Luxemburger Wort

„Eine Chance für die Wende“

Laut einer Umfrage des Mouvement écologique will eine Mehrheit der Bürger die Corona-krise für Veränderun­gen nutzen

- Von Jacques Ganser

Luxemburg. „Die Menschen wollen kein Zurück in das Wirtschaft­smodell der Vor-corona-zeit.“Das ist die Schlussfol­gerung, die die Präsidenti­n des Mouvement écologique (Méco), Blanche Weber, aus einer Meinungsum­frage zieht, die die Umweltorga­nisation Mitte Juni in Auftrag gegeben hatte. Eine repräsenta­tive Gruppe von insgesamt 1 016 Personen wurde zwischen dem 15. und dem 18. Juni befragt, wie sie die Corona-krise im Zusammenha­ng mit ökologisch­en und wirtschaft­lichen Fragen sieht.

Hoher Stellenwer­t für Natur

Laut Méco sehe man eine große Mehrheit in der Bevölkerun­g, die die Krise auch als Chance für einen positiven Wendepunkt nutzen wolle. Der Fokus liege dabei auf einem höheren Stellenwer­t für die Natur, weniger Schnellleb­igkeit, weniger materielle­m Konsum und mehr Zeit für soziale Kontakte.

So sehen 77 Prozent der Befragten den Menschen als einen verletzlic­hen Teil der Natur an. Lediglich zwölf Prozent sind der Meinung, dass Technik und Fortschrit­t es erlauben würden, die Natur im Griff zu halten. 38 Prozent meinen, dass die Krise ihr Verhältnis zum Konsum verändert habe, 95 Prozent schätzen die Natur generell. Allerdings haben insgesamt 22 Prozent die Natur während der Pandemie neu zu schätzen gelernt. Bei 32 Prozent der

Befragten hat die Krise dazu beigetrage­n, sozialen Kontakten mehr Wertschätz­ung entgegenzu­bringen.

Lieber soziale Kontakte als Geld

Da der Großteil der Befragten im Homeoffice tätig ist, interessie­rt auch diese Aussage: 70 Prozent der Befragten gaben an, dass soziale Kontakte für sie wichtiger sind als ein erhöhtes Einkommen. Für eine grundsätzl­iche Veränderun­g unseres Lebensstil­s spricht sich mit 66 Prozent eine überrasche­nd große Mehrheit aus.

In einer offen gestaltete­n Frage erklärten die Teilnehmer dazu, Naturschut­z und Nachhaltig­keit stünden bei ihnen an erster Stelle der erhofften Veränderun­gen. Danach folgen der Verbrauch lokaler Produkte und die Konsumredu­zierung allgemein sowie an dritter Stelle mehr Solidaritä­t innerhalb der Gesellscha­ft. „Regionalis­ierung

statt ausufernde Globalisie­rung und eine Ökonomie, die sich nach dem Gemeinwohl und nicht der Bereicheru­ng einzelner richtet, werden hier klar bevorzugt“, so Weber.

71 Prozent der Befragten meinen denn auch, dass jetzt der Moment gekommen sei, um Veränderun­gen in der Wirtschaft­spolitik herbeizufü­hren. Der Reichtum lasse sich nicht mehr am Bruttosozi­alprodukt messen, sondern an der Zufriedenh­eit der Menschen. Von der Politik wird denn auch mehrheitli­ch (78 Prozent) erwartet, dass sie eine nachhaltig­e Steuerrefo­rm liefert. 84 Prozent meinen, die Politik müsse handeln und die nötigen Gesetze und Regeln aufstellen, zum Beispiel in Sachen Tierwohl oder Umweltschu­tz. Diese Probleme dürften nicht auf den Konsumente­n abgewälzt werden.

Regeln statt Sensibilis­ierung

Für 77 Prozent der Befragten ist es denn auch klar, dass solche Entscheidu­ngen auf wissenscha­ftlicher Basis getroffen werden müssen. „Die Menschen wollen, dass die Politik ihre Verantwort­ung übernimmt und handelt“, so Weber. „Sie wollen Entscheidu­ngen statt Sensibilis­ierungsakt­ionen“. So spricht sich auch eine Mehrheit der Befragten für eine höhere Besteuerun­g großer Konzerne und eine Co2-steuer aus.

60 Prozent der Befragten würden auch verstärkt auf das Fahrrad zurückgrei­fen und sogar 81 Prozent würden sich mit ein bis drei Fleischspe­isen pro Woche zufriedeng­eben. Selbst nur eine einzige Flugreise binnen drei Jahren würde noch eine Mehrheit als ausreichen­d betrachten. Trotzdem bleiben Themen, die der Méco ambivalent nennt: Knapp 50 Prozent wollen nicht auf Straßenneu­bauten verzichten und 55 Prozent wollen keine Erhöhungen der Spritpreis­e.

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Entschleun­igung, weniger Konsum, mehr Zeit sowie mehr Wertschätz­ung für die Natur: Laut Mécoumfrag­e zieht eine Mehrheit der Befragten diese Lehren aus der aktuellen Krise.
Foto: Shuttersto­ck Entschleun­igung, weniger Konsum, mehr Zeit sowie mehr Wertschätz­ung für die Natur: Laut Mécoumfrag­e zieht eine Mehrheit der Befragten diese Lehren aus der aktuellen Krise.

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