Abstand und Nähe
der nahe ist, spricht der Herr, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? (Jeremia 23, 23)
Wie ist das mit Nähe und Distanz? Schon das menschliche Miteinander zeigt: Natürlich ist es schön, wenn man sich ohne Maske unterhalten kann, oder gar umarmen. Erzwungene Nähe kann auch nerven. Wenn alle in Quarantäne zu Hause bleiben müssen und die Decke auf den Kopf zu fallen droht.
Neu Skepsis wagen
Sicher sucht der Glaubende die Nähe Gottes – im Gebet, durch Meditation, in den Worten der Bibel, in der Musik oder der Natur. Oder unter dem Kirchendach, in der Gemeinschaft der Gläubigen. Aber auch Distanz zu Gott ist wichtig. Wer sich seines eigenen Glaubens gar zu sicher wähnt, riskiert nur seine eigenen Interessen im Blick zu haben. Ist Gott nur ein Gott der Nähe und nicht auch ein Gott der Ferne?
Gerade in Zeiten, da Nähe und Distanz neu ausbalanciert werden müssen, hat dieses Gotteswort etwas Tröstliches. Gott erschließt sich nicht nur durch Nähe und Wärme, sondern auch im Abstand respektvoller Ehrfurcht. Mose, der das Angesicht Gottes sehen wollte, muss erfahren, dass er der Wucht Gottes nicht gewachsen war.
So eine göttliche Abstandsregel hat auch etwas Gutes. Sie lehrt eine prinzipielle Skepsis allen Predigern und Propheten gegenüber. Sie sind wohl zu hören, weil sie versuchen, Orientierung zu geben für die nächsten Schritte in die Zukunft. Diese Skepsis aber ist kein Misstrauen, sondern Ausdruck des Glaubens. Eines Glaubens, der sich allein von Gott leiten lassen will. Und der sich bewusst ist: Um den richtigen Weg muss ich mit Gott und meinen Glaubensgeschwistern ringen, immer neu! Nähe trotz Abstand!
Wer sich seines eigenen Glaubens gar zu sicher wähnt, riskiert nur seine eigenen Interessen im Blick zu haben.