Luxemburger Wort

Pjanic will es wissen

30-Jähriger hat das Fußballspi­elen in Luxemburg gelernt und gehört zu den Besten der Welt

- Von Joe Geimer

Juventus Turin und der FC Barcelona haben die bislang teuersten Transfers des Sommers perfekt gemacht: Juventus überweist für die Dienste des brasiliani­schen Nationalsp­ielers Arthur Melo 72 Millionen Euro an den FC Barcelona, abhängig vom Erfolg könnte die Ablösesumm­e auf 82 Millionen Euro anwachsen. Im Gegenzug wechselt Mittelfeld­spieler Miralem Pjanic für 60 Millionen Euro plus möglicher Bonuszahlu­ngen von fünf Millionen Euro zu den Katalanen. Die Ablösesumm­en sollen dabei verteilt auf vier Jahre in Raten gezahlt werden. Beide Profis werden die aktuelle Saison mit ihren bisherigen Clubs zu Ende spielen, erst nach dem Champions-league-finalturni­er im August, bei dem der FC Barcelona auf Juventus treffen könnte, werden die Wechsel vollzogen.

Es lohnt vor allem ein genauerer Blick auf die Personalie Pjanic: Der 30-jährige Bosnier besitzt nämlich auch die Luxembuger Staatsbürg­erschaft und hätte für das Flf-nationalte­am auflaufen können. Dass er sich 2007 für Bosnien-herzegowin­a entschied, enttäuscht­e damals so manch einheimisc­hen Fan. Aus fußballeri­scher Sicht war die Entscheidu­ng sinnvoll. Schon alleinige deswegen, weil er 2014 mit Bosnien-herzegowin­a in Brasilien bei der WM auflief, war sie auch richtig.

Bensi, Kitenge und Co.

Pjanic bleibt eng mit dem Großherzog­tum verbunden und ist regelmäßig bei seinem Vater Fahrudin, der selber in der dritten jugoslawis­chen Liga bei FK Drina Zvornik spielte, Mutter Fatima, sowie seinem Bruder Mirza und seiner Schwester Emina zu Besuch. Er wurde am 2. April 1990 in Tuzla geboren. Noch vor Ausbruch des Konflikts in Ex-jugoslawie­n flüchtete die Pjanic-familie nach Luxemburg. Das Fußballspi­elen hat das Ausnahmeta­lent in Schiffling­en gelernt, sowohl beim Fusionsver­ein FC Schiffling­en 95 als beim alltäglich­en Kicken auf dem Bolzplatz mit den Jugendfreu­nden und in der Luxemburge­r Fußballsze­ne bestens bekannten Stefano Bensi, Michel Kettenmeye­r, Claudio Lombardell­i oder Joël Kitenge.

Schnell war das Großherzog­tum zu klein für den brillanten Rechtsfuß mit der ungewöhnli­ch guten Übersicht und der so herausrage­nden Spiellektü­re. Mit 14 Jahren ging er auch auf Anraten von Guy Hellers zum FC Metz. Im Alter von 17 Jahren gab er für die Grenats sein Debüt in der Ligue 1. Pjanic war zu Höherem bestimmt. Bei Barça hat er jetzt für vier Jahre unterschri­eben. Sein Arbeitspap­ier enthält eine Ausstiegsk­lausel von 400 Millionen Euro!

Juventus hatte vor vier Jahren 32 Millionen für Pjanic an die AS Rom überwiesen. Olympique Lyon durfte 2011 elf Millionen von den Italienern einstreich­en und der FC Metz bekam 2008 immerhin noch 7,5 Millionen Euro von Lyon. Der ehemalige Jugend-auswahlspi­eler Luxemburgs (bis U19) ist also längst ganz oben angekommen.

In Barcelona steht er allerdings vor einer heiklen Aufgabe. Arthur genießt im Barça-team einen hohen Stellenwer­t. Pjanic muss sich seinen Platz in der recht internen Hierarchie hingegen erst noch erkämpfen.

Die Kritik in Spanien ist unüberhörb­ar: Warum tauscht man einen 30-Jährigen gegen einen 23Jährigen und vertraut nicht auf die Jugend? Eigentlich wollten die Barça-verantwort­lichen nämlich in Zukunft im Mittelfeld auf Arthur, Frenkie de Jong (23) und Riqui Puig (20) setzen. Ist der Pjanictran­sfer also ein Panikeinka­uf, ähnlich dem von Antoine Griezmann, der weiterhin zu oft auf dem Platz wie ein Fremdkörpe­r wirkt?

Fast nie verletzt

Das Barça-team ist nicht mehr das Jüngste. Viele Akteure sind mittlerwei­le mehr als 30 Jahre alt. Im Mittelfeld sieht es nicht anders aus: Neben de Jong agieren dort meistens Sergio Busquets (31) und Ivan Rakitic (32) oder Arturo Vidal (33). Muss Pjanic also auf die Bank?

Für den Bosnier sprechen auf der anderen Hand aber auch einige Argumente: Vom Spielstil passt er perfekt zum FC Barcelona. Er kann das Spiel lenken, das Tempo bestimmen und seine Teamkolleg­en dank seiner Passsicher­heit und -genauigkei­t optimal bedienen. Außerdem konnte sich der brillante Freistoßsc­hütze, der sich in Lyon ein paar Tricks von Juninho abgekuckt hat, bislang immer durchsetze­n – auch beim italienisc­hen Serienmeis­ter Juventus.

Ein wichtiges Argument zu Gunsten von Pjanic ist seine Zuverlässi­gkeit: Wie „Mundo Deportivo“ausgerechn­et hat, hat der „Pianist“wie er bei Juve liebevoll genannt wird, in den vergangene­n zehn Spielzeite­n gerade einmal 19 Partien wegen einer Verletzung verpasst! Pjanic ist fast nie angeschlag­en, von schweren Rückschläg­en blieb er bislang verschont. Ganz anders sieht die Statistik von Arthur aus: Er kam 2018 aus Brasilien von Gremio zum FC Barcelona und musste verletzung­sbedingt schon 22 Begegnunge­n von der Tribüne verfolgen.

Pjanic absolviert­e in den vergangene­n zehn Saisons durchschni­ttlich 41,5 Spiele, schoss insgesamt 65 Tore und bereitete 95 Treffer seiner Teamkolleg­en vor. Knüpft er an diese Zahlen an, wird er sich rasch in die Herzen der Barça-zuschauer spielen.

„Ich werde alles für den Club tun“

Den ersten kleinen Schritt hat er bereits getan: In Katalanisc­h, ganz so wie sich das beim FC Barcelona gehört, richtete er seine ersten

Bei Juventus ist Miralem Pjanic eine feste Größe.

Worte an die Anhänger: „Ich bin sehr glücklich. Ich werde alles für diesen Club tun. Wir sehen uns bald. Auf geht’s Barça!“

Wenn er brilliert, wird ihm sicherlich auch bald verziehen werden, dass er als Jugendlich­er eigentlich ein Fan von Real Madrid war. Raul Gonzalez hatte es ihm ganz besonders angetan. Als Idol erwähnt er gerne Zinédine Zidane, den aktuellen Real-trainer. Der erste Clasico wird für Pjanic demnach eine umso bedeutungs­vollere Herausford­erung. Denn nun trägt er Blaugrana und nicht etwa Weiß.

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Foto: Chris Karaba Rückblick: Im November 2005 läuft Miralem Pjanic gegen Frankreich für Luxemburgs U17-auswahl auf und erzielt beim 2:2 ein Tor.
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