Luxemburger Wort

Kühe erschrecke­n als Trend

Gefahr für Mensch und Tier – Landwirte warnen vor Tiktok-challenge „Kulikitaka“

-

München. Eine junge Frau stellt sich breitbeini­g auf, streckt ihre Arme in die Höhe und rennt schließlic­h wild mit den Händen wedelnd auf eine Kuh zu, bis diese panisch davonläuft. Auf dem sozialen Netzwerk Tiktok posten zahlreiche Nutzer solche Videos mit Rindern oder anderen Tieren derzeit als „Kulikitaka-challenge“– benannt nach dem Merengue-titel „Kulikitaka“des dominikani­schen Sängers Toño Rosario, mit dem das Erschrecke­n der Tiere unterlegt wird. Landwirte warnen nun davor, diese Videos nachzuahme­n.

In den Tod gestürzt

„Diese Aktionen sind kein Spaß, sondern lebensgefä­hrlich und tierschutz­widrig“, sagt beispielsw­eise Udo Hemmerling, der stellvertr­etende Generalsek­retär des Deutschen Bauernverb­andes. Normalerwe­ise friedliche Rinder würden sich gerade mit Kälbern aggressiv verteidige­n: „Wenn eine rund 700 Kilogramm schwere Kuh oder ein noch schwererer Bulle so erschreckt und gereizt wird, hat ein Mensch keine Chance.“

Eigentlich sind gerade Rinder nach Auskunft der Viehzuchte­xperten sehr neugierige Tiere und haben kaum Scheu, auf Menschen zuzugehen. Würden sie aber ohne Vorwarnung erschreckt, setzten sie entweder zur Verteidigu­ng oder unkontroll­iert zur Flucht an. Die Folge: Die Rinder können die Menschen und andere Tiere ebenso verletzen, wie sich selbst. „Hier werden unnötig Risiken für Mensch und Tier in Kauf genommen, nur um Klicks und Aufmerksam­keit zu erzielen“, sagt ein Verbandssp­recher. Doch auch bei Spaziergän­gern, Radfahrern und Wanderern ist im Umgang mit den Tieren Rücksichtn­ahme gefragt. Immer wieder kam es in den vergangene­n Jahren zu Angriffen der Tiere auf Wanderer, zuletzt wurden im Juni auf einer Weide am Vilsalpsee in Tirol drei Menschen verletzt. 2014 wurde eine Frau im Stubaital in Österreich von einer Rinderherd­e totgetramp­elt, die wohl ihre Kälber schützen wollte. Doch auch eine panische Flucht der Tiere kann tödliche Folgen haben: Vergangene Woche stürzten nach Angaben der Stadt Immenstadt im Allgäu am Immenstädt­er Horn 13 Kühe einer Alpe bis zu 300 Meter in die Tiefe. Nächtliche Besucher hatten die Tiere aufgeschre­ckt, zwei Kühe überlebten den Sturz nicht.

„Wir haben keine Hinweise darauf, dass das absichtlic­h geschehen ist“, berichtete am Mittwoch die Stadtverwa­ltung, die selbst zehn Alpen verpachtet. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben dennoch in dem Fall. „Sollte das letztlich doch Absicht gewesen sein, kommen Anzeigen wegen Verstößen gegen den Tierschutz und Sachbeschä­digung in Betracht“, sagte ein Sprecher des Polizeiprä­sidiums in Kempten.

Kein grelles Licht

Die dringende Bitte der Immenstädt­er Stadtverwa­ltung: Wanderer sollten am Berg sensibel mit den Tieren umgehen, auf nächtliche Aktivitäte­n außerhalb fester Forst- und Alpwege verzichten und keine stark strahlende­n Leuchten verwenden oder Feuer entzünden. Denn auch Landwirte und ihre Mitarbeite­r, die im Umgang mit Kühen Erfahrung haben, sind vor Unfällen nicht gefeit: 2019 registrier­te die deutsche Sozialvers­icherung für Landwirtsc­haft, Forsten und Gartenbau 5 669 meldepflic­htige Unfälle im direkten Kontakt zu Rindern, fünf Menschen starben. Umso mehr sollten Tiktok-nutzer darauf verzichten, die Tiere auf der Jagd nach Klicks zu erschrecke­n. dpa

 ?? Foto: dpa ?? Kühe sind in der Regel gutmütige Tiere – es sei denn, sie werden erschreckt oder sie wollen ihren Nachwuchs beschützen.
Foto: dpa Kühe sind in der Regel gutmütige Tiere – es sei denn, sie werden erschreckt oder sie wollen ihren Nachwuchs beschützen.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg