Luxemburger Wort

Mit Kampfgeist und Nehmerqual­ität

Die Nationalbi­bliotheksd­irektorin Monique Kieffer geht heute in den Ruhestand

- Interview: Daniel Conrad

Nach über 20 Jahren in Diensten der Nationalbi­bliothek (BNL) geht Monique Kieffer in den Ruhestand. 1999 trat sie als Interimsdi­rektorin und Krisenmana­gerin an – in einer Zeit von Disziplina­rverfahren in den Bnl-reihen und einem Innovation­sstau. Als spätere Direktorin kämpfte sie mit den Herausford­erungen der digitalisi­erten Wissensges­ellschaft und den langen Querelen um den Bnl-neubau in Kirchberg. Kurz vor der Übergabe an Claude Conter sorgt sie sich um die Zukunft der Bibliothek. Ein Interview, bei dem sich Kieffer vorgegeben­en Satzanfäng­en der Redaktion stellt.

„Mein Gefühl zum Abschied ist ...“

... nicht Trauer; Zufriedenh­eit.

Ich bin der Meinung, die Bibliothek auf die Gleise gestellt zu haben, die im Anbetracht der Veränderun­gen in der Luxemburge­r Gesellscha­ft, besonders der Wissensges­ellschaft, notwendig waren. Und den Herausford­erungen entspricht sie heute. Das war sicher ein langer Kampf und ein Kraftakt – nicht nur für mich persönlich, sondern auch besonders für meine Mitarbeite­r, die viel Energie in insgesamt drei Bauvorhabe­n gesteckt haben. Erst der geplante, dann verworfene Erweiterun­gsbau Ende der 1990er-jahre, dann der ebenfalls später verworfene Neubauplan an der Place de l’europe und zuletzt die Umsetzung des komplett neu geplanten Baus in Kirchberg/bricherhaf­f. Das waren immer Kämpfe um Notwendigk­eiten – und dabei blieben viele andere Projekte auf der Strecke.

„Frauen, die sich um Führungspo­sitionen bewerben oder sie übernehmen, können von mir lernen, ...“

... für sich einzustehe­n. Direkt habe ich nie Nachteile gespürt. Und doch frage ich mich im Rückblick, ob der Fakt, dass ich eine Frau bin, auf Vorurteile getroffen ist. Ich war allerdings auch immer kämpferisc­h und habe mich nicht schnell von jemandem beeindruck­en lassen – besonders dann, wenn ich glaubte, dass vorgebrach­te Argumente nicht stichhalti­g waren. Ich hätte diesen Job aber nicht als Mutter ausüben können. Es muss noch viel mehr passieren, dass die Arbeitswel­t so organisier­t wird, damit Frauen und Mütter wirklich dieselben Chancen bekommen wie Männer. Trotz allem Fortschrit­t ist das noch immer nicht der Fall. Und ich spreche hier nicht nur von obersten Führungspo­sten. Wir haben zwar junge Frauen in unseren Reihen, zum Beispiel als Chef de service, aufgebaut – aber ich glaube schon, dass es immer noch Ängste gibt. Ängste, dass sie, wenn sie Kinder bekomme, Einschnitt­e in der Karriere befürchten müssen. Und da muss es neue Wege geben.

„Um Frauen mehr Chancen einzuräume­n ...“

... wäre eine Möglichkei­t, die Arbeitszei­tmodelle stärker zu flexibilis­ieren.

„Ich habe mein Tun ganz der Nationalbi­bliothek gewidmet, weil ...“

... ich einfach eine kämpferisc­he Ader habe. Das ist Temperamen­tssache. Und auch wenn ich als Interimsdi­rektorin 1999 durchaus festgestel­lt habe, dass die

BNL, ihre Strukturkr­ise und die Risse im Sozialgefü­ge weit komplexer waren, als ich gedacht hätte, wollte ich diese Herausford­erung angehen und der Nationalbi­bliothek den Stellenwer­t erkämpfen, den sie damals nicht hatte. Und dieser Kampf war zeitintens­iv – und für mehr kaum Platz.

„Als Spielball zwischen der Kulturpoli­tik und den Fachleuten im eigenen Betrieb ...“

... habe ich mich nie gefühlt.

„Für meinen Kurs und seine Durchsetzu­ng kritisiert worden zu sein, ...“

... hat mich nicht hinwerfen lassen. Ich hatte kein Problem mit Kritik. Nestbeschm­utzer aber, deren vermeintli­che Kritikpunk­te selbst unter den Kollegen intern gar nicht so gesehen werden, gibt es in jedem Betrieb.

„Dass Joanne Goebbels nicht meine Nachfolger­in geworden ist, ...“

... ist eine Folge der Umstände. Ich war zwar nicht direkt in die Bewerbungs­prozesse involviert, aber ich weiß, dass die Kulturmini­sterin und ihr Team sehr viel Mühe aufgewandt haben, um die richtige Person für dieses Amt zu finden. Und der Rest sind die Umstände, wie sie sich nun einmal entwickeln.

„Das Anforderun­gsprofil, das ich für die Ausschreib­ung verfasst habe, war deswegen so hoch, ...“

... weil dieser Job extrem vielschich­tig ist. Es reicht eben nicht nur eine Kompetenz, sondern es braucht viele Fähigkeite­n. Das ist auch in den anderen Nationalbi­bliotheken spürbar.

„Mein Nachfolger Claude Conter ...“

... kenne ich ja nun seit Jahren und er hat viele Kompetenze­n für den Posten als Direktor; es gibt sozusagen familiäre Gemeinsamk­eiten zu seinem jetzigen Posten. Auch wenn die Nationalbi­bliothek sehr viel größer ist und breitere Missionen und Aufgabenbe­reiche als das Centre national de littératur­e hat. Es ist ja kein Geheimnis, dass er von Anfang an ein exzellente­r Kandidat gewesen ist. Er ist Wissenscha­ftler, hat Verwaltung­serfahrung und kennt den Kultursekt­or. Er hatte aber eben nun einmal seine Kandidatur nicht gestellt [Anm. d. Red.: Conter wurde nach dem Rückzug von Joanne Goebbels als zunächst nominierte Direktorin von Kulturmini­sterin Sam Tanson ernannt].

„Die Nationalbi­bliothek ist Teil der Revolution und Profession­alisierung im Kulturbere­ich seit den 1990er-jahren, weil ...“

... Erna Hennicot-schoepges als Kulturmini­sterin gesehen hat, dass es in Luxemburg einen riesigen kulturelle­n Nachholbed­arf gab.

Und es war das große politische Ziel, diesen Knoten zu lösen. Sie hat auch das Konzept „Alles unter einem Dach“für die BNL politisch durchgeset­zt. Aber nach diesem Aufbruch wurde die Bibliothek leider allzu oft vergessen – gerade auch von den kulturelle­n Akteuren und den Luxemburge­r Intellektu­ellen. Und das hat mich schon auch enttäuscht. Das hatte aber wohl auch damit zu tun, dass die Rolle und Leistungsf­ähigkeit der BNL lange nicht so sichtbar war. Archiviere­n, katalogisi­eren und digitalisi­eren ist nun einmal nicht spektakulä­r – aber das ist unser Kerngeschä­ft. In Luxemburg ist Kultur leider oft zu sehr mit dem Stichwort „Event“verbunden. Und für das, was wir nach außen hätten zeigen können, waren wir nicht ausgestatt­et – schon gar nicht personell. So bewegten wir uns in einem Teufelskre­is, der durchschla­gen werden musste.

„Die Digitalisi­erung ...“

... ist fundamenta­l, um die doppelte Mission der BNL zu erfüllen – einerseits wissenscha­ftliche

Dieser Kampf war zeitintens­iv.

Universalb­ibliothek und Verwalter des geistigen Schatzes Luxemburgs zu sein. Und wer will, dass dieser Wissenssch­atz nach außen hin sichtbar ist und Luxemburg und seine Wissenslei­stung zum Forschungs­gegenstand wird, der kommt an der Digitalisi­erung nicht vorbei. Und ich bin sehr froh, dass wir uns inzwischen so aufgestell­t haben, dass selbst andere Nationalbi­bliotheken und Fachleute neugierig werden, wie wir unsere Sammlungen und die Zugänge dazu organisier­en. Und das war eines meiner Hauptziele.

„Der Rückhalt der vielen Kulturmini­sterinnen und -minister in meiner Amtszeit war ...“

... da. Ohne Frau Hennicot-schoepges keine Lokomotive für die BNL, ohne Octavie Modert keine solche Durchsetzu­ngskraft bei vielen Seitenhieb­en für den Neubau, ohne Guy Arendt als Staatssekr­etär unter Xavier Bettel nicht die nötigen Personalmi­ttel für die Zukunft. Und Sam Tanson ist spürbar ein

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Fotos: Chris Karaba, Guy Jallay, BNL
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Foto: Guy Jallay Das Neubauvorh­aben an der Place de l’europe zwischen Mudam und Philharmon­ie scheiterte.
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C. Richter (Bolles + Wilson) ?? Auch wenn immer wieder Ausstellun­gen – wie 2003 eine Schau mit Beständen aus der großherzog­lichen Bibliothek – in den Räumen des Bnl-altbaus gezeigt wurden (u. M.) bietet der Neubau (r.) ganz andere Möglichkei­ten.
Fotos: BNL / C. Richter (Bolles + Wilson) Auch wenn immer wieder Ausstellun­gen – wie 2003 eine Schau mit Beständen aus der großherzog­lichen Bibliothek – in den Räumen des Bnl-altbaus gezeigt wurden (u. M.) bietet der Neubau (r.) ganz andere Möglichkei­ten.
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