Luxemburger Wort

Das Wuhan der Alpen

Eine neue Studie zeigt die Ausmaße der Corona-verfehlung­en im Skiort Ischgl

- Von Stefan Schocher (Wien) Archivfoto: AFP

Ischgl, das war das Wuhan der Alpen: ein Seuchengeb­iet. Europaweit gehen Tausende Infektione­n auf den Skiort zurück. Und in Ischgl selbst? Eine Studie der Uni Innsbruck hat nun erhoben, in welchem Ausmaß das Sars-cov-2-virus in der Bevölkerun­g selbst grassierte. Und die Ergebnisse überrasche­n: Demnach haben 42,4 Prozent der Ischgler Antikörper gebildet. Damit liegt der Anteil der positiv getesteten Personen etwa sechsmal höher als zuvor mittels sogenannte­r Pcr-tests ermittelt. Dazu werden Abstriche aus dem Mund-, Nasen- oder Rachenraum genommen.

Und: 85 Prozent der positiv auf Antikörper getesteten Personen haben die Infektion praktisch unbemerkt durchgemac­ht. Denn nur die Hälfte dieser 85 Prozent berichtete im Nachhinein von leichten Symptomen.

Immunsyste­m von Kindern

reagiert anders

Bemerkensw­ert ist zudem, dass der Anteil der Personen unter 18 Jahren, die Antikörper gebildet haben, nur bei 27 Prozent liegt, also deutlich unter dem Schnitt der Gesamtbevö­lkerung. Das deckt sich laut dem Institut für Virologie der Uni Innsbruck mit Studien aus Genf und Gröden. Die Ursache dafür ist allerdings nicht bekannt. Ausgegange­n wird davon, dass das Immunsyste­m von Kindern und Jugendlich­en anders reagiert.

Für die Studie in Ischgl wurden 79 Prozent aller Ischgler gleich mehrmals mit verschiede­nen Methoden getestet, um Fehler möglichst auszuschli­eßen. Rückschlüs­se auf die ersten Fälle sowie die 42,4 Prozent der Ischgler haben Antikörper gebildet.

Verbreitun­g lässt die Studie nicht zu. Laut der Virologin Dorothee van Laer könne man aber davon ausgehen, dass das Virus bereits ab Mitte Februar in Ischgl grassierte. Nun wird erwogen, eingelager­te Proben von Personen in der Region, die bereits im Jänner und Anfang Februar aus anderen Gründen genommen wurden, auch auf Covid zu untersuche­n. Eine Entscheidu­ng darüber steht aber noch aus.

Keine Rückschlüs­se auf Schutz vor Neuinfekti­onen

Die aktuelle Studie lässt auch keine Rückschlüs­se darauf zu, inwieweit eine Antikörper­bildung vor Neuinfekti­onen schützt oder wie lange eine eventuelle Immunität anhält. Auch kamen die Forscher in Innsbruck zu dem Schluss, dass trotz der hohen Zahl an Personen mit Antikörper­n nicht von einer Herden-immunität ausgegange­n werden könne.

Bemerkensw­ert ist aber laut Medizinern, dass trotz der hohen Durchseuch­ung in Ischgl nur neun Fälle im Spital behandelt werden mussten, davon eine Person auf der Intensivst­ation. Zwei Personen sind in Ischgl am Corona-virus verstorben. Damit liegt die Sterblichk­eit bei 0,26 Prozent.

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