„Eine Schande“
Widerstand gegen Abriss eines Nebengebäudes von Schloss Heisdorf
Heisdorf. Ruhig und beschaulich geht es normalerweise auf dem Bering des Maredoc-Seniorenheims in Heisdorf zu. Doch seit die Abrissarbeiten an den Nebengebäuden des Schlosses begonnen haben, kann von Idylle keine Rede mehr sein. „Es ist eine Schande, was hier passiert“, sagt Karin Waringo, Mitglied der 1 595 Anhänger zählenden Facebook-Gruppe „Luxembourg under destruction – Mir wëllen hale, wat mir hunn“. Die Demolierung stößt ihr sauer auf.
Vergangenes Jahr lag dem Kulturministerium ein Antrag auf Denkmalschutz für die ehemaligen Pferdeställe vor. Der Eigentümer, der Orden der Schwestern der Christlichen Lehre, dem das Schloss samt Bering seit 104 Jahren gehört, hat jedoch andere Pläne: Die beiden Gebäude sollen Platz machen für einen Neubau für Demenzkranke.
Schloss mit Geschichte
Zur Erinnerung: Das heutige Schloss wurde im Jahre 1888 fertiggestellt. Erbauerin und Besitzerin war Lina Nathan, die Witwe von Léon Lippmann. Die Eheleute hatten das Schloss zehn Jahre zuvor gekauft, doch als Léon Lippmann 1883 verstarb, ließ seine Witwe das bestehende Gebäude abreißen und in der heute bekannten Art neu errichten.
Die eigentliche Geschichte reicht allerdings weiter in die Vergangenheit zurück. Das vorherige Schloss entstand Mitte des 17. Jahrhunderts und befand sich in einem schlechten Zustand, als es in den Besitz des Ehepaars Lippmann-Nathan gelangte. Die noch bestehenden ehemaligen Stallungen deuten heute noch auf ihren Ursprung hin. Über einem der Eingangstore befindet sich eine Inschrift mit der Jahreszahl 1645. Dem aufmerksamen Beobachter entgeht ebenfalls nicht, dass nicht alles an den Gebäulichkeiten aus dieser Zeit stammt.
Im Jahr 1916 wurden die Besitztümer vom Orden der Schwestern der Christlichen Lehre erworben. Durch wiederholte Um- und Neubauten von zusätzlichen Gebäuden ist in den vergangenen Jahrzehnten das Seniorenheim Maredoc entstanden.
Die Scheune war von 2008 bis 2018 durch den allgemeinen Bebauungsplan (PAG) geschützt. Dieser Schutz wurde im September 2018 durch die Gemeinde aufgehoben.
Bedauern im Kulturministerium
Kulturministerin Sam Tanson (Déi Gréng), die mit dem Dossier befasst war, bedauert die jetzige Situation extrem: „Ich war vergangenes Jahr vor Ort, mit dem Eigentümer, Vertretern des Service des sites et monuments nationaux sowie der Gemeinde Steinsel. Obwohl dem Eigentümer mehrere Vorschläge unterbreitet wurden, um den Abriss zu verhindern, war schnell klar, dass er an Alternativen nicht interessiert war.“
Und: „Dies ist ein Beispiel, das wieder einmal zeigt, wie Luxemburg dem Denkmalschutz schon Jahrzehnte lang hinterherrennt.“Laut Tanson sollten auch die Gemeinden Verantwortung übernehmen. Die Gemeinde Steinsel habe sich für den Abriss entschieden – aus Sicherheitsgründen. Sie will den Schulweg, der an der langen Mauer entlang führt, sicherer gestalten.
Petition 1638
Die Facebook-Gruppe „Luxembourg under destruction – Mir wëllen halen, wat mir hunn“hat unterdessen eine Petition lanciert, die auf der Webseite der Abgeordnetenkammer eingesehen und bis zum 6. August signiert werden kann. Es ist ein Dringlichkeitsappell für den Schutz des architektonischen Erbes in Luxemburg. Darin machen die Initiatoren darauf aufmerksam, dass während das Gesetzesprojekt in der Prozedur ist, die Zerstörung von erhaltenswerten Zeitzeugen munter weitergeht.
Ziel der Petition ist es, dass die Autoritäten sofortige Maßnahmen einleiten können, um einen endgültigen Verlust des architektonischen Erbes zu verhindern. Wie in anderen Ländern müsse der Schutz von Altbauten die Regel sein, der Abriss die Ausnahme.
Identität erhalten
Des Weiteren wird mehr Transparenz gefordert: Der Zugang zu Informationen betreffend Bauvorhaben, Umbauprojekte und Abrisse soll erleichtert werden.
Geht es nach der FacebookGruppe, sollte die Sensibilisierung für Wichtigkeit und Erhalt des architektonischen Erbes in den Schulen beginnen. Dazu Karin Waringo: „Geschichte und Identität gehen verloren. Was sollen wir unseren Kindern und den Touristen noch zeigen, wenn alles abgerissen ist?“Als positives Beispiel führt sie Schloss Ansemburg an, das seine Türen regelmäßig für Besucher öffnet.
Was sollen wir Kindern und Touristen noch zeigen, wenn alles abgerissen ist? Karin Waringo, Denkmalschützerin