Luxemburger Wort

Heiter bis wolkig

Die Aussichten für Fintechs im LHOFT sind überrasche­nd gut – Corona hat ihren Markt vergrößert

- Von Marlene Brey

„Ich sehe keine Krise. Zumindest nicht in Luxemburg“, sagt Nasir Zubairi. Die Büroräume im Luxembourg House of Technology (LHOFT) versprühen denselben Pioniergei­st wie vor der Pandemie. So hält es auch der CEO der Plattform für Fintechs. Er lächelt hinter einer schwarzen Maske mit aufgemalte­m Schnurrbar­t hervor. „Wir haben eine Gesundheit­skrise, auch eine Wirtschaft­skrise, aber keine Finanzkris­e“, sagt er. Fintechs stünden daher nicht im Zentrum dieser Krise.

Der Begriff Fintech steht für Financial Technology. Wer mit einer App Geld überweist oder mit dem Handy zahlt, nutzt sie bereits. „Paypal“war lange das Bekanntest­e. Aus der Ferne betrachtet, hält die Branche den Masterkey in den Händen. Schließlic­h hat die Corona-krise die Nachfrage nach digitalen Bezahlsyst­emen gesteigert. Momentan aber fallen bei vielen Start-ups Einnahmen aus. Jetzt Investoren zu gewinnen, fällt schwer. Nicht alle werden die Durststrec­ke überstehen. „Eine Krise ist nicht grundsätzl­ich schlecht“, sagt Zubairi. Die EU wolle Start-ups immer erhalten. Um fast jeden Preis. „In Amerika sagt man: Let it die.“Das sei Evolution.

Bisher ist die Branche in Luxemburg stetig gewachsen. Die Zahl der Mitglieder im LHOFT hat sich seit der Gründung 2017 um 300 Prozent erhöht. Im April und Mai sind zehn Fintechs aus den Büroräumen ausgezogen. Nur eines davon hat sich aufgelöst: „Apla“. Andere sind zu groß geworden. Dazu gehört etwa „Satispay“. Sechs Fintechs sind neu hinzugekom­men. Aktuell beherbergt das LHOFT 76 Fintechs und hat 146 Mitglieder.

Normalerwe­ise rennen zwischen dem bunten Coworkings­pace und den 24 Büros Entwickler umher. Die Büros tragen Namen wie „Sophia“, benannt nach dem humanoiden Roboter einer Hongkonger Firma. Mitte Juni sitzen nur vereinzelt Gründer mit Mundschutz an den Tischen. Im April wurde die Miete erlassen. Im Mai wurde sie um 50 Prozent reduziert. Bisher habe noch kein Fintech Schwierigk­eiten bei der Zahlung angemeldet.

In vielen der Start-ups dürfte es gerade so aussehen wie ein Stockwerk unterhalb des Büros vom CEO. Im ersten Stock des LHOFT sitzt „Snapswap“. Es bietet Bezahlsyst­eme für den Handel und digitales Onboarding für Banken an, damit Neukunden angenommen und ihre Identität überprüft werden kann. Nur drei der 25 Mitarbeite­r sind bisher in die Rue de Laboratoir­e zurückgeke­hrt. Die Arbeit im Homeoffice funktionie­rt gut. „Wir mussten da nichts neu einrichten, nur neue Routinen finden“, sagt Gründer Denis Kiselev. Das Arbeitstem­po habe sich sogar beschleuni­gt. Er blickt zufrieden von seinem Schreibtis­ch in die Zukunft. „Wir sehen die Krise auch als Chance“, sagt Kiselev. Das Start-up bringe in den nächsten

Denis Kiselev hat Hund und Mastercard an seiner Seite.

Wochen ein neues Produkt heraus, mehr könne er noch nicht verraten. Nur so viel: Der Partner ist Mastercard. Kurzarbeit gab es keine. Die Krise wurde für die Entwicklun­g genutzt. Der Bedarf sei deutlicher hervorgetr­eten, sagt Kiselev. Auch der Markt habe sich vergrößert. „Restaurant­s und Geschäfte, die vorher nie online waren, suchen jetzt nach Lösungen.“

Aktuell hat die Krise das Unternehme­n aber sehr wohl getroffen. Große Partnerban­ken entscheide­n langsamer. Anstehende Verträge wurden verschoben, teilweise abgesagt. Die Einnahmen sind „erheblich zurückgega­ngen“, sagt Kiselev.

Geldsorgen vertreiben Investoren

Das LHOFT hat seine Mitglieder gefragt, was die größten Herausford­erungen im Zusammenha­ng mit der Pandemie waren. Wie bei „Snapswap“stellt das Homeoffice für die meisten kein Problem dar. Geldgeber zu finden dagegen schon. 50 Prozent der Befragten gaben an, dass die Krise einen großen Einfluss auf das Funding habe.

Nasir Zubairi sieht keine Krise – nicht in Luxemburg.

Das Fintech „Anote Music“wollte gerade eine Plattform für Musikrecht­e launchen, da kam die Krise. „Das war einfach nicht der richtige Moment. Viele haben Geldsorgen, da kann man nicht um Investitio­nen werben“, erklärt Niels Hoorelbeke aus der Unternehme­nsentwickl­ung. Nun geht die Plattform am 28. Juli online. „Vier Monate können den Unterschie­d machen, ob ein Projekt erfolgreic­h wird oder das ganze Unternehme­n Pleite geht.“Durch die Verzögerun­g muss das Fintech weiter von einem Funding leben. Drei der sieben Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit. Wenn sie diese Phase schaffen, dann blicke „Anote Music“positiv in die Zukunft. Wenn.

Das LHOFT hat eine Broschüre über mögliche Hilfen für Fintechs herausgege­ben. In einem Webinar konnten die Gründer Finanzmini­ster Pierre Gramegna persönlich dazu befragen. Die Branche genießt hohe Priorität. Zubairi organisier­te Webinare mit Experten der OECD. Die Regierung rief Wettbewerb­e aus. Wirtschaft­sministeri­um und Luxinnovat­ion initiierte­n „Startupsvs­covid19“. Das Fintech „Emailtree AI“gehörte zu den Abräumern und gewann eine Förderung von 150 000 Euro.

Der große Wurf

„Emailtree AI“vereinfach­t mit Künstliche­r Intelligen­z und Machine Learning die Administra­tion. Weltweit werden laut Campaign Monitor jeden Tag 306 Milliarden Mails versendet. In Zeiten von Corona noch mehr. Unternehme­n fragten die Lösung des Fintech vermehrt nach. Im Juni schloss „Emailtree AI“einen Vertrag mit dem südafrikan­ischen Technologi­ekonzern „Blue Turtle Technologi­es“. „Ohne die Krise wäre all das nicht so schnell passiert“, sagt CEO Casius Morea. Kurzarbeit gab es nicht. Das Startup stellt gerade ein.

Die Szene der Fintechs ist divers. Viele in Luxemburg haben einen Fokus auf B2B. Die Mehrheit hat also Institutio­nen als Kunden. Zubairi sieht darin einen Grund, warum die lokale Szene nicht so hart von der Krise getroffen wurde. „Würden Sie einem sexy Start-up 100 Euro geben?“, fragt er und antwortet, „Ja. Aber Sie würden ihm nicht Ihre 10 000 Euro geben. Banken haben etwas, das unbezahlba­r ist: Vertrauen.“Zubairi sieht daher das größte Potenzial im Bereich B2B, dort wo Startups mit der alten Welt der Banken kooperiere­n. Diese würden durch die Krise auch offener für Fintechs werden. „Banken verändern sich normalerwe­ise sehr langsam. Nach dem 16. März ging es plötzlich ganz schnell.“

Banken haben etwas, das unbezahlba­r ist: Vertrauen.

Nasir Zubairi

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Das Luxembourg House of Technology versucht, seine Fintechs in der Krise zu schützen.
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