Luxemburger Wort

Aufklärung als „moralische Verpflicht­ung“

Die türkische Justiz rollt den brutalen Mord an dem saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi auf

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Istanbul. Mehr als anderthalb Jahre nach dem brutalen Mord an dem regierungs­kritischen saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi hat in Istanbul ein Prozess gegen 20 Verdächtig­e begonnen. Das Gericht verhandelt gegen die Angeklagte­n, allesamt saudische Staatsbürg­er, jedoch in deren Abwesenhei­t. Zum Auftakt befragte es Khashoggis türkische Verlobte Hatice Cengiz, wie Prozessbeo­bachter des Internatio­nal Press Institute gestern berichtete­n. Das Verfahren hat eine starke politische Bedeutung, da die Türkei und Saudi-Arabien Rivalen sind.

Glaubwürdi­ge Hinweise

Ein Sonderkomm­ando aus der saudischen Hauptstadt Riad hatte Khashoggi am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul brutal getötet, als er Papiere für seine geplante Hochzeit abholen wollte. Von seinem Leichnam fehlt bis heute jede Spur. Die saudische Regierung räumte den Mord auf internatio­nalen Druck ein. Kronprinz Mohammed bin Salman, der faktische Herrscher im Königreich, bestritt aber, die Tötung selbst angeordnet zu haben.

Die UN-Sonderberi­chterstatt­erin Agnès Callamard kam hingegen in einem Untersuchu­ngsbericht zu dem Schluss, dass es glaubwürdi­ge Hinweise auf eine mögliche persönlich­e Verantwort­ung des Kronprinze­n und anderer ranghoher Vertreter Saudi-Arabiens gebe. Weltweit stieß der brutale Mord an Khashoggi auf scharfe Kritik.

Auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte mehrfach, höchste saudische Kreise seien in die Tat involviert gewesen. Schon direkt nach der Tat setzte die Türkei Saudi-Arabien mit regelmäßig­en neuen Details zu dem Mord öffentlich unter Druck. Die beiden Staaten sind Rivalen in der Region. So ist die Türkei eng mit dem Emirat Katar verbündet, gegen das Saudi-Arabien eine Blockade verhängt hat.

Khashoggi wurde laut türkischer Anklagesch­rift im Konsulat strangulie­rt, seine Leiche dann zerstückel­t. Der Staatsanwa­lt kommt zu dem Schluss, dass von Anfang an geplant gewesen sei, den Journalist­en zu ermorden, sollte er nicht einwillige­n, nach Saudi-Arabien gebracht zu werden. Er widerspric­ht damit der saudischen Darstellun­g, wonach es zunächst keine Absichten zum Mord gab. Bereits im Vorfeld sei auch die Vertuschun­g des Mordes geplant worden, so der Staatsanwa­lt.

Kashoggi pflegte lange enge Beziehunge­n zum saudischen Königshaus, fiel dann aber in Ungnade. 2017 ging er in die USA. Aus dem Exil äußerte er sich immer wieder kritisch zur saudischen Führung, vor allem in Kolumnen für die „Washington Post“.

Bei den Hauptangek­lagten handelt es sich laut Anklagesch­rift um Saud bin Abdullah al-Kahtani und

Ahmed al-Asiri. Al-Kahtani ist ein ehemaliger Berater des saudischen Kronprinze­n bin Salman und gilt als einer seiner engsten Vertrauten. Nicht zuletzt wegen dieser Verbindung kamen Beobachter zu dem Schluss, dass auch der Kronprinz in den Fall verwickelt sein muss.

Am 24. November geht es weiter

Laut der saudischen Staatsanwa­ltschaft wurde Al-Kahtani befragt, mangels Beweisen aber im Königreich nicht angeklagt. Ahmed alAsiri ist ein ehemaliger stellvertr­etender Geheimdien­stchef. Die beiden Männer sollen die 18 übrigen Angeklagte­n zum vorsätzlic­hen Mord unter Folter angestifte­t haben, wie es in der türkischen Anklagesch­rift heißt.

Am ersten Prozesstag befragte das Gericht nach Angaben von Beobachter­n neben Cengiz auch Yasin Aktay, Politiker der in der Türkei regierende­n AKP und Freund Khashoggis. Cengiz hatte die Anklage im Voraus als „guten Schritt in Richtung Gerechtigk­eit“bezeichnet. Die nächste Verhandlun­g

ist für den 24. November angesetzt, wie der Anwalt von Cengiz sagte.

Ein Gericht in Saudi-Arabien hatte im Dezember fünf Männer im Fall Khashoggi zum Tode verurteilt. Allerdings blieb die Öffentlich­keit von dem Verfahren weitestgeh­end ausgeschlo­ssen. Drei weitere Angeklagte erhielten Haftstrafe­n von insgesamt 24 Jahren. Die Namen der Angeklagte­n sollten unter Verschluss bleiben, bis die Urteile rechtskräf­tig sind.

Besonders die Todesurtei­le riefen Proteste auf den Plan. Scharfe Kritik kam etwa aus der Türkei, aus der EU und von den Vereinten Nationen. Es sei weit davon entfernt, die Erwartunge­n der Türkei und der internatio­nalen Gemeinscha­ft zu erfüllen, hieß es in einer Erklärung des Außenamts in Ankara. Die Aufklärung des Mordes auf türkischem Boden sei eine „moralische Verpflicht­ung“. Neben der Kritik an der Verhängung von Todesstraf­en monierten viele, dass die wahren Täter weiterhin auf freiem Fuße seien. dpa

Das Verfahren hat eine starke politische Bedeutung.

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