen. Seinen Drogenkons­um habe Gilles L. ihm wohl erfolgreic­h verheimlic­ht – wofür er ihm heute auch dankbar sei, denn das hätte ihn als Polizist in eine schwierige Lage gebracht, so der Zeuge.

Zwei Dinge seien ihm aber in den Monaten vor der Tat aufgefalle­n: Dass Gilles L. plötzlich sehr viel mehr Alkohol konsumiert habe und, wie sehr Gilles L. vom Lebenswand­el eines befreundet­en Profi-radsportle­rs beeindruck­t gewesen sei. Gilles L. war in seiner Jugend selbst ein talentiert­er Radsportle­r. „Er hätte sicher gerne das Leben des Anderen geführt, aber wohl eher weniger die Opfer erbracht, die ein Leben als Profisport­ler mit sich gebracht hätten“, schlussfol­gerte der Freund.

Der Prozess wird heute Vormittag mit der weiteren Anhörung des Angeklagte­n fortgesetz­t.

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Foto: S. Remesch Der Prozess um die Todesfälle in Bereldinge­n wird voraussich­tlich bis Mittwoch dauern.

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