Mit Kampfgeist und Nehmerqualität
Die Nationalbibliotheksdirektorin Monique Kieffer geht heute in den Ruhestand
Nach über 20 Jahren in Diensten der Nationalbibliothek (BNL) geht Monique Kieffer in den Ruhestand. 1999 trat sie als Interimsdirektorin und Krisenmanagerin an – in einer Zeit von Disziplinarverfahren in den Bnl-reihen und einem Innovationsstau. Als spätere Direktorin kämpfte sie mit den Herausforderungen der digitalisierten Wissensgesellschaft und den langen Querelen um den Bnl-neubau in Kirchberg. Kurz vor der Übergabe an Claude Conter sorgt sie sich um die Zukunft der Bibliothek. Ein Interview, bei dem sich Kieffer vorgegebenen Satzanfängen der Redaktion stellt.
„Mein Gefühl zum Abschied ist ...“
... nicht Trauer; Zufriedenheit.
Ich bin der Meinung, die Bibliothek auf die Gleise gestellt zu haben, die im Anbetracht der Veränderungen in der Luxemburger Gesellschaft, besonders der Wissensgesellschaft, notwendig waren. Und den Herausforderungen entspricht sie heute. Das war sicher ein langer Kampf und ein Kraftakt – nicht nur für mich persönlich, sondern auch besonders für meine Mitarbeiter, die viel Energie in insgesamt drei Bauvorhaben gesteckt haben. Erst der geplante, dann verworfene Erweiterungsbau Ende der 1990er-jahre, dann der ebenfalls später verworfene Neubauplan an der Place de l’europe und zuletzt die Umsetzung des komplett neu geplanten Baus in Kirchberg/bricherhaff. Das waren immer Kämpfe um Notwendigkeiten – und dabei blieben viele andere Projekte auf der Strecke.
„Frauen, die sich um Führungspositionen bewerben oder sie übernehmen, können von mir lernen, ...“
... für sich einzustehen. Direkt habe ich nie Nachteile gespürt. Und doch frage ich mich im Rückblick, ob der Fakt, dass ich eine Frau bin, auf Vorurteile getroffen ist. Ich war allerdings auch immer kämpferisch und habe mich nicht schnell von jemandem beeindrucken lassen – besonders dann, wenn ich glaubte, dass vorgebrachte Argumente nicht stichhaltig waren. Ich hätte diesen Job aber nicht als Mutter ausüben können. Es muss noch viel mehr passieren, dass die Arbeitswelt so organisiert wird, damit Frauen und Mütter wirklich dieselben Chancen bekommen wie Männer. Trotz allem Fortschritt ist das noch immer nicht der Fall. Und ich spreche hier nicht nur von obersten Führungsposten. Wir haben zwar junge Frauen in unseren Reihen, zum Beispiel als Chef de service, aufgebaut – aber ich glaube schon, dass es immer noch Ängste gibt. Ängste, dass sie, wenn sie Kinder bekomme, Einschnitte in der Karriere befürchten müssen. Und da muss es neue Wege geben.
„Um Frauen mehr Chancen einzuräumen ...“
... wäre eine Möglichkeit, die Arbeitszeitmodelle stärker zu flexibilisieren.
„Ich habe mein Tun ganz der Nationalbibliothek gewidmet, weil ...“
... ich einfach eine kämpferische Ader habe. Das ist Temperamentssache. Und auch wenn ich als Interimsdirektorin 1999 durchaus festgestellt habe, dass die
BNL, ihre Strukturkrise und die Risse im Sozialgefüge weit komplexer waren, als ich gedacht hätte, wollte ich diese Herausforderung angehen und der Nationalbibliothek den Stellenwert erkämpfen, den sie damals nicht hatte. Und dieser Kampf war zeitintensiv – und für mehr kaum Platz.
„Als Spielball zwischen der Kulturpolitik und den Fachleuten im eigenen Betrieb ...“
... habe ich mich nie gefühlt.
„Für meinen Kurs und seine Durchsetzung kritisiert worden zu sein, ...“
... hat mich nicht hinwerfen lassen. Ich hatte kein Problem mit Kritik. Nestbeschmutzer aber, deren vermeintliche Kritikpunkte selbst unter den Kollegen intern gar nicht so gesehen werden, gibt es in jedem Betrieb.
„Dass Joanne Goebbels nicht meine Nachfolgerin geworden ist, ...“
... ist eine Folge der Umstände. Ich war zwar nicht direkt in die Bewerbungsprozesse involviert, aber ich weiß, dass die Kulturministerin und ihr Team sehr viel Mühe aufgewandt haben, um die richtige Person für dieses Amt zu finden. Und der Rest sind die Umstände, wie sie sich nun einmal entwickeln.
„Das Anforderungsprofil, das ich für die Ausschreibung verfasst habe, war deswegen so hoch, ...“
... weil dieser Job extrem vielschichtig ist. Es reicht eben nicht nur eine Kompetenz, sondern es braucht viele Fähigkeiten. Das ist auch in den anderen Nationalbibliotheken spürbar.
„Mein Nachfolger Claude Conter ...“
... kenne ich ja nun seit Jahren und er hat viele Kompetenzen für den Posten als Direktor; es gibt sozusagen familiäre Gemeinsamkeiten zu seinem jetzigen Posten. Auch wenn die Nationalbibliothek sehr viel größer ist und breitere Missionen und Aufgabenbereiche als das Centre national de littérature hat. Es ist ja kein Geheimnis, dass er von Anfang an ein exzellenter Kandidat gewesen ist. Er ist Wissenschaftler, hat Verwaltungserfahrung und kennt den Kultursektor. Er hatte aber eben nun einmal seine Kandidatur nicht gestellt [Anm. d. Red.: Conter wurde nach dem Rückzug von Joanne Goebbels als zunächst nominierte Direktorin von Kulturministerin Sam Tanson ernannt].
„Die Nationalbibliothek ist Teil der Revolution und Professionalisierung im Kulturbereich seit den 1990er-jahren, weil ...“
... Erna Hennicot-schoepges als Kulturministerin gesehen hat, dass es in Luxemburg einen riesigen kulturellen Nachholbedarf gab.
Und es war das große politische Ziel, diesen Knoten zu lösen. Sie hat auch das Konzept „Alles unter einem Dach“für die BNL politisch durchgesetzt. Aber nach diesem Aufbruch wurde die Bibliothek leider allzu oft vergessen – gerade auch von den kulturellen Akteuren und den Luxemburger Intellektuellen. Und das hat mich schon auch enttäuscht. Das hatte aber wohl auch damit zu tun, dass die Rolle und Leistungsfähigkeit der BNL lange nicht so sichtbar war. Archivieren, katalogisieren und digitalisieren ist nun einmal nicht spektakulär – aber das ist unser Kerngeschäft. In Luxemburg ist Kultur leider oft zu sehr mit dem Stichwort „Event“verbunden. Und für das, was wir nach außen hätten zeigen können, waren wir nicht ausgestattet – schon gar nicht personell. So bewegten wir uns in einem Teufelskreis, der durchschlagen werden musste.
„Die Digitalisierung ...“
... ist fundamental, um die doppelte Mission der BNL zu erfüllen – einerseits wissenschaftliche
Dieser Kampf war zeitintensiv.
Universalbibliothek und Verwalter des geistigen Schatzes Luxemburgs zu sein. Und wer will, dass dieser Wissensschatz nach außen hin sichtbar ist und Luxemburg und seine Wissensleistung zum Forschungsgegenstand wird, der kommt an der Digitalisierung nicht vorbei. Und ich bin sehr froh, dass wir uns inzwischen so aufgestellt haben, dass selbst andere Nationalbibliotheken und Fachleute neugierig werden, wie wir unsere Sammlungen und die Zugänge dazu organisieren. Und das war eines meiner Hauptziele.
„Der Rückhalt der vielen Kulturministerinnen und -minister in meiner Amtszeit war ...“
... da. Ohne Frau Hennicot-schoepges keine Lokomotive für die BNL, ohne Octavie Modert keine solche Durchsetzungskraft bei vielen Seitenhieben für den Neubau, ohne Guy Arendt als Staatssekretär unter Xavier Bettel nicht die nötigen Personalmittel für die Zukunft. Und Sam Tanson ist spürbar ein