Panzerknacker mit Gasflaschen
Unbekannte Täter sprengen spätnachts Bankautomat an der N 7 in Weiswampach
Luxemburg. Es ist der siebte Raubzug im Großherzogtum nach gleichem Schema: In den frühen Morgenstunden machen sich gestern unbekannte Täter am Bankautomaten der Raiffeisen-Bank in Weiswampach zu schaffen. Gegen 1.40 Uhr kommt es zu einer Detonation. Der Automat wird meterweit durch die Luft geschleudert und bleibt schließlich auf dem Bürgersteig liegen. Die Täter bedienen sich am Bargeld und entkommen unerkannt.
Der Schaden, den sie hinterlassen, ist massiv. Wo einst der Zugang zum Bankgebäude war, klafft nun ein schwarzes Loch. Der Eingangsbereich ist völlig zerstört. Bei Tagesanbruch sichert die Kriminalpolizei Spuren. Üblicherweise ist die Ausbeute für die Tatortermittler jedoch bei dieser Vorgehensweise nicht sehr ergiebig – dennoch muss auch die kleinste Spur gesichert und ausgewertet werden. Denn sie kann den Tätern zum Verhängnis werden.
Polizei sucht dringend nach Zeugen
Vielversprechender ist jedoch der Zeugenaufruf, den die Polizei am Morgen veröffentlichte. Der Tatort liegt nämlich an der N 7, auf der auch nachts viele Passanten unterwegs sind. Und das Vorgehen der Täter bei der Vorbereitung und Begehung der Tat könnte demnach Zeugen aufgefallen sein.
Zunächst müssen sie den Tatort auskundschaften. Dann beim Raubzug wird ein frei im Baumarkt erhältliches Gasgemisch mit einem Schlauch aus einer Druckflasche in den Automaten gepumpt und anschließend elektrisch gezündet. Das nimmt mehrere Minuten in Anspruch und zuvor müssen die Täter auch den richtigen Moment abwarten. Bei ähnlichen Vorfällen im Ausland waren zudem Späher eingesetzt worden, die mit etwas Abstand Schmiere standen.
Wer also verdächtige Personen und Fahrzeuge vor und während der Tatzeit im Umfeld der Raiffeisenbank in Weiswampach gesehen hat, wird dringend gebeten, sich bei der Polizei unter der Notrufnummer 113 zu melden.
Die Erfahrung zeigt zudem, dass es in der Vergangenheit öfter zu mehreren, binnen weniger Tage aufeinanderfolgenden Taten in bestimmten Regionen gekommen ist. Die Täter könnten sich demnach noch im Großraum Luxemburg auf Beutezug befinden.
Plofkraak-Banden aus den Niederlanden
Der Modus operandi ist bekannt und war zunächst in den Niederlanden sehr verbreitet. Dort bekam man das Phänomen nach mehreren Raubzügen mit Verletzten und erheblichem Sachschaden in den Griff, indem man die älteren Geräte entweder umbaute oder auf neue Technik mitsamt Abwehrmechanismus setzte.
Das Prinzip ist einfach: Werden Geldautomaten mit Lüftungsschlitzen ausgestattet, kann sich das von den Räubern zugeführte Gas nicht im Innern der Geräte aufstauen. Bei der Zündung verpufft das Gas ohne großen Druckaufbau und es entsteht kaum Schaden.
Wie schwerwiegend die Beschädigungen ausfallen können, hatte sich besonders deutlich bei einer Automatensprengung im März 2018 in Niederanven gezeigt. Dort war die gesamte Postfiliale zerstört worden. Sie wurde nie wieder eröffnet.
In Remich wurde im Oktober 2019 die erst kürzlich eröffnete Raiffeisen-Bank sehr schwer beschädigt. Beim anschließenden Umbau entschieden die Verantwortlichen, den Automaten von der Gebäudefront ins Innere zu verlagern.
In den Niederlanden setzen die Automatenbetreiber zudem auch auf moderne Technik, um die Sprengattacken zu verhindern. Dazu werden die Automaten mit Gasdetektoren ausgestattet, die nicht nur Alarm auslösen, sondern auch mit Druckluft reinen Stickstoff freisetzen. Das von den Räubern eingesetzte Gas ist dann nicht mehr zündfähig, eine Sprengung kann nicht mehr erfolgen.
Dass in Luxemburg weder die Lüftungsvorrichtungen noch die Abwehrmechanismen sehr verbreitet sind, belegt die anhaltende Serie von Sprengungen.
Die Sicherheitskräfte gehen von mehreren großen Banden aus, die sich auf die Automatensprengungen
spezialisiert haben. Bei den wenigen bekannten Verhaftungen, die es in diesem Kontext in der Großregion gab, führte die Spur stets ins kriminelle Milieu in niederländischen Großstädten.
Ihr Geschäftsfeld haben diese Banden inzwischen längst auf die erweiterte Grenzregion im nahe liegenden Ausland ausgedehnt. Im Visier haben die Täter vorrangig Geldinstitute im ländlichen Raum, zumeist in der Nähe von Autobahnen oder Grenzübergängen.
Flucht im 450 PS starken Combi
Dabei fällt eine weitere Gemeinsamkeit der Täterbanden auf: Als Tatfahrzeuge nutzen sie sehr häufig Audi vom Typ Audi RS4 oder RS6, die sich durch ihre mehr als 450 PS starke Motorisierung und einen verhältnismäßig großen Kofferraum auszeichnen. Das Keyless-Go-System macht diese Fahrzeuge zudem wie viele andere auch zur leichten Beute.
Der Gebrauch dieser Wagen ist bei derartigen Taten so verbreitet, dass die Banden in der niederländischen Presse mittlerweile ebenso oft als „Audi-Bande“bezeichnet werden, wie als „PlofkraakBande“. Plofkraak ist ein verniedlichendes Kunstwort im Niederländischen, das sich aus Plof für Ontploffing (Explosion) und Kraak (Einbruch) zusammensetzt.