Luxemburger Wort

Die Frage nach der Sexsucht

Prozess um Missbrauch von Minderjähr­igen: Psychiater haben unterschie­dliche Ansichten

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Luxemburg. Jahrelang hatte ein mittlerwei­le suspendier­ter Lehrer und Direktions­beauftragt­er des Lycée technique de Bonnevoie auf Datingplat­tformen für Homosexuel­le minderjähr­ige Jungen angeschrie­ben und sie daraufhin für sexuelle Kontakte bezahlt. Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft hatte zum Abschluss der Verhandlun­g im November vergangene­n Jahres eine zehnjährig­e Haftstrafe gegen den 46-jährigen Mann gefordert. Zu einem Urteilsspr­uch war es im Januar allerdings nicht gekommen. Vielmehr wurde die Verhandlun­g gestern wieder aufgenomme­n. Dabei ging es darum, zu klären, ob Christian R. sexsüchtig ist oder nicht.

Der psychiatri­sche Gutachter hatte bereits im November vergangene­n Jahres erklärt, dass der Beschuldig­te wohl eine Anziehung für jugendlich­e Körper habe, allerdings weder pädophil noch sexsüchtig sei. Gestern blieb er bei diesen Aussagen. Der Angeklagte habe keine mentale Krankheit und sei demnach voll schuld- und straffähig.

Der Experte betonte, dass Christian R. sein normales Leben stets

Das Urteil wird am 30. Juli gesprochen. weiterführ­en konnte und in seinem Berufslebe­n normal funktionie­rte. Dies sei bei einer Abhängigke­it aber nicht der Fall. Ohnehin gebe es laut der aktuellen Klassifika­tion der Krankheite­n und Gesundheit­sprobleme, wie sie von der Weltgesund­heitsorgan­isation festgehalt­en wurde, keine sexuelle Abhängigke­it. Im Bereich der Sexualität könne man demnach höchstens von Impulsen sprechen, die ein Mensch nicht kontrollie­rt. In diesem konkreten Fall würde dies jedoch ebenfalls nicht zutreffen.

Den Worten des Experten widersprac­h der behandelnd­e Psychiater des Beschuldig­ten. Er verglich das Verhalten von Christian R. zur Sexualität mit jenem eines Alkoholike­rs. Eine Abhängigke­it könne man sehr gut von der Außenwelt verstecken. Weiter betonte er, dass sein Patient durch eine Therapie bereits Fortschrit­te im Umgang mit seinem Problem gemacht habe.

Bewusste Wahl

Ob der Angeklagte allerdings sexsüchtig ist oder nicht, sei nicht der springende Punkt, erklärte der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft unterdesse­n. Ihm werde nämlich nicht vorgeworfe­n, seine Impulse nicht kontrollie­rt zu haben, sondern bewusst minderjähr­ige Sexpartner ausgewählt zu haben, nur weil diese einfacher zu finden und billiger gewesen seien. „Was mich von Anfang an gestört hat, ist die Attitüde des Angeklagte­n. Ich habe den Eindruck, dass er die Schwere der Taten noch immer nicht verstanden hat“, erklärte er. Er halte denn auch an seiner Strafforde­rung – einer zehnjährig­en Haftstrafe – fest.

Die Richter der Kriminalka­mmer geben ihr Urteil am 30. Juli bekannt. SH

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