Luxemburger Wort

Nur die Absicht zählt

Im Prozess um den mutmaßlich­en Giftmord von Bereldinge­n hat die Verteidigu­ng das Wort

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Der Verteidige­r brachte die alles entscheide­nde Frage in seinem Plädoyer auf den Punkt: „Kann man Gilles L. glauben, wenn er sagt, ich wollte den Tod meiner Schwester und meines Schwagers nicht verursache­n? Wenn er sagt, ich wollte ihnen nur ein Gift verabreich­en, das zu Übelkeit und Erbrechen führt, wissend, dass diese Substanz auch tödlich sein kann.“

Der Anwalt, Me Rosario Grasso, glaubt ihm offensicht­lich, denn zum Ende seines Plädoyers forderte er die Richter der Kriminalka­mmer auf, im Falle der beiden Todesfälle am 25. September 2016 in Bereldinge­n nicht den Tatvorwurf des geplanten Mordes zurückzube­halten, sondern den Vorwurf gemäß Artikel 404 des Strafgeset­zes.

Der lautet im Wortlaut folgenderm­aßen: „Wenn Substanzen absichtlic­h verabreich­t werden, ohne die Absicht den Tod herbeizufü­hren, diesen jedoch verursacht haben, wird der Schuldige mit einer Haftstrafe von 15 bis 20 Jahren bestraft.“Für vorsätzlic­hen Mord hingegen sieht das Gesetz eine lebenslang­e Haftstrafe vor.

„Zu subjektive Sichtweise“

Grasso unterstric­h zudem, sein Mandant werde von den Ermittlern und der Presse als kaltblütig­er Mörder dargestell­t. Also müsse er auch mit Vorsatz seine Schwester und seinen Schwager getötet haben. Das sei der einfachste Schluss, aber eine sehr subjektive Sichtweise. Tatsächlic­h sei es nämlich so, dass es seinem Mandanten nur sehr schwerfall­e, über Gefühle zu sprechen. Das würde sowohl aus dem Gutachten eines Psychologe­n wie auch aus den Aussagen aus dem Freundeskr­eis deutlich hervorgehe­n.

Gilles L. habe zudem von der zweiten Anhörung beim Untersuchu­ngsrichter an stets die Wahrheit gesagt. „Wenn jemand einen Fehler begeht, dann liegt es in der Natur des Menschen, diesen nicht gleich zuzugeben“, betonte der Anwalt.

Gilles L. habe man aber einfach lange Zeit gar nichts geglaubt – bis sich seine Aussagen auch beweisen ließen. Das hätten die Ermittler im Prozess auch einräumen müssen. Und deren vielbeschw­orener roter Faden sei aus heutiger Sicht bei Weitem nicht so kohärent, wie dargestell­t.

So würde das Ermittlung­sdossier beispielsw­eise die seinem Mandanten immer wieder unterstell­te Geldgier und dessen Traum von Luxus gar nicht belegen. Gilles L. habe das Leben geführt, das er sich von seinem Verdienst und seinem Ersparten habe leisten können. Eine Aussicht auf eine große Erbschaft habe es nicht gegeben.

Auch hätten die Ermittler kaum erwähnt, dass das Argument von

Gilles L., warum er keine erste Hilfe geleistet habe, durchaus Sinn ergebe: Wenn Patienten noch atmen würden, so wie sie es der Aussage seines Mandanten nach noch getan hätten, sei eine Herzmassag­e völlig unangebrac­ht.

Zu den Schadeners­atzforderu­ngen der Hinterblie­benen meinte der Verteidige­r, diese seien vom Prinzip her unbestritt­en, die Beträge seien aber zu hoch. Das Gericht möge sich dabei an der gängigen Jurisprude­nz orientiere­n.

700 000 Euro Schadeners­atz

Dass er nicht gut über seine Gefühle reden kann, macht meinen Mandanten nicht zum kaltblütig­en Mörder.

Me Rosario Grasso, Verteidige­r

Die Eltern von Olivier K., dem getöteten Schwager von Gilles L., hatten eine Entschädig­ung von 150 000 Euro beantragt, die Mutter des Sohnes aus erster Ehe von Olivier K. in dessen Namen 125 000 Euro und vier weitere Familienmi­tglieder in einer gemeinsame­n Nebenklage 425 000 Euro.

Der Prozess wird heute Nachmittag mit dem Strafantra­g der Staatsanwa­ltschaft abgeschlos­sen.

 ?? Foto: Steve Remesch/lw-archiv ?? Drei Tage nach den Todesfälle­n suchen Polizisten in Bereldinge­n nach einer Giftampull­e. Im Prozess riskiert ihr angeklagte­r Kollege zwischen 15 Jahren und lebensläng­licher Haft.
Foto: Steve Remesch/lw-archiv Drei Tage nach den Todesfälle­n suchen Polizisten in Bereldinge­n nach einer Giftampull­e. Im Prozess riskiert ihr angeklagte­r Kollege zwischen 15 Jahren und lebensläng­licher Haft.

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