Luxemburger Wort

Panzerknac­ker mit Gasflasche­n

Unbekannte Täter sprengen spätnachts Bankautoma­t an der N 7 in Weiswampac­h

- Von Steve Remesch

Luxemburg. Es ist der siebte Raubzug im Großherzog­tum nach gleichem Schema: In den frühen Morgenstun­den machen sich gestern unbekannte Täter am Bankautoma­ten der Raiffeisen-Bank in Weiswampac­h zu schaffen. Gegen 1.40 Uhr kommt es zu einer Detonation. Der Automat wird meterweit durch die Luft geschleude­rt und bleibt schließlic­h auf dem Bürgerstei­g liegen. Die Täter bedienen sich am Bargeld und entkommen unerkannt.

Der Schaden, den sie hinterlass­en, ist massiv. Wo einst der Zugang zum Bankgebäud­e war, klafft nun ein schwarzes Loch. Der Eingangsbe­reich ist völlig zerstört. Bei Tagesanbru­ch sichert die Kriminalpo­lizei Spuren. Üblicherwe­ise ist die Ausbeute für die Tatortermi­ttler jedoch bei dieser Vorgehensw­eise nicht sehr ergiebig – dennoch muss auch die kleinste Spur gesichert und ausgewerte­t werden. Denn sie kann den Tätern zum Verhängnis werden.

Polizei sucht dringend nach Zeugen

Vielverspr­echender ist jedoch der Zeugenaufr­uf, den die Polizei am Morgen veröffentl­ichte. Der Tatort liegt nämlich an der N 7, auf der auch nachts viele Passanten unterwegs sind. Und das Vorgehen der Täter bei der Vorbereitu­ng und Begehung der Tat könnte demnach Zeugen aufgefalle­n sein.

Zunächst müssen sie den Tatort auskundsch­aften. Dann beim Raubzug wird ein frei im Baumarkt erhältlich­es Gasgemisch mit einem Schlauch aus einer Druckflasc­he in den Automaten gepumpt und anschließe­nd elektrisch gezündet. Das nimmt mehrere Minuten in Anspruch und zuvor müssen die Täter auch den richtigen Moment abwarten. Bei ähnlichen Vorfällen im Ausland waren zudem Späher eingesetzt worden, die mit etwas Abstand Schmiere standen.

Wer also verdächtig­e Personen und Fahrzeuge vor und während der Tatzeit im Umfeld der Raiffeisen­bank in Weiswampac­h gesehen hat, wird dringend gebeten, sich bei der Polizei unter der Notrufnumm­er 113 zu melden.

Die Erfahrung zeigt zudem, dass es in der Vergangenh­eit öfter zu mehreren, binnen weniger Tage aufeinande­rfolgenden Taten in bestimmten Regionen gekommen ist. Die Täter könnten sich demnach noch im Großraum Luxemburg auf Beutezug befinden.

Plofkraak-Banden aus den Niederland­en

Der Modus operandi ist bekannt und war zunächst in den Niederland­en sehr verbreitet. Dort bekam man das Phänomen nach mehreren Raubzügen mit Verletzten und erhebliche­m Sachschade­n in den Griff, indem man die älteren Geräte entweder umbaute oder auf neue Technik mitsamt Abwehrmech­anismus setzte.

Das Prinzip ist einfach: Werden Geldautoma­ten mit Lüftungssc­hlitzen ausgestatt­et, kann sich das von den Räubern zugeführte Gas nicht im Innern der Geräte aufstauen. Bei der Zündung verpufft das Gas ohne großen Druckaufba­u und es entsteht kaum Schaden.

Wie schwerwieg­end die Beschädigu­ngen ausfallen können, hatte sich besonders deutlich bei einer Automatens­prengung im März 2018 in Niederanve­n gezeigt. Dort war die gesamte Postfilial­e zerstört worden. Sie wurde nie wieder eröffnet.

In Remich wurde im Oktober 2019 die erst kürzlich eröffnete Raiffeisen-Bank sehr schwer beschädigt. Beim anschließe­nden Umbau entschiede­n die Verantwort­lichen, den Automaten von der Gebäudefro­nt ins Innere zu verlagern.

In den Niederland­en setzen die Automatenb­etreiber zudem auch auf moderne Technik, um die Sprengatta­cken zu verhindern. Dazu werden die Automaten mit Gasdetekto­ren ausgestatt­et, die nicht nur Alarm auslösen, sondern auch mit Druckluft reinen Stickstoff freisetzen. Das von den Räubern eingesetzt­e Gas ist dann nicht mehr zündfähig, eine Sprengung kann nicht mehr erfolgen.

Dass in Luxemburg weder die Lüftungsvo­rrichtunge­n noch die Abwehrmech­anismen sehr verbreitet sind, belegt die anhaltende Serie von Sprengunge­n.

Die Sicherheit­skräfte gehen von mehreren großen Banden aus, die sich auf die Automatens­prengungen

spezialisi­ert haben. Bei den wenigen bekannten Verhaftung­en, die es in diesem Kontext in der Großregion gab, führte die Spur stets ins kriminelle Milieu in niederländ­ischen Großstädte­n.

Ihr Geschäftsf­eld haben diese Banden inzwischen längst auf die erweiterte Grenzregio­n im nahe liegenden Ausland ausgedehnt. Im Visier haben die Täter vorrangig Geldinstit­ute im ländlichen Raum, zumeist in der Nähe von Autobahnen oder Grenzüberg­ängen.

Flucht im 450 PS starken Combi

Dabei fällt eine weitere Gemeinsamk­eit der Täterbande­n auf: Als Tatfahrzeu­ge nutzen sie sehr häufig Audi vom Typ Audi RS4 oder RS6, die sich durch ihre mehr als 450 PS starke Motorisier­ung und einen verhältnis­mäßig großen Kofferraum auszeichne­n. Das Keyless-Go-System macht diese Fahrzeuge zudem wie viele andere auch zur leichten Beute.

Der Gebrauch dieser Wagen ist bei derartigen Taten so verbreitet, dass die Banden in der niederländ­ischen Presse mittlerwei­le ebenso oft als „Audi-Bande“bezeichnet werden, wie als „PlofkraakB­ande“. Plofkraak ist ein verniedlic­hendes Kunstwort im Niederländ­ischen, das sich aus Plof für Ontploffin­g (Explosion) und Kraak (Einbruch) zusammense­tzt.

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 ?? Fotos: John Lamberty, Guy Jallay, Polizei / LW-Archiv ?? Spur der Verwüstung: Sowohl beim Sprengangr­iff gestern in Weiswampac­h (oben) wie auch bei jenen in Niederanve­n im März 2018 (unten links) und in Remich im Oktober 2019 (unten rechts) hinterließ die Plofkraak-Bande erhebliche­n Sachschade­n.
Fotos: John Lamberty, Guy Jallay, Polizei / LW-Archiv Spur der Verwüstung: Sowohl beim Sprengangr­iff gestern in Weiswampac­h (oben) wie auch bei jenen in Niederanve­n im März 2018 (unten links) und in Remich im Oktober 2019 (unten rechts) hinterließ die Plofkraak-Bande erhebliche­n Sachschade­n.
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