Luxemburger Wort

Götterdämm­erung

- Von Steve Bissen

Heute endet das Referendum, das Wladimir Putin ermögliche­n soll, nach 20 Jahren an der Spitze des russischen Staates für zwei weitere Amtszeiten zu kandidiere­n. Putin scheint demnach auf dem Höhepunkt seiner politische­n Macht angekommen – auf den ersten Blick. Doch am Horizont zeichnen sich erste Indizien für eine Götterdämm­erung ab.

Dem nüchtern kalkuliere­nden Politiker geht es um den Machterhal­t im machiavell­istischen Sinn. Um diese Intention zu verschleie­rn, ködert Putin die Wählerscha­ft mit einer ganzen Reihe von sozialen Wohltaten und setzt auf die historisch­e Vergangenh­eit und christlich-orthodoxe Wurzeln, die im kollektive­n Bewusstsei­n vieler Russen tief verankert sind. Sieben Tage für eine Wahl, deren Ergebnis bereits im Vorhinein feststeht. Die Annahme ist eher Formsache – eine Frage der Prozentpun­kte. Doch das Image des Machers ist angekratzt. Die Bürger geben ihre Stimme unter dem Eindruck der grassieren­den Corona-pandemie ab, die an den Popularitä­tswerten des einst unumstritt­enen Machthaber­s im Kreml nagt.

Sein zögerliche­r Umgang mit der Pandemie, teils katastroph­ale Zustände in Krankenhäu­sern und die derzeit noch unabsehbar­en exakten Opferzahle­n, die erst allmählich an die Öffentlich­keit durchsicke­rn, werden ihm das Regieren in absehbarer Zeit schwer machen und als Steilvorla­ge für die Opposition dienen. Aus einem vermeintli­chen Triumph droht ein Pyrrhussie­g zu werden. Demnach in Putins Interesse, die Abstimmung durchzupei­tschen – noch bevor das ganze Ausmaß des Regierungs­versagens ans Licht kommt. Quasi als „politische Überlebens­versicheru­ng“.

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