Luxemburger Wort

Am Puls des Volkes

Die Anzahl öffentlich­er Petitionen nimmt weiter zu – Neue Webseite soll im Herbst Bürgerbete­iligung vereinfach­en

- Von Morgan Kuntzmann

Immer wieder ist von Politikver­drossenhei­t die Rede. Mehr und mehr Bürger haben das Gefühl, dass über ihre Köpfe hinweg regiert wird. Sie glauben, dass Entscheidu­ngen hinter verschloss­enen Türen unter Ausschluss der Betroffene­n fallen. Mehr Transparen­z sowie bessere TeilnahmeM­öglichkeit­en können dem entgegenwi­rken. „Petitionen sind das ideale Medium, um die Distanz zwischen den Bürgern und der Politik zu verringern“, erklärt die Vorsitzend­e des Petitionsa­usschusses, Nancy Arendt (CSV), in einem Telefonint­erview.

Das Werkzeug der direkten Demokratie, welches seit 2014 im Großherzog­tum existiert, scheint auch bei den Bürgern gut anzukommen. „Mit 299 eingereich­ten öffentlich­en Petitionen, von denen 188 zulässig waren, haben wir das letzte Jahr den Rekord gebrochen“, freut sich Arendt. Arbeit, Mobilität und Umwelt sind nach wie vor die drei dominieren­den Themen der eingegange­nen Petitionsa­nträge.

Politik gestalten

Der Kritik, dass die Petitionsk­ommission eine Alibi-Kommission sei und nur wenig Einfluss auf die Gesetzgebu­ng hat, widerspric­ht Nancy Arendt. „Ich gebe zu, dass es schwierig ist die Mindestgre­nze von 4 500 Unterschri­ften zu erreichen. Aber selbst wenn diese nicht geknackt wird, kann man bei bestimmten Themen konkrete Fortschrit­te beobachten.“Rezente Beispiele: die härtere Bestrafung für das Wegwerfen von Müll in die Umwelt, der Vaterschaf­tsurlaub und die Möglichkei­t für Motorradfa­hrer, während des Lockdowns weiter Motorradto­uren zu unternehme­n. Diese drei Ideen wurden in öffentlich­en Petitionen vorgebrach­t und von den jeweiligen Ministerie­n aufgegriff­en. Doch auch den Politikern helfe der regelmäßig­e Austausch mit den Antragstel­lern. „Es treten Probleme zutage, die man sonst nicht sieht“, so Arendt. Besonders die öffentlich­e Anhörung um den AdaptoFahr­dienst für Menschen mit Behinderun­gen scheint ein Beispiel dafür zu sein.

Obwohl die Regierung bereits dem Petitionsa­ntrag, den AdaptoBefö­rderungsdi­enst, wie den öffentlich­en Transport, gratis anzubieten, stattgab, wollte die Petitionär­in, dass die Anhörung trotzdem abgehalten werde. Es ging der Antragstel­lerin und den Betroffene­n

nicht allein um die Unentgeltl­ichkeit, sondern auch darum, dass Dinge verbessert werden. Mithilfe konkreter Schilderun­gen durch die Initiatori­n konnten sich die Politiker ein Bild des Alltags der Leidtragen­den machen. „Man sieht, dass Petitionär­e mit öffentlich­em Druck ihre Ziele erreichen können“, erklärt die Ausschussv­orsitzende.

Trotz einer Verbesseru­ng der Situation für die Betroffene­n setzt sich die Chamber in dieser Angelegenh­eit weiter ein. „Die Transportk­ommission wird mit ArgusAugen darauf achten, dass dem Ersuchen vollständi­g Rechnung getragen wird.“Während die Zahl der eingereich­ten Petitionen innerhalb eines Jahres um 50 gestiegen ist, nahm auch die Zahl der unzulässig­en Petitionen zu. 37,2 Prozent der Ersuchen wurden vom Ausschuss für unzulässig erklärt. Diskrimini­erende und rassistisc­he Petitionen werden von vorneherei­n für unzulässig erklärt. „Anträge müssen auch immer wieder abgelehnt werden, da nicht dieselbe Petition innerhalb eines Jahres gestellt werden darf“, so Arendt.

Um die Menschen dazu zu animieren ihre Ideen noch stärker an das Parlament heranzutra­gen, wurden bereits Veränderun­gen an der Internetse­ite durchgefüh­rt. Während die Webpräsenz des Luxemburge­r Parlaments nur auf Französisc­h existiert, ist die Petitionss­eite

in allen drei Amtssprach­en vorhanden. Doch weitere Veränderun­gen sollen folgen, erklärt Arendt. „Wir werden im Herbst eine eigene Internetse­ite für Petitionen vorstellen“. Mit dieser Website, die vollständi­g den Bittschrif­ten gewidmet sein wird, soll dieser Mechanismu­s der breiten Öffentlich­keit noch besser zugänglich gemacht werden und Bürgern, die Petitionen verfassen möchten, mehr Unterstütz­ung bieten.

Ebenfalls sind für den Herbst bereits zwei öffentlich­e Anhörungen vorgesehen. Die eine betrifft das Recht auf Telearbeit, während die andere Bittschrif­t den Ausbau des 5G-Mobilfunkn­etzes verhindern möchte.

 ?? Foto: Anouk Antony ?? Nancy Arendt (r.) und Chamberprä­sident Fernand Etgen (Zweiter v. r.) während der öffentlich­en Anhörung der Petitionär­e zum Recht auf Leitungswa­sser in der Gastronomi­e im November letzten Jahres im Parlament.
Foto: Anouk Antony Nancy Arendt (r.) und Chamberprä­sident Fernand Etgen (Zweiter v. r.) während der öffentlich­en Anhörung der Petitionär­e zum Recht auf Leitungswa­sser in der Gastronomi­e im November letzten Jahres im Parlament.

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