Unter Nachbarn
Bauherren der geplanten Seniorenresidenz in Diekirch sehen sich zu Unrecht angeprangert und blockiert
Diekirch. Im Gesprächsraum der „Immo Weydert & Welter“hat sich der große Traum der Diekircher Gemeindeführung längst schon erfüllt: Von der Projektentwicklungsgesellschaft aus Kehlen nach den Bedürfnissen der Kommune ersonnen, glänzt hier in Miniaturausführung ein denkmalschutzgerecht zur Maison relais umgestaltetes altes Pensionat und gleich daneben eine 37 Wohnungen umfassende Seniorenresidenz für bis zu 74 ältere oder mobil eingeschränkte Personen.
Zwei Vorhaben, die an der Rue de l’Hôpital in Diekirch dereinst als intergenerationelles Vorzeigeprojekt ein großes Ganzes ergeben sollen. So weit, wie gesagt, der Traum. Denn die Wirklichkeit sieht bisher anders aus und spielt sich zurzeit statt auf der Baustelle nur allzu oft in Anwaltsschreiben oder Gerichtssälen ab. Dies zuletzt Ende Juni, als ein in Nachbarschaft zu der geplanten Seniorenresidenz wohnhaftes Ehepaar vor dem Verwaltungsgericht eine vorläufige Aussetzung der Baugenehmigung für den Komplex erwirken konnte.
Die Gretchenfrage des öffentlichen Nutzens
Ihr Hauptargument: Die Schaffung, wenn auch betreuter, so doch privater Wohnungen könne nicht öffentlichen Nutzens sein und gehöre also nicht in eine ausgewiesene „zone de bâtiments et d’équipements collectifs d’utilité publique“(BEP). Das Projekt verstoße demnach gegen den Flächennutzungsplan (PAG). Einmal abgesehen davon, dass der Bau in Ausmaß und Form nicht in einen kommunal geschützten Ortssektor passe und ihre Wohnqualität als Nachbarn beeinträchtige.
Eine Position, die offenbar aus Sicht des Gerichts zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung aufwirft, die bei den Bauherren Pierre Weydert und Tom Welter aber nur ratloses Staunen und reichlich Ärger hinterlässt. „Noch vor Planungsbeginn hatten sowohl die Gemeinde als auch wir juristisch überprüfen lassen, dass der Bau von
Wohnungen des Typs Logement encadré in einer BEP-Zone durchaus möglich ist. Das wurde auch drei Jahre lang von keiner Behörde, von keinem Kläger und keiner Gemeinderatsfraktion in Frage gestellt. Bis die Nachbarn nun pünktlich zum Auftakt der ersten Arbeiten eine Anfechtungsklage führen“, wundert sich Tom Welter.
Noch verwunderter zeigt er sich über die richterliche Begründung für die nun verhängte Aussetzung der Baugenehmigung. „Die gesamte Sprache des Urteils lässt erahnen, dass das Funktionsprinzip des Betreuten-WohnenProjekts nicht richtig verstanden und damit auch der öffentliche Nutzen nicht erkannt wird“, meint Welter.
So werde mal von einer Résidence de service gesprochen, mal der Vergleich zu einer Maison de retraite gezogen, die es als solche aber gar nicht mehr gebe, da sie 1998 gesetzlich durch die drei gleichermaßen anerkannten Wohnformen
des Logement encadré, des Centre intégré pour personnes âgées und der Maison de soins abgelöst worden sei, für deren Betriebszulassung der Staat denn auch den gesetzlichen Rahmen geschaffen habe.
„Vom Staat gewollt, vom Gesetzgeber geregelt“
„Ziel des Staats war es damals ja eben, eine Teilprivatisierung der Seniorenbetreuungsstrukturen zu erreichen, um der öffentlichen Hand bei der dringend benötigten Schaffung angemessenen Wohnraums für ältere Menschen unter die Arme zu greifen. Und nichts anderes tun wir hier“, sagt Tom Welter.
Dabei sei eine Anzweiflung des öffentlichen Nutzens des Projekts umso absurder, wenn dieser Zweck andernorts gar einer privat betriebenen Biogasanlage zuerkannt werde, oder etwa mit dem Konviktsgaard oder den Wohneinheiten op der Rhum längst auch
Pierre Weydert: „Ich weiß nicht, was wir noch tun sollen.“
Tom Welter: „Das Konzept wurde offenbar nicht richtig verstanden.“
andere betreute Wohnstrukturen in BEP-Zonen lägen.
Mit Blick auf Wohnqualität und geschützten Bausektor hält Welter den Klägern derweil eine gute Portion Scheinheiligkeit vor. So hätten diese doch selbst vor Ort ein altes Herrenhaus abgerissen, um einen modernen Kubus zu errichten, dessen Wohnmittelpunkt noch dazu auf der der Seniorenresidenz abgewandten Seite liege.
Argumente, die man in einer zusätzlichen Stellungnahme nun auch dem Verwaltungsgericht nochmals im Detail unterbreiten will. „Unser Anwalt hatte bei der Anhörung vor allem auf eine Abweisung der Klage plädiert und war somit nicht eingehender auf das Projekt an sich eingegangen. Das wird nun nachgeholt.“
Dies in der Hoffnung, dass das Gericht empfänglicher für die eigenen Erklärungen sein möge als die Kläger, bei denen man damit offenbar auf Granit stößt. „Letztlich geht es diesen doch gar nicht um die angeführten Bedenken. Die wollen das Projekt auf ihrem Nachbargrundstück ganz einfach nicht haben. Und als hochrangiger Ministerialbeamter weiß der Kläger augenscheinlich bestens, an den richtigen Stellen die richtigen Strippen zu ziehen, um das Vorhaben an allen Ecken zu blockieren“, ist Tom Welter überzeugt.
So werde man etwa vom Umweltministerium mit Blick auf den Umgang mit einigen Bäumen an der Rue de l’Hôpital – trotz schriftlich bekräftigter Abmachungen – schon seit zwei Jahren hingehalten. Dass diese und andere Widrigkeiten, die man seit Lancierung der Pläne für die Seniorenresidenz kennt, eine zufällige Verkettung unglücklicher Umstände sind, daran glauben Tom Welter und Pierre Weydert jedenfalls nicht.
Genehmigungen und Garantien gegen Zweifel und Misstrauen
„Da das Projekt in einer BEP-Zone liegt, muss der Pflegebetreiber später eine offizielle Anerkennung der Wohnungen als vollwertige Logements encadrés beantragen, was wiederum voraussetzt, dass der Bau mit Bestätigung der Gewerbeinspektion auch den entsprechenden gesetzlichen Anforderungen entspricht. Hierfür haben wir in Absprache mit der Gemeinde Diekirch sämtliche Genehmigungen eingeholt und vertraglich alle möglichen Garantien verankert“, sagt Pierre Weydert. „Ich weiß beim besten Willen nicht, was wir noch tun sollen.“
Dennoch werde von gewisser Seite stetig versucht, Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Projekts oder der Vertrauenswürdigkeit der Bauherren zu streuen, die mal über die Medien, mal über die daraus folgenden Debatten im Gemeinderat in die Öffentlichkeit getragen würden, so Weydert. „Es ist unfair, es ist kostspielig und letztlich ist es einfach nur traurig. Vor allem für die Senioren, die hier schon auf eine neue Heimat warten.“
Dass die Kläger all das grundlegend anders sehen, dessen ist sich Weyert wohl bewusst. Doch wie es nun einmal unter Nachbarn bisweilen ist: des einen Traum, des anderen Albtraum ...