Kommunikation ist komplex
In „Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden“von Malcolm Gladwell geht Wesentliches unter
„Fremde sind nicht einfach zu verstehen“: Diese Erkenntnis soll man aus dem Buch „Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden“von Malcolm Gladwell ziehen. Anhand von historischen und zeitgenössischen Begebenheiten, Vorfällen, Prozessen und psychologischen Tests widmet er sich intensiv der Frage, warum sich Menschen oftmals nicht verstehen. Mit vielen Dokumenten und Analysen möchte er sensibilisieren und hinterfragen, wobei Wesentliches in diesem komplexen Dickicht oft untergeht.
Immer wieder Missverständnisse
Gladwells Buch handelt davon, warum die Menschen schlechte Dolmetscher sind. Das betrifft die Sprache von Vertrauten, aber in noch stärkerem Maße die Sprache von Fremden. Jedes Kapitel widmet sich dem modernen Muster der sozialen Interaktion. Anhand von realen Beispielen beschreibt der Journalist, wie die Kommunikation oft scheitert und Menschen nicht in der Lage sind zu erkennen, wenn Fremde lügen; wie Menschen die Worte der anderen immer wieder falsch deuten. Neville Chamberlain glaubte nach den Treffen mit Adolf Hitler, dass es keinen Krieg geben wird; die CIA ließ sich von Castros Spionen täuschen, und die Studentin Amanda Knox wurd lange Zeit des Mordes an einer Kommilitonin verdächtigt, weil sie sich wie eine Lügnerin verhielt.
Malcolm Gladwell schreibt, dass unsere Instrumente und Strategien, mit denen wir andere Menschen verstehen wollen, nicht funktionieren. Er dokumentiert akribisch Gespräche und Abläufe und ordnet sie in politische, gesellschaftliche oder juristische Zusammenhänge ein. Die enormen Detailkenntnisse sind Beleg aufwendiger Recherchen. Doch darin gehen dann seine Bewertungen unter oder werden nicht tiefer analysiert. Stattdessen reihen sich die Beispiele der missglückten Interaktionen aneinander. Kommunikation scheitert, weil sich Menschen nicht kennen, weil die Erwartungen und Empfindungen des Anderen
nicht bekannt sind und weil Menschen Probleme beim Einschätzen haben. Das ist keine neue Erkenntnis. Seine eigenen Gedanken spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle ebenso wie mögliche Tipps, dieses Denken und Verhalten zu ändern.
Wir reden aneinander vorbei
Gladwell führt aus, dass wir uns von Fremden täuschen lassen, untermauert seine Aussage mit Erkenntnissen des Psychologen Tim Levine und führt als Beispiel den Anlagebetrüger Bernie Madoff auf, dem viele Menschen ihr Geld anvertrauten und dann leer ausgingen, als das Schneeballsystem aufflog. Er liefert dann einige Gegenbeispiele für seine Behauptung, wie die Arbeit von Whistleblower oder die Kinder in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Doch warum hinterfragt er seine Eingangsthese, wir würden automatisch davon ausgehen, dass andere Menschen uns die Wahrheit sagen, nicht tiefergehender? Denn angesichts der vielen Falschmeldungen und aktuellen Betrügereien
ist die menschliche Skepsis vielleicht größer geworden.
Diese unausreichende Argumentation betrifft auch die Bewertung von Verhalten. Hier befasst sich Gladwell mit dem „Mythos der Durchschaubarkeit“, laut dem die Aufrichtigkeit eines Menschen nach seinem Benehmen zu beurteilen ist. Das sei Unsinn, schreibt der Journalist. Aber das ist ebenso zu wenig, wie eines seiner Fazits: „Unsere moderne Gesellschaft ist nur möglich, weil wir von anderen das Beste annehmen. Wenn unser Vertrauen missbraucht wird, ist das zwar tragisch, doch es wäre schlimmer, wenn wir nicht mehr vertrauen, um uns vor Betrug und Täuschung zu schützen.“