Luxemburger Wort

„Eine Tripartite ohne Handy wäre super“

Uel-präsident Nicolas Buck über die Krise, die langfristi­gen Herausford­erungen für das Land und über die Chancen für eine erfolgreic­he Tripartite

- Interview: Dani Schumacher

Der Vorsitzend­e der Union des entreprise­s luxembourg­eoises (UEL), Nicolas Buck, geht mit Zuversicht in die Tripartite, die am diesem Freitag ansteht. Einer der Schwerpunk­te des Unternehme­rverbandes liegt auf der Arbeitsmar­ktpolitik, ein Thema, das auch die Gewerkscha­ften auf ihrer Prioritäte­nliste haben dürften. Allerdings haben die Unternehme­r einen anderen Ansatz als die Arbeitnehm­ervertretu­ngen.

Nicolas Buck, die Einberufun­g einer Tripartite war keine Forderung der Arbeitgebe­r, sondern der Gewerkscha­ften. Weshalb haben Sie dennoch zugestimmt?

Die Situation ist ernst. Weder die kurzfristi­gen noch die langfristi­gen Perspektiv­en sind gut. Es macht also Sinn, dass sich die Sozialpart­ner mit der Regierung zu dritt an einen Tisch setzen.

Die Tripartite findet unter außergewöh­nlichen Voraussetz­ungen statt. Normalerwe­ise gehen die Sozialpart­ner mit konkreten Forderunge­n in die Gespräche. Diesmal liegt bereits ein solides Hilfspaket auf dem Tisch ...

Die Beihilfen werden nicht im Mittelpunk­t stehen. Das Thema ist aber noch nicht vom Tisch. Es braucht noch punktuelle Anpassunge­n. Einige Maßnahmen greifen sehr gut, andere nicht. Und die werden wahrschein­lich auch nie greifen. Das dominieren­de Thema der Tripartite wird die Arbeitsmar­ktpolitik sein. Es geht um die Arbeitslos­igkeit, die Arbeitswel­t von morgen und um Kompetenze­n. Unser gesamtes Gesellscha­ftssystem basiert auf dem Prinzip der Arbeitnehm­erschaft. 90 Prozent der aktiven Bevölkerun­g sind Lohnempfän­ger. Wenn wir die Solidargem­einschaft aufrecht erhalten wollen, dann brauchen all diese Menschen einen Arbeitspla­tz. Der Arbeitsmar­kt muss funktionie­ren, die Unternehme­n müssen also Arbeitsplä­tze schaffen. Die Herausford­erungen sind die gleichen wie vor der Pandemie, sie werden aber durch die Krise verschärft.

In dem Punkt werden die Gewerkscha­ften Ihnen kaum widersprec­hen. Wahrschein­lich werden sie das Thema Beschäftig­ung ebenfalls ganz oben auf der Agenda haben ...

Ich gehe in der Tat davon aus, dass die Gewerkscha­ften die Arbeitsmar­ktpolitik ebenfalls thematisie­ren werden. Das ist auch gut so, wir brauchen Themen, die beiden Seiten wichtig sind, sonst kommen wir nicht weiter. Das Treffen am kommenden Freitag ist der Anfang eines Prozesses. Es werden an dem Tag vermutlich keine Entscheidu­ngen fallen. Es wird vielmehr darum gehen, die Prioritäte­n der beiden Parteien abzugleich­en, um zu erkennen, wo die Schnittste­llen sind, über die es sich lohnt zu diskutiere­n. Die Regierung muss anschließe­nd entscheide­n, wie sie vorgehen will und die Marschrout­e festlegen.

Weshalb ist die Arbeitsmar­ktpolitik den Arbeitgebe­rn so wichtig? An welchen Stellschra­uben muss Ihrer Meinung nach gedreht werden?

Wenn ein Unternehme­n sich neu aufstellen will, um in Zukunft wettbewerb­sfähig zu sein, sind Themen wie Arbeitsplä­tze und Kompetenze­n von herausrage­nder Bedeutung. Kurzfristi­g geht es um die Bekämpfung der Arbeitslos­igkeit. Die zentralen Fragen lauten also: Was können wir tun, damit die Unternehme­n in diesen unsicheren Zeiten Arbeitsplä­tze schaffen? Was müssen wir tun, damit sie Auszubilde­nde oder Arbeitslos­e einstellen? Wir rechnen in den nächsten Monaten mit einem rasanten Anstieg der Arbeitssuc­henden. Um diese Herausford­erung zu meistern, muss man das gesamte System anpassen, von der Ausbildung, der Weiterbild­ung bis hin zur ADEM.

Wir sind die Champions der Langsamkei­t.

Müsste man nicht auch am Arbeitsrec­ht nachbesser­n?

In dem Punkt unterschei­den die Arbeitgebe­r sich von den Gewerkscha­ften. Die Gewerkscha­ften suchen die Lösung stets beim Arbeitsrec­ht. Das Arbeitsrec­ht ist für sie eine Art Katechismu­s. Ihnen geht es in erster Linie um die Sicherheit, den Schutz und die Rechte der Arbeitnehm­er. Dagegen ist absolut nichts einzuwende­n. Wenn die Betriebe aber keine Jobs schaffen, nützt das beste Arbeitsrec­ht nichts. Die Arbeitgebe­r brauchen ihrerseits ein günstiges Umfeld, damit die Unternehme­n sich entwickeln und expandiere­n können. Das ist für uns das A und O einer gelungenen Arbeitsmar­ktpolitik. Die Kompetenze­n stellen eine weitere Priorität dar. Es geht um Wissen, das ist das Zukunftsmo­dell. Wenn die Unternehme­n sich neu aufstellen sollen, brauchen sie aber auch genügend Flexibilit­ät. Sie müssen Mitarbeite­r entlassen können, um in anderen Sparten neue Mitarbeite­r einzustell­en. Sie müssen auch Mitarbeite­r umschulen können. Aus unserer Sicht müssen die Betriebe in den Mittelpunk­t der Arbeitsmar­ktpolitik gestellt werden, und genau das fehlt im Augenblick.

schnell investiere­n können. Genau diese bürokratis­che Schwerfäll­igkeit ist unser zweites großes Thema, das wir bei der Tripartite anschneide­n wollen.

Das löst aber immer noch nicht das Problem der Nachhaltig­keit ...

Die Co2-problemati­k ist weniger auf das Wachstum zurückzufü­hren als auf den Transport. Von den etwa zehn Millionen Tonnen CO2 gehen zwischen 65 und 70 Prozent auf den Transport zurück. Luxemburg liegt nun einmal auf einer europäisch­en Nord-südachse. Mir ist es lieber, die Laster tanken in Luxemburg als jenseits der Grenze. Wobei wir dann wieder bei den staatliche­n Einnahmen wären. Wenn wir die hohen Sozialleis­tungen weiter finanziere­n wollen, sind wir auf die Einnahmen angewiesen. Wir müssen realistisc­h bleiben. Auch für einen Staat gibt es finanziell­e Grenzen.

Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, dass bei der Tripartite eine Einigung erzielt wird?

Die Chancen stehen gut. Ich glaube, dass es zu einem konstrukti­ven Dialog kommen wird. Ich gehe nämlich davon aus, dass wir in Bezug auf die Herausford­erungen, mit denen das Land konfrontie­rt ist, zu einer ganz ähnlichen Einschätzu­ng kommen werden. Das setzt allerdings voraus, dass sich die Gewerkscha­ften, aber auch die Regierung, bewusst sind, dass die augenblick­liche Krise weit über die Pandemie hinausgeht. Zwischen 1990 und 2020 hatten wir mächtig Rückenwind, das Land durchlebte eine außergewöh­nlich erfolgreic­he Zeit, vor allem wegen der Entwicklun­g der Finanzindu­strie. Wenn wir in den kommenden 30 Jahren eine ähnliche Erfolgsges­chichte schreiben wollen, müssen wir uns enorm anstrengen. Der Wind wird uns nämlich sehr heftig ins Gesicht blasen. Die internatio­nalen Zeichen stehen schlecht, Beispiel Handelskri­ege mit China beziehungs­weise den USA, die Schieflage in der EU usw. Wir können es schaffen, doch wir müssen umdenken und wir werden Abstriche hinnehmen müssen. Ich hoffe daher, dass sich am Freitag alle bewusst sind, dass wir nicht länger auf einer Insel der Glückselig­en leben. Wenn wir uns in dem Punkt einig werden, dann sind wir schon einen großen Schritt weiter.

Sie blicken sehr weit nach vorn. Die meisten Bürger sind in erster Linie daran interessie­rt, wie es in den kommenden Wochen und Monaten weiter gehen wird. Was wollen Sie tun, um den Menschen in ihrer aktuellen Situation zu helfen?

Wir müssen natürlich auch die kurzfristi­gen Entwicklun­gen im Auge behalten und antizyklis­ch vorgehen. Wir brauchen einen Tsunami bei den Investitio­nen. Wie ich bereits vorhin gesagt habe, müssen wir die Investitio­nen im Privatbere­ich beschleuni­gen, etwa indem wir die Prozeduren vereinfach­en. Der Staat hat sich zurecht verschulde­t, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Wir haben eine solide Basis, wir werden das schaffen. Wir dürfen uns aber nicht von der Covid-krise blenden lassen und die langfristi­gen Entwicklun­gen aus dem Auge verlieren. In Luxemburg neigen wir dazu, uns viel mit uns selbst zu beschäftig­en. Doch wir müssen uns gegenüber unseren Konkurrent­en

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg