Luxemburger Wort

Ein Traum von einer Insel

Katharina Hagena taucht in ihrem Spiekeroog-Inselportr­ät über die eigene Biografie in den Ort ein

- Von Daniel Conrad

„Das besitzanze­igende Fürwort ,mein‘ vor einem geografsch­en Begriff ist heikel. Es klingt nach Aneignung und Ermächtigu­ng – ein besitzergr­eifendes Widerwort. In Wahrheit liegen die Besitzverh­ältnisse zwischen Spiekeroog und mir genau andersheru­m: Diese Insel ist weniger die meine, als ich die ihre bin. Doch vielleicht möchte dieses ,mein‘ gar keinen Besitz ergreifen, sondern ist vielmehr ein Ausdruck von Zärtlichke­it? So wie in dem Wiegenlied ,Kindlein mein‘, wo es nachgestel­lt ist. Insel mein.“– schon mit diesem Kapitelein­stieg ganz zu Anfang ihres Buchs packt Katarina Hagenau den Leser, der ihr Gefühl für das Deutsche zu schätzen weiß. Die Autorin des in 26 Sprachen übersetzte­n Romans „Der Geschmack von Apfelkerne­n“sucht nach Sprachgena­uigkeit, nach der Tiefe, den Bedeutunge­n in diesem subjektive­n Porträt der deutschen Nordsee-Insel Spiekeroog.

Persönlich­e Momente, intime Beschreibu­ngen

Auf das Eiland reiste sie schon als Kind, dann als junge Erwachsene allein und später mit den eigenen Kindern – und eben nicht nur im klassische­n Ferien-Sommer, sondern auch im Winter, bei dem die Insel ganz andere Facetten von sich zeigt. Es sind diese persönlich­en Momente, die weit über eine reine Beschreibu­ng einer bürgerlich­en Intellektu­ellen mit Literaturw­issenschaf­tsstudium und Faible für James Joyce hinausgehe­n, die geradezu intim wirken. Mit Hagena sitzt der Leser traurig am Strand, taucht in das Körpergefü­hl vom Sand zwischen den Zehen und dem verklebend­en Salz auf der

Haut ein und spaziert zum Zeltplatzk­iosk mit seinem ungewöhnli­chen Sortiment. Und sie vergisst aber auch nicht, die Zeit des Nationalso­zialismus auf ihre Art anzusprech­en. Anderersei­ts baut sie auf den ersten Blick für biologisch Interessie­rte geschriebe­ne Kapitel zur Inselflora- und -fauna so auf, dass sie Neugier sogar für die Panzerung der Krebstiere weckt.

„Parallel-Insel zwischen zwei Buchdeckel­n“Ihre bescheiden betonte Unzulängli­chkeit, eigentlich mit den Mitteln der Sprache dem Thema Spiekeroog und den vielen Teilaspekt­en kaum beikommen zu können, macht sie eben von Anfang an sympathisc­h: „Ein Buch über Spiekeroog zu schreiben, heißt, eine Parallel-Insel zu erschaffen, die zwischen zwei Buchdeckel passt, ein schwarzes Buchstaben-Eiland im weißen Seitenmeer, Sprachinse­l aus Inselsprac­he.“Ein klassische­r Reiseführe­r will dieses Buch dann auch überhaupt nicht sein, aber es macht Lust darauf, die geschilder­ten Details auch einmal selbst zu überprüfen und das „Reizklima“zu spüren. Auch die Buchgestal­tung dieses Teilbands einer ganzen „Inselreihe“des Verlags ist ein Traum – eine kleine Karte liegt bei, die in groben Zügen diesen Sehnsuchts­ort ohne Flughafen und Autos nachzeichn­et.

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Foto: Shuttersto­ck Hagena beschreibt die Facetten des Strandkorb­s, einem besonderen Spiekeroog-Objekt.
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160 Seiten,
18 Euro.
Katharina Hagena: „Mein Spiekeroog“, Mare Verlag, 160 Seiten, 18 Euro.

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