„Spektakulär und anspruchsvoll“
Luxfilmfest: Alexis Juncosa über monatlichen Kontakt und den Plan B im Falle eines Falles
Traditionell findet das Luxembourg City Film Festival im März statt. Nun lädt das Festival, dessen diesjährige 10. Jubiläumsausgabe Corona-bedingt verkürzt ausfiel, zum monatlichen Stelldichein: dem Luxfilmlab. Künstlerischer Leiter Alexis Juncosa erklärt, was er sich von diesem festen Rendezvous verspricht und wie sein Plan B für das kommende Jahr aussieht.
Alexis Juncosa, Corona-bedingt ist „social distancing“gerade aktuell: Ist die Luxfilmlab-reihe Ihre Art, künstlerisch gegenzusteuern?
Eigentlich gab es die Idee zu dieser Reihe schon lange vor der sanitären Krise – sie hätte auch im Mai beginnen sollen. Nun wollten wir die Wiedereröffnung der Kinos aber als Aufwind nutzen.
Mit der Home-edition auf der Streaming-plattform vod.lu haben Sie ja bereits, nach Ihrer verkürzten 10. Auflage, näheren Kontakt zum Publikum gesucht. Wie kam das an?
Genaue Zahlen haben wir noch keine, aber den vielen E-mails und anderen Nachrichten nach zu urteilen, die wir von Zuschauern erhalten haben, konnten wir damit eine Menge Sympathiepunkte sammeln. Spaß beiseite: Es zeigt uns, dass diese Initiative so kurz nach dem abruptem Ende unserer Jubiläumsausgabe auf die Beine zu stellen die richtige Entscheidung war. Dabei war es uns wichtig, dem Publikum ein Kinofilm- und nicht ein Fernsehangebot zu präsentieren. Dieses war zwar für die Zuschauer kostenfrei, alle Anspruchsberechtigten wurden aber für den Vertrieb, wie es sich auch gehört, bezahlt. Wir wollen die Kultur schließlich nicht verscherbeln!
Was versprechen Sie sich konkret von diesem neuen festen Treffen, am ersten Mittwoch im Monat?
Seit ein paar Jahren liefen bereits Unterredungen mit Kinepolis, um auszumachen, wie wir ein eingefleischt-cinephiles Festivalpublikum zu etwas mehr „grand-public“-filmen bringen und gleichzeitig ein breiteres Publikum näher an Autorenfilme heranführen könnten – um so ein regelmäßigeres Treffen zwischen beiden Zuschauerschaften herbeizuführen. Das versuchen wir nun mit Filmen, die für eine breites Publikum unterhaltsam, ja spektakulär sind, und gleichsam dem künstlerischen Anspruch qualitätsgewohnter Kenner entsprechen. Die Reihe ermöglicht uns zudem, den strengen Rahmen der elf Festivaltage aufzubrechen, und somit interessante Filme zu zeigen, die es terminlich nicht in unser Programm geschafft hätten.
Was verspricht dies dem Publikum?
Nun erstmal die Entdeckung von Filmen, die ihm so wahrscheinlich – wenn überhaupt – nur schwer zugänglich gewesen wären – die es jedoch wert sind, auf großer Leinwand gesehen zu werden. Wir hoffen zudem später ebenfalls Vorpremieren präsentieren zu können – und das Ganze mit einer kurzen Einführung, wie beim Festival selbst.
Das Eigen eines Festivals ist es, ein jährliches, zeitlich begrenztes Highlight zu sein: Fürchten Sie nicht, dass ein monatliches Rendezvous kontraproduktiv für Ihren Eventcharakter sein könnte?
Nein, ich glaube nicht. Schließlich sind die Filme, die das Filmfestlab präsentiert, ganz andere als beispielsweise unsere Wettbewerbsbeiträge. Es handelt sich hierbei meist um Hollywood-arthouse-produktionen. Unser Bestreben ist es, ein breiteres Publikum an Autorenfilme heranzuführen. Unser Ziel ist dabei also nicht unbedingt der klassische Festivalgänger, sondern eben ein neues Publikum, das wir uns mit der Reihe, die es von seinen gewohnten Pfaden wegführen wird, erschließen wollen.
Für den ersten Termin, heute um 20.30 Uhr im Ciné Utopia, haben Sie „True History of the Kelly Gang“von Justin Kurzel ausgesucht. Warum diesen Film?
Natürlich ist es ein wenig symbolisch, dass wir unseren diesjährigen Abschlussfilm als erstes Werk der Luxfilmlab-reihe auserkoren haben – so in der Art „Entschuldigen Sie die kurze Unterbrechung ...“Doch das ist nicht der einzige Grund: Die Pandemie hat den Kinostart von
„True History of the Kelly Gang“verhindert. Dieser wird wohl nicht nachgeholt und der Film wird vermutlich seinen Weg nun zu den Video-on-demand-plattformen finden – was unheimlich schade ist, denn er sollte wirklich auf einer großen Leinwand entdeckt werden! Deshalb ist er der perfekte Einstieg für unsere Reihe, das spektakuläre und unterhaltsame Filme umfassen wird.
Dabei werden nicht einfach nur Filme gezeigt, es gibt auch vor Ort eine Live-einführung ...
Genau, jeder Film wird von einem Mitglied des künstlerischen Komitees eingeführt. Das wird aber nie eine akademisch angelegte Filmstunde sein, sondern immer eine kurze, ungezwungene Kontextualisierung, die dem Publikum Schlüssel zu einem besseren Verständnis des Werkes mit auf den Weg geben soll.
Blicken wir kurz auf das nächste Luxfilmfest, das sich vom 4. bis 14. März 2021 ankündigt. Erschwert der Ausfall vieler Festivals und der Verzug zahlreicher Drehs nicht Ihre Programmierung?
Natürlich schafft dies uns enorme Probleme. Als Mitglied des kürzlich aus der Taufe gehobenen europäischen Verbandes „Europa Film Festivals“verfolgen wir gemeinsam mit den Kollegen aus dem Ausland natürlich ganz aufmerksam alle aktuellen Entwicklungen. 2021 wird sehr schwierig sein, 2022 vielleicht noch mehr – allein schon von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Filme. Alle Filmfestivals improvisieren derzeit, um den neuesten Pandemie-entwicklungen von Tag zu Tag gerecht zu werden.
Gibt es denn konkrete Pläne – und vor allem auch einen Plan B?
Sogar C! Wir haben drei Szenarien für die 11. Ausgabe des Luxfilmfest. Plan A: Zurück zur Normalität, was uns jedoch eher unrealistisch erscheint. Plan B: eine Festivalausgabe mit der gebotenen Sicherheitsdistanzierung in den Kinosälen und dem Verzicht auf verschiedene Events, wie z. B. Partys. Und das dritte, für uns das „Worst-case-scenario“, auf das wir ebenfalls vorbereitet sein müssen: eine Pandemie-situation, die uns zu einer komplett digitalen Version des Festivals zwingt. Heute weiß niemand, was die Zukunft bringen wird. Unser Glück ist aber, dass wir von einer Industrie abhängen, die extrem kreativ und bemüht ist, kreative Lösungen auf Probleme zu finden, die wir heute noch nicht einmal kennen.
Sie bleiben optimistisch?
Genau! Wenn diese Pandemie uns etwas gezeigt hat, dann, dass es zwar schön ist daheim zu sein und dort Filme zu streamen, wir aber das geteilte, menschliche Erlebnis im Kinosaal, das ich gerne als ,communauté de l’éphémère‘ bezeichne, brauchen. Unser Luxfilmlab ist ein erster Schritt dorthin ...
Die Luxfilmlab-reihe startet heute Abend um 20.30 Uhr im Ciné Utopia mit „True History of the Kelly Gang“von Justin Kurzel (124 Minuten, ab 16 Jahren, englische OV mit französischen und niederländischen Untertiteln). Tickets zu 9,75 Euro gibt es online über:
► www.kinepolis.lu
2021 wird sehr schwierig sein, 2022 vielleicht noch mehr.