Der Bikini, eine Erfolgsgeschichte
Trotz holprigen Starts ist der Zweiteiler aus den 1940er-Jahren nicht mehr aus der Sommergarderobe wegzudenken
Das Schlimmste, was einem Modedesigner passieren kann, widerfuhr Louis Réard im Jahr 1946: Nur wenige Tage vor der Präsentation seiner allerneuesten Badebekleidung – mit der er vorhatte, die gesamte Branche zu revolutionieren – kam ein Konkurrent mit der gleichen Idee auf den Markt. Der Pariser Modepapst Jacques Heim stellte seine Kreation „Atome“der Weltöffentlichkeit als „die kleinste Bademode der Welt“vor.
Der ehemalige Automechaniker Réard war allerdings ein PR-Genie und nutzte den Werbespruch des Konkurrenten geschickt für sein eigenes Produkt: Am 5. Juli 1946 präsentierte er seinen „Bikini“genannten Zweiteiler kurzerhand als „kleiner als die kleinste Bademode der Welt“. Und das stimmte sogar, denn den Besuchern des Pariser Schwimmbades Molitor klappte angesichts des Kleidungsstücks erst einmal die Kinnlade herunter: So wenig Stoff in der Öffentlichkeit zu präsentieren, hatte sich zuvor noch niemand getraut. Auch die Models, die sich damals noch Mannequins nannten, lehnten entrüstet ab.
So kam es, dass die RevueTänzerin Micheline Bernardini die Kreation vorstellte, die deutlich weniger Haut bedeckte als Heims „Atome“. Verruchterweise ließ Réards Bikini erstmals den Bauchnabel unbedeckt – damals ein Tabubruch. Auch hinten zeigte die Trägerin nun sehr viel mehr Haut als alle bis zu diesem Zeitpunkt vorgestellten Zweiteiler.
Befremdliche Namenswahl
Réard war klar, dass die Moralapostel nicht begeistert sein würden, und er rechnete von Anfang an mit dem PR-Effekt der öffentlichen Entrüstung. Aber er verrechnete sich. Die Zeitschriften erwähnten das „schamlose“neue Kleidungsstück nur am Rande, wenn überhaupt. Im HollywoodKino verbot ein strenger Moralkodex, der Hays-Production-Code von 1930, derart „Unzüchtiges“auf der Leinwand. Selbst in Rio de Janeiro gründete sich 1947 ein AntiBikini-Verein. Das Geschäft lief für Louis Réard bald sogar so schlecht, dass er wieder Knickerbocker entwerfen musste, die er in der Boutique seiner Mutter verkaufte, um über die Runden zu kommen.
Den Namen „Bikini“fand damals übrigens kaum jemand anstößig. Réard hatte ihn gewählt, weil er hoffte, sein Bikini würde „einschlagen wie eine (Atom-) Bombe“. Die war damals in aller Munde, denn nur wenige Tage vor der Präsentation in Paris hatten im Bikini-Atoll der Marshallinseln die ersten Atomwaffentests der Nachkriegszeit stattgefunden. Heute würde wohl niemand mehr auf die Idee kommen, seine Bademode nach einem Atomwaffentestgelände zu benennen.
Die Zeiten änderten sich. Schon in den 1950er-Jahren empfand man den Hays-Code in Hollywood vielfach als nicht mehr zeitgemäß. In den 1960er-Jahren machte die Sexuelle Revolution ihm dann endgültig den Garaus. Die Zeit des Minirocks und des Bikinis war gekommen. Brigitte Bardot zeigte sich bei den Filmfestspielen von Cannes im Bikini, Marilyn Monroe, Rita Hayworth und Elizabeth Taylor trugen ihn im Film. Unvergessen ist bis heute Raquel Welchs Steinzeit-Bikini aus Fell und Leder, den sie 1966 im Film „One Million Years B.C.“trug, und natürlich der Bikini, in dem Ursula Andress in „James Bond – Dr. No“schon 1962 den Fluten entstieg. Erst zwei Jahre zuvor hatte Brian Hyland mit dem Song „Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini“weltweit die Charts gestürmt. Kein Wunder also, dass bald zahlreiche Varianten auf den Markt kamen.
Aber auch die Materialien haben sich im Laufe der Zeit geändert. Während die ersten Bikinis noch aus Baumwolle und Jersey gefertigt waren, konnten bald Kunstfasern durch ihr geringes Gewicht und die schnelle Trocknung überzeugen. Das dehnbare Elastan erhöhte die Passform schon Anfang der 1960er-Jahre. Und inzwischen kommt mancher Bikini sogar aus dem 3D-Drucker. Wer hätte das vor über 70 Jahren gedacht?
Heute würde wohl niemand auf die Idee kommen, seine Bademode nach einem Testgelände für Atomwaffen zu benennen.