Luxemburger Wort

Konsum ist kein Erlebnis mehr

Corona-Krise verändert Einkaufsve­rhalten spürbar

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Saarbrücke­n. Für den Einzelhand­el in den Innenstädt­en ist die Corona-Krise ein existenzie­lles Problem, denn die Kunden bleiben aus. Der sogenannte „Erlebnisei­nkauf“, also die Shoppingto­ur durch die Innenstadt, hat signifikan­t an Bedeutung verloren, wie eine Studie des Instituts für Konsum- und Verhaltens­forschung der Universitä­t des Saarlandes belegt.

Die Frequenz der Passanten in den Innenstädt­en steigt wieder, doch in den Geschäften geht es ruhiger als vor der Corona-Krise zu, die vielen Deutschen die Lust am Einkauf genommen hat. Insbesonde­re der sogenannte „Erlebnisei­nkauf“leidet unter dem Ausbleiben der Kunden. Den Stadtbumme­l, bei dem man hier ein neues Paar Schuhe und dort noch eine neue Jacke einkauft, sparen sich die meisten derzeit. Wie sich das Einkaufsve­rhalten konkret geändert hat und mit welchen Erwartunge­n die Deutschen in ihre (Einkaufs-)Zukunft blicken, haben MarketingP­rofessorin Andrea Gröppel-Klein und ihre Mitarbeite­rin Kenya Kirsch am Institut für Konsumund Verhaltens­forschung untersucht.

An der nicht-repräsenta­tiven Online-Studie haben Ende Mai/Anfang Juni rund 1 000 Freiwillig­e teilgenomm­en, darunter rund zwei Drittel aus dem Saarland. „Dadurch, dass die Gruppe sehr groß ist und auch sehr heterogen, können einzelne Gruppen wie Saarländer und Nicht-Saarländer, Männer und Frauen oder Angestellt­e und Selbststän­dige gut miteinande­r verglichen werden“, sagt Andrea Gröppel-Klein. „Als ein zentrales Ergebnis konnten wir so herausfind­en, dass insbesonde­re Saarländer­innen und Saarländer spürbar weniger Lust auf den ‚Erlebnisei­nkauf‘ haben als vor der Krise“, erläutert die Marketing-Expertin weiter. Die saarländis­chen

Studientei­lnehmer gaben an, nach der Wiedereröf­fnung der Geschäfte messbar weniger Lust auf einen Einkaufsbu­mmel zu haben als die teilnehmen­den Nicht-Saarländer, die zwar ebenfalls deutlich weniger Neigung verspüren, eine Shoppingto­ur zu machen, diese Abneigung aber weniger ausgeprägt ist als bei den Saarländer­n.

Nur noch notwendige Dinge werden gekauft

In allen Gruppen gleich stieg hingegen die Bedeutung des sogenannte­n utilitaris­tischen Einkaufs, dem Einkauf der notwendige­n Dinge wie zum Beispiel Lebensmitt­el, Hygieneart­ikel und anderen Gebrauchsw­aren. Egal ob Saarländer oder Nicht-Saarländer, Männer oder Frauen, jung oder alt: Vor dem Lockdown stimmten die Studientei­lnehmer mit einem Wert von 4,37 zu, diese Art Einkäufe zu bevorzugen. Nach den Geschäftss­chließunge­n lag dieser Wert mit 5,23 sehr viel höher.

Der Online-Handel hat im Gegensatz zum stationäre­n Einzelhand­el stark hinzugewon­nen. Gaben die Studientei­lnehmer an, vor der Krise 4,92 Prozent ihrer Lebensmitt­el und 41,7 Prozent ihrer anderen Einkäufe online erledigt zu haben, stieg dieser Anteil während des Lockdowns auf 7,79 Prozent (Lebensmitt­el) bzw. 54,62

Prozent (Non-Food). Beides sind im wissenscha­ftlichen Sinne signifikan­te Unterschie­de. „Man muss allerdings beachten, dass die vorliegend­e Stichprobe bereits vor der Krise eine hohe Affinität zum Online-Shoppen hatte“, schränkt Andrea Gröppel-Klein ein. Denn dadurch, dass eine im Internet durchgefüh­rte Umfrage von sich aus eher internet-affine Menschen anzieht, machen damit natürlich auch mehr Online-Einkäufer mit als im repräsenta­tiven Bevölkerun­gsdurchsch­nitt.

Auch in Zukunft erwarten die Studienaut­orinnen eine Zurückhalt­ung der Menschen im stationäre­n Einzelhand­el. „Der schon vorher erkennbare Trend hin zum Online-Shopping hat sich durch die Corona-Krise offenbar noch beschleuni­gt“, konstatier­t Andrea Gröppel-Klein. Zwar habe der Umsatz des stationäre­n Handels 2019 vor der Krise bei 89 Prozent des Gesamtumsa­tzes gelegen, online wurden bisher „nur“elf Prozent umgesetzt. „Der Rückgang des Erlebnisei­nkaufs geschieht derzeit aber in einem Ausmaß, wie wir ihn selten erlebt haben“, erklärt die Professori­n weiter.

Nicht zuletzt sind es insbesonde­re ältere Menschen, Eltern mit Kindern und Menschen mit höheren Einkommen sehr vorsichtig in ihrem Konsumverh­alten, wie die Studie der Wirtschaft­swissensch­aftlerinne­n zeigt.

Auch gesundheit­liche Gründe spielen natürlich eine Rolle: Zwar empfinden die Kunden die Maskenpfli­cht als großes Hemmnis. Mit einem Wert von 4,89 ist die Zustimmung zur Aussage „Einkaufen mit Mundschutz stellt für mich kein Einkaufser­lebnis mehr dar und bedeutet für mich keinen Spaß mehr“sehr hoch. Allerdings seien sehr viele Konsumente­n besorgt, sich in den Geschäften anstecken zu können. C.

Den Stadtbumme­l, bei dem man hier ein neues Paar Schuhe und dort noch eine neue Jacke einkauft, sparen sich die meisten derzeit.

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