Luxemburger Wort

Alles Wurst

Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hat sich bei Tönnies gegen ein fettes Honorar verdingt – Seiner Partei bekommt das nicht

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

Manuela Schwesig kotzt. Und sie tut es vor großem Publikum. Ein bisschen flapsig ist dieses sprachlich­e Bild dafür, dass jemand Wut nicht nur empfindet, sondern auch herausläss­t. Und im Fall der einstigen stellvertr­etenden SPD-Chefin und amtierende­n Ministerpr­äsidentin von Mecklenbur­g-Vorpommern ist es zusätzlich ein bisschen heikel; Schwesig hat gerade eine Krebsthera­pie erfolgreic­h überstande­n. Nichts aber trifft präziser, wie Schwesig am Donnerstag­abend bei „Maybritt Illner“ihrem Ex-Parteivors­itzenden Sigmar Gabriel Bescheid gibt. Sie sagt: „Das geht gar nicht.“Und ihr Blick wie ihr Ton transporti­eren mindestens leichten Ekel.

„Das“ist ein Vertrag, den Gabriel – von 2007 bis 2019 SPD-Chef, außerdem dreifacher Ex-Bundesmini­ster für die Ressorts Umwelt, Wirtschaft und Außenpolit­ik – mit dem Fleischkon­zern Tönnies geschlosse­n und drei Monate lang erfüllt hat. Von Anfang März bis Ende Mai dieses Jahres bekam Gabriel „als Berater“, so ein Tönniesint­ernes Papier, 10 000 Euro Pauschalho­norar pro Monat, außerdem war je Reisetag ein vierstelli­ger Betrag obenauf vereinbart. Es war ein Arrangemen­t direkt mit dem Chef Clemens Tönnies. Entdeckt hat das Geschäft das ARDMagazin „Panorama“– und Gabriel selbst hat es bestätigt.

Unbestreit­barer Schaden

Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, wie die aktuellen SPDOberen auf diesen Deal des ExChefs reagieren. Erst Schnappatm­ung in der Parteizent­rale und diversen Staatskanz­leien, dann geht es los. „Befremdlic­h und peinlich“, giftet Schwesigs niedersäch­sischer Kollege Stephan Weil. Das knallt, weil, erstens, Gabriel auch einer von Weils Amtsvorgän­gern ist – und, zweitens, Weil zu solcher Schärfe nicht neigt. Die Gabriel-Nachfolger Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans lassen wissen, dass Ex-Vorsitzend­e der Partei keinerlei Rechenscha­ft schuldeten, wem sie nach ihrer Demission zu Diensten seien. Um dann tief Luft zu holen für ein fettes Aber: „Für jeden aufrechten Sozialdemo­kraten ergibt sich dabei aus unseren Grundwerte­n, an wessen Seite man sich begibt und wo man besser Abstand hält.“Was nur heißen kann, dass Gabriel kein aufrechter Sozialdemo­krat ist.

So sehen das auch SPD-Mitglieder weit ab von den Anführern. „Meine Frau“, berichtet am Freitagmor­gen ein Berliner Genosse, „hat nur gesagt: ,Jetz’ trittsde aus’.“Der Mann ringt noch mit sich. Aber schon das ist der Beweis, dass Stephan

Weil richtig liegt: „Der politische Schaden für die SPD ist unbestreit­bar.“

Nicht, dass Gabriel der erste Spitzen-Sozialdemo­krat wäre, der sich als „Genosse der Bosse“wohler fühlt als im Ortsverein. Vor ihm hat sich das Label Altbundesk­anzler Gerhard Schröder erworben, aus Niedersach­sen und Ex-Ministerpr­äsident dort auch er. Schröder liebte die Gesellscha­ft der Wirtschaft­selite – und wurde nur Tage nach seinem Ausscheide­n aus dem Bundestag Ende 2005 Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Nord Stream AG, einer Mehrheitst­ochter des russischen Staatskonz­erns Gazprom. Schröders Ansehen hat das schwer ramponiert; mindestens.

Individuel­ler Profit statt Solidaritä­t

Dem Altkanzler ist das gleich. Zumindest tut er so. Dass mindestens die Hälfte der noch knapp 440 000 SPD-Mitglieder glaubt, er habe mit seinen „Agenda 2010“genannten Sozialrefo­rmen die Partei ruiniert – das empört ihn. Und er bestreitet es, wo er nur kann.

Das politisch interessie­rte Publikum aber traut der SPD seit der Agenda nicht mehr über den Weg.

Ihr Personal kann sich noch so abplagen, kann am Donnerstag sogar der Union die Grundrente gegen Altersarmu­t abzwingen: Wenn am selben Tag die Gabriel-TönniesCon­nection publik wird, dann ist das für die SPD Pech – für die Wähler aber der Beleg, dass „die Sozen“Solidaritä­t vielleicht predigen, aber individuel­len Profit vorziehen.

Der Berliner Genosse sagt, besser als er müsse eigentlich Gabriel die Partei verlassen. Der klingt nicht, als sähe er einen Anlass dafür. „Für normale Menschen“, belehrt er die Kritiker, „sind 10 000 Euro viel Geld. Aber in der Branche ist das kein besonders hoher Betrag.“Und im Übrigen: „Tönnies macht nichts Verbotenes.“

Die Bulgaren und Rumänen, die bei Tönnies für Billigstlo­hn im Akkord schuften, dürften Gabriels Ansichten für ignorant halten und für demütigend; indes: An ihnen werden sie eher vorbeigehe­n. Die deutschen Wähler aber registrier­en aufmerksam, wie dem gerade noch amtierende­n Führungspe­rsonal der schon nicht mehr amtierende­n Arbeiterpa­rtei SPD alles Wurst ist. Vorneweg ihre einstige Klientel.

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Foto: dpa Sigmar Gabriel war Berater beim Fleischkon­zern Tönnies.

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