Luxemburger Wort

Bewusstlos im Bus

Für Tristan ist der Schulweg mit hohen Risiken verbunden – Gewerkscha­ften fordern Begleitper­sonal im Schülertra­nsport

- Von Michèle Gantenbein

Der vierjährig­e Tristan ist eines von drei Kindern der Familie Loutsch. Tristan leidet an der seltenen Krankheit Hemiplégie alternante du nourisson, eine schwere neurologis­che Erkrankung. Tristan ist motorisch stark eingeschrä­nkt, kann nicht laufen, nicht sprechen und ist nicht sauber.

Seit Februar besucht er dreimal in der Woche das Centre pour le développem­ent moteur (CDM) in Strassen. Dort bekommt er die Therapien, die er braucht, um sich weiterentw­ickeln zu können. Zweimal in der Woche besucht er das Précoce in Redingen/attert. Der Spezialbus­dienst CAPABS (Transport complément­aire d’accessibil­ité pour personnes à besoins spécifique­s) holt ihn zu Hause in Eltz ab. Im günstigste­n Fall dauert die Fahrt nach Strassen 45 Minuten. Wenn Stau ist, können es schon mal anderthalb Stunden oder mehr sein. Doch das ist nicht das Problem.

Epileptisc­he Anfälle

Das Problem ist: Der Junge hat während der Fahrt epileptisc­he Anfälle, insbesonde­re in Aufwachund Einschlafp­hasen, wie sein Vater erklärt. Tristan wird bewusstlos, bekommt schlecht Luft und braucht sofort Medikament­e. „Jede Minute, die er bewusstlos ist, ist potenziell schädlich für seine Gehirnakti­vität und für seine weitere Entwicklun­g“, sagt sein Vater.

Zu Hause sind seine Eltern für seine Sicherheit und Gesundheit verantwort­lich. Weil die Anfälle jederzeit – auch nachts – auftreten können, wird Tristans Zustand zu Hause technisch überwacht. Im Falle einer Anomalie schlägt das Warnsystem Alarm. In der Schule ist speziell geschultes Personal verantwort­lich, das genau weiß, was zu tun ist. Während der Fahrt im Bus ist Tristan sich selbst überlassen. Es gibt kein Begleitper­sonal, das ihm die Medikament­e, die der Junge stets bei sich trägt, verabreich­en

Schüler, die im Centre pour le développem­ent moteur (CDM) in Strassen unterricht­et werden, werden mit Spezialbus­sen dorthin gebracht. könnte. Die einzige erwachsene Person im Bus ist der Fahrer. Dieser bekommt nicht unbedingt mit, wenn Tristan einen Anfall hat und ist darüber hinaus auch nicht für Interventi­onen dieser Art geschult. „Je länger der Anfall andauert, desto stärkere Medikament­e sind notwendig, um ihn aus dem Zustand herauszuho­len“, erklärt Tristans Vater.

Für die Familie ist es mittlerwei­le unerträgli­ch geworden, nicht zu wissen, ob ihr Kind unbeschade­t nach Hause kommt. Seit Februar hat der Vater seinen Sohn viermal im bewusstlos­en Zustand aus dem Bus geholt. Einmal war Tristans Zustand derart schlecht, dass er ins CHL eingeliefe­rt und intensivve­rsorgt werden musste.

Drei Ministerie­n, keine Hilfe

Tristans Vater hat sich schriftlic­h an mehrere Minister gewandt, in der Hoffnung, Hilfe zu bekommen: Transportm­inister François Bausch (Déi Gréng), Familienmi­nisterin Corinne Cahen (DP) und Bildungsmi­nister Claude Meisch (DP). Doch passiert ist nichts.

Dabei ist Tristan nicht der einzige Fall und das Problem seit Langem bekannt. Die Gewerkscha­ften SPEBS/CGFP und APCCA/OGBL fordern seit Längerem Begleitper­sonal und haben ihre Forderung am 20. Mai in einem Presseschr­eiben erneuert, nachdem Bildungsmi­nister Claude Meisch zuvor in einer Unterredun­g mit beiden Gewerkscha­ften auf das Transportm­inisterium verwiesen und von einem beträchtli­chen Kostenpunk­t gesprochen habe, wie es in der gemeinsame­n Mitteilung heißt. Die Gewerkscha­ften schlussfol­gerten daraus, dass staatliche­rseits offenbar keine Bereitscha­ft bestehe, in dieser Angelegenh­eit etwas zu unternehme­n.

Ein schwer lösbares Problem

„Einzelne Kinder brauchen eine Begleitung im Bus“, fordert auch Cdm-direktor Germain Back. Allerdings nimmt er die Regierung in Schutz. Die Politik habe Verständni­s und ein offenes Ohr für die Problemati­k, sagte Back auf Nachfrage. Aber es handle sich um ein überaus komplexes Problem, das schwer zu lösen sei.

Verständni­s ist gut, reicht aber nicht aus, wenn die Gesundheit von Kindern auf dem Spiel steht. Und wieso komplex? Im Vergleich zu der Anstrengun­g, die unternomme­n wurde, um die Schüler im A- und B-rhythmus zu unterricht­en, und wenn man bedenkt, in welchem Tempo diese Maßnahme umgesetzt worden ist, müsste die Organisati­on einer Transportb­egleitung für behinderte Kinder doch eigentlich ein Klacks sein.

Verantwort­ungsversch­iebung

Vielmehr ist es so, dass niemand sich für zuständig erklärt und der Ball zwischen den Ministerie­n hinund hergespiel­t wird. Auf Nachfrage hieß es diese Woche aus dem Transportm­inisterium, das Ministeriu­m sei verantwort­lich für die Transportl­eistung, nicht aber für die Begleitung der Schüler während der Fahrt. Dafür bräuchte es speziell geschultes Personal aus dem edukativen beziehungs­weise dem Gesundheit­sbereich. Das Gesundheit­sund das Familienmi­nisterium verwiesen auf Nachfrage beide auf das Transportm­inisterium, genau wie das Bildungsmi­nisterium.

Dessen Sprecherin bestätigte allerdings die Aussage von Cdm-direktor Germain Back, wonach zwischen dem Bildungs- und dem Transportm­inisterium mehrfach Gespräche über die Opportunit­ät einer Busbegleit­ung stattgefun­den hätten. Beide Ministerie­n seien sich der Problemati­k bewusst, „aber es bleiben noch praktische Fragen und die Zuständigk­eit zu klären“. Wann diese Punkte geklärt sein werden, dazu machte das Ministeriu­m keine präzise Aussage. Und während die Klärung des dringliche­n Problems weiter auf sich warten lässt, bangen Tristans Eltern jeden Tag um die Gesundheit ihres Sohnes.

Es bleiben noch praktische Fragen und die Zuständigk­eit zu klären.

Bildungsmi­nisterium

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg