Luxemburger Wort

Zum Erfolg verdammt

- Von Roland Arens

Nach zehn Jahren Funkstille hat die Tripartite, die historisch­e Konsensmas­chine des Luxemburge­r Sozialdial­ogs, eine neue Bewährungs­chance erhalten – und erst einmal bestanden. Zum erfolgreic­hen Verlauf der Marathonsi­tzung am Freitag trug am Ende auch die weitgehend­e Einigkeit zwischen Regierung, Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften zur Analyse der Situation bei. Die wirtschaft­lichen Auswirkung­en der Covid-19-Krise dürften in ihrem Ausmaß nicht geringer sein als jene der Stahlkrise in den 1970er- und 1980er-Jahren oder der Finanz- und Wirtschaft­skrise, die 2010 zu einer erfolglose­n Tripartite-Runde führte.

Erst im Lauf der nächsten Monate wird die Rezession als Folge von Lockdown und Déconfinem­ent in ihrem vollen Ausmaß sichtbar werden. Sie wird die Luxemburge­r Wirtschaft in ihrer ganzen Breite treffen, Unternehme­n ebenso wie Beschäftig­te. Beispiel Gastronomi­e- und Gaststätte­ngewerbe: Wochenlang haben Cafés und Restaurant­s darauf hingearbei­tet, um endlich wieder Gäste bewirten zu können. Jetzt finden sich viele Betriebe in einer Situation wieder, in der sie mit halber Kapazität arbeiten dürfen und die Kundschaft ausbleibt, auch infolge von Telearbeit. Beispiel Luxair: Ist es realistisc­h anzunehmen, dass der Flugbetrie­b innerhalb von Wochen oder Monaten wieder auf Vor-Corona-Niveau ansteigen wird, um die bestehende Flotte auszulaste­n? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Ohne Zweifel haben der Erfolgsdru­ck und die noch längst nicht überstande­ne Covid-19-Krise dazu beigetrage­n, dass sich die Sozialpart­ner in dieser ersten Tripartite-Runde auf ein erstes Maßnahmenp­aket verständig­t haben. Niemand wollte sich am Ende den Schwarzen Peter zuschieben lassen, nicht kompromiss­bereit gewesen zu sein. Zudem war allen Beteiligte­n wohl bewusst, dass es nur ein sehr schmales Fenster gibt, um sich gegen den ab Herbst drohenden wirtschaft­lichen Einbruch zu wappnen. Selbst am Geld sollte es diesmal nicht scheitern. Eine historisch hohe Staatsschu­ld von über 30 Prozent der Wirtschaft­sleistung des Landes war schon vor der Tripartite-Sitzung als Konsens quasi eingepreis­t. Die Staatsfina­nzen müssen sich dem Ziel unterordne­n, so viele Arbeitsplä­tze wie möglich zu erhalten und damit Kaufkraft und Steuereinn­ahmen zu sichern.

Sogar die Wachstumsd­ebatte stellt sich nach drei Monaten des wirtschaft­lichen Stillstand­s urplötzlic­h in einem ganz anderen Licht dar. Statt Wachstum zu lenken und zu gestalten ist jetzt Ankurbeln das Gebot der Stunde. Daraus ergibt sich letztlich auch die Notwendigk­eit, einen zweiten Lockdown unbedingt zu vermeiden. Vor allem Klein- und Mittelunte­rnehmen haben in den letzten Wochen enorme Anstrengun­gen unternomme­n, um sich irgendwie über Wasser zu halten, auch dank Kurzarbeit­sregelunge­n und vorübergeh­end ausgesetzt­en Kreditzahl­ungen. Ihre Existenz steht auf Messers Schneide und viele würden eine erneute flächendec­kende Schließung nicht verkraften. Wenn der Neustart der Wirtschaft gelingen soll, dann werden den ersten Beschlüsse­n der Tripartite ab der Rentrée im September noch weitere folgen müssen.

Den ersten Beschlüsse­n der Tripartite werden noch weitere folgen müssen.

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