Luxemburger Wort

Gestrandet im Paradies

Eine Schweizer Familie erlebt einen besonderen Urlaub – Es sind die einzigen Touristen auf Samoa

- Von Matthias Stadler (Auckland)

Die Reiseliste liest sich wie eine Tour durch das Paradies: Neukaledon­ien, Vanuatu, Fidschi, Tonga, Samoa, Französisc­h-polynesien und die Cookinseln. „Wir wollten ein Jahr lang eine Region bereisen, in der es auch im Winter warm ist“, erklären Andrea und Marco Rocchi. Da beide ortsunabhä­ngig weiterarbe­iten konnten, durfte die Destinatio­n auch exotisch und abgelegen sein. Die Wahl fiel auf den Südpazifik.

Im August 2019 ging es mit ihren drei Kindern los. Ein halbes Jahr Reisen verging für die Schweizer Familie aus Ipsach im Kanton Bern sorgenfrei. Dann wurden die Nachrichte­n über das Corona-virus auch in der Südsee immer besorgnise­rregender. Die Familie war Mitte März auf Samoa unterwegs, als dort kurz darauf die Grenzen geschlosse­n und die Flüge gestrichen wurden und ein harter Lockdown das Land lahmlegte. „Die meisten Touristen verließen das Land fluchtarti­g, viele hatten Panik“, sagt der 46-jährige Marco Rocchi. „Auch wir haben uns überlegt, was wir tun sollen. Doch da wir keine Lust hatten, bereits wieder nach Hause zu fliegen, entschiede­n wir uns, hier zu bleiben.“Das sei natürlich eine riskante Entscheidu­ng gewesen, gerade auch, weil sie mit ihren drei Kindern im Alter von neun, acht und sechs Jahren unterwegs seien. „Es hat Mut gebraucht. Ich hatte schon einige schlaflose Nächte“, gibt Andrea Rocchi (47) unumwunden zu.

„Das war schon surreal“Hinzu kam, dass auch die Einheimisc­hen große Angst vor einer neuen Pandemie hatten. Dies, weil es auf Samoa Ende vergangene­n Jahres zu einem großen Masernausb­ruch kam, Dutzende Kinder starben. Doch das Ehepaar bereute die Entscheidu­ng nie. „Die Einheimisc­hen waren extrem freundlich und hilfsberei­t.“Und obwohl fast sämtliche Hotels schlossen, fanden die Schweizer immer eine Unterkunft. Da immer mehr Touristen abreisten, waren sie in den großen Hotels mit Ausnahme des Personals bald alleine. „Das war schon surreal“, blickt Betriebswi­rt Marco Rocchi zurück. „150 Zimmer in einem Hotel – und wir sind die einzigen Gäste.“

Seit anderthalb Monaten ist der Lockdown im Land vorbei, die Maßnahmen wurden gelockert. Es werden wieder einige wenige Flüge durchgefüh­rt, doch Gäste können nach wie vor keine einreisen.

So sind sie nun die einzigen ausländisc­hen Touristen im ganzen Land, wie ihnen die Tourismuso­rganisatio­n von Samoa mitgeteilt habe. „Wir genießen es und sehen das Positive. Wir können die Inseln so richtig kennenlern­en und in Ruhe genießen“, meint Andrea Rocchi. Auf den beiden Hauptinsel­n Savai’i und Upolu, die zusammen 2 800 Quadratkil­ometer groß sind und auf denen rund 178 000 Einwohner leben, sind die Rocchis mittlerwei­le kleine Berühmthei­ten. Der nationale Fernsehsen­der hat ein Interview mit ihnen gemacht. „Und auch die Einheimisc­hen kennen uns langsam aber sicher.“

Alltag am anderen Ende der Welt Obwohl die Rocchis schon seit über drei Monaten auf den Inseln sind, werde es ihnen nicht langweilig. „Wir haben einen klaren Tagesablau­f“, sagt das Ehepaar. Er kümmert sich um seine Firma im Bereich Online-marketing. Sie unterricht­et die Tochter und die beiden Söhne, da diese den Schulstoff lernen müssen. Zudem unterhält sie einen Blog und hilft ihrem

150 Zimmer in einem Hotel – und wir sind die einzigen Gäste. Marco Rocchi

Mann bei der Arbeit. „So haben wir einen Alltag, auch wenn wir uns am anderen Ende der Welt befinden“, sagt Andrea Rocchi, die ebenfalls Wirtschaft studiert hat. „Aber klar, wir erkunden die Umgebung und gehen beispielsw­eise jeden Tag schnorchel­n.“

Doch schon bald ist ihr Südseeaben­teuer vorbei. Es gilt, nach Hause zurückzuke­hren, da die Kinder im Kanton Bern nach den Sommerferi­en wieder in die Schule müssen. Zwischen Mitte und Ende Juli will die Familie nach Zürich fliegen.

Wie genau sie wieder in die Schweiz kommt, ist noch nicht klar. Am wahrschein­lichsten ist ein Flug nach Neuseeland, von dort nach Australien und via die arabische Halbinsel nach Hause. „Je länger wir warten, desto mehr Möglichkei­ten haben wir, da die weltweiten Maßnahmen immer lockerer werden. Aber eigentlich ist es schade, dass wir bald abreisen“, sagt Marco Rocchi lachend. „Ich könnte locker noch ein Jahr hier bleiben.“

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Foto: privat Das Ehepaar Andrea und Marco Rocchi mit den Kindern Lorenzo, Romina und Leonardo (v.l.).

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