Götterdämmerung
Heute endet das Referendum, das Wladimir Putin ermöglichen soll, nach 20 Jahren an der Spitze des russischen Staates für zwei weitere Amtszeiten zu kandidieren. Putin scheint demnach auf dem Höhepunkt seiner politischen Macht angekommen – auf den ersten Blick. Doch am Horizont zeichnen sich erste Indizien für eine Götterdämmerung ab.
Dem nüchtern kalkulierenden Politiker geht es um den Machterhalt im machiavellistischen Sinn. Um diese Intention zu verschleiern, ködert Putin die Wählerschaft mit einer ganzen Reihe von sozialen Wohltaten und setzt auf die historische Vergangenheit und christlich-orthodoxe Wurzeln, die im kollektiven Bewusstsein vieler Russen tief verankert sind. Sieben Tage für eine Wahl, deren Ergebnis bereits im Vorhinein feststeht. Die Annahme ist eher Formsache – eine Frage der Prozentpunkte. Doch das Image des Machers ist angekratzt. Die Bürger geben ihre Stimme unter dem Eindruck der grassierenden Corona-pandemie ab, die an den Popularitätswerten des einst unumstrittenen Machthabers im Kreml nagt.
Sein zögerlicher Umgang mit der Pandemie, teils katastrophale Zustände in Krankenhäusern und die derzeit noch unabsehbaren exakten Opferzahlen, die erst allmählich an die Öffentlichkeit durchsickern, werden ihm das Regieren in absehbarer Zeit schwer machen und als Steilvorlage für die Opposition dienen. Aus einem vermeintlichen Triumph droht ein Pyrrhussieg zu werden. Demnach in Putins Interesse, die Abstimmung durchzupeitschen – noch bevor das ganze Ausmaß des Regierungsversagens ans Licht kommt. Quasi als „politische Überlebensversicherung“.