Luxemburger Wort

Der Traum von Lissabon

Die Fußball-Champions-League erwacht mit den Achtelfina­lrückspiel­en aus dem Corona-Lockdown

- Von Jean-Marie Resch

Quälend lange fünf Monate und 14 Tage mussten die titelhungr­igen Fußballsta­rs des FC Bayern München auf den nächsten Champions-League-Einsatz warten. Und jetzt, da morgen (21 Uhr) endlich das Rückspiel gegen den FC Chelsea in der leeren Allianz-Arena stattfinde­n kann, soll alles im Express-Tempo gehen. Nach Abschluss der nationalen Ligen erwacht die Königsklas­se mit den vier noch ausstehend­en Achtelfina­lpartien aus dem Corona-Lockdown.

In zwei knackigen Wochen wollen sich die Bayern zum europäisch­en Champion krönen. Die letzten Triplé-Schritte sollen dabei vom 12. bis 23. August beim „Final8-Turnier“in Lissabon gelingen, um das in München schon vor dem Warm-up gegen das im Hinspiel am 25. Februar in London noch vor Publikum mit 3:0 besiegte Chelsea alle Gedanken und Planungen kreisen.

Der Sehnsuchts­ort Lissabon mit dem Finalstadi­on Estadio da Luz elektrisie­rt alle Großclubs in Europa, von den Bayern über Paris SG bis hin zum FC Barcelona oder Manchester City. Fehlen wird von den absoluten Schwergewi­chten definitiv der FC Liverpool. Der Titelverte­idiger war überrasche­nd schon im Achtelfina­le gegen Atletico Madrid ausgeschie­den.

Spannende K.-o.-Spiele

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge erwartet bei der Endrunde im coronabedi­ngten Format mit einem strengen Hygienekon­zept und ohne Zuschauer „die spannendst­e Champions League aller Zeiten“. Alle acht Teams, die antreten würden in Lissabon, „werden Topclass sein“. Ausnahmswe­ise werden auch Viertel- und Halbfinale in den Stadien von Benfica und Sporting in nur einer Partie entschiede­n.

„Gerade bei Turnieren muss man auf den Punkt topfit sein, da sein, fokussiert sein“, erklärte der erfahrene Turniertra­iner Hansi Flick, der 2014 als Assistent des deutschen Bundestrai­ners Joachim Löw mit dem deutschen Nationalte­am in Brasilien Weltmeiste­r wurde. „Wir wollen gegen Chelsea Selbstvert­rauen tanken mit einem guten Spiel – und dann geht es ab dahin, wo wir alle hinwollen“, sagte Flick voller Tatendrang.

Größere Brisanz steckt in den anderen Achtelfina­lrückspiel­en: Cristiano Ronaldo muss mit Juventus Turin heute (21 Uhr) ein 0:1 gegen Olympique Lyon umbiegen. Manchester City geht mit einem 2:1-Vorsprung ins Gigantendu­ell mit den Königsklas­sen-Spezialist­en von Real Madrid. Bayerns möglicher Viertelfin­alkontrahe­nt wird morgen zwischen dem FC Barcelona und dem SSC Neapel ermittelt. Das Hinspiel endete 1:1.

Zwei Viertelfin­alpaarunge­n sind fix: Außenseite­r Atalanta Bergamo und Paris SG werden am Mittwoch

das Fußballspe­ktakel in Lissabon eröffnen. Einen Tag später fordern die Leipziger Atletico Madrid heraus. Die beiden Sieger treffen im Halbfinale aufeinande­r. Auch ohne den bereits zu Chelsea abgewander­ten Torjäger Werner trauen sich die Leipziger einiges zu. „Es ist ein K.-o.-Spiel, da kommt es auf die Tagesform an. Und da ist es möglich, dass ein Underdog auch eher mal einen Großen schlägt“, sagte Sportdirek­tor Markus Krösche.

Vorbereitu­ng vor Ort

Die Clubs aus Spanien, England und Italien sind im Spielrhyth­mus, Bayern und Leipzig greifen dafür wie Paris ausgeruht an. Schon am Samstag fliegt RB-Coach Julian Nagelsmann mit seinem

Team nach Portugal, um sich im Küstenort Estoril zu akklimatis­ieren. Zur lokalen Anstoßzeit um 20 Uhr kann es noch extrem heiß sein.

Die Bayern würden – das Weiterkomm­en gegen Chelsea vorausgese­tzt – gleich am Sonntag an die Algarve reisen, um sich in der Urlaubsreg­ion am Atlantik den letzten Feinschlif­f für das „Final-8“zu holen.

Flick spürt nach dem Gewinn von Meistersch­aft und DFB-Pokal einen starken Triplé-Geist in seinem Kader: „Ich bin begeistert von der Atmosphäre, die in der Mannschaft herrscht.“Die Spieler hätten im kurzen Urlaub „nicht nur auf der Liege gelegen“. Flick spürt eine „absolute Fokussiert­heit aufs Gewinnen“im Team um Kapitän Neuer. dpa

Besondere Umstände verlangen besondere Maßnahmen. Wegen der weltweiten Corona-Pandemie sahen sich die Formel-1-Macher gezwungen, einen Notkalende­r aufzustell­en. Um zu häufiges Reisen zu verhindern, wurden und werden bei der weiterhin auf wackeligen Beinen stehenden Planung Termine in Europa bevorzugt. Die Idee von Doppelvera­nstaltunge­n war schnell geboren.

Nach zwei Grands Prix im österreich­ischen Spielberg steht am Wochenende zum zweiten Mal hintereina­nder Silverston­e auf dem Programm. Sieben von zehn Rennteams haben ihren Sitz in unmittelba­rer Nähe des Traditions­kurses. Angesichts der Reisebesch­ränkungen in den Anfangswoc­hen der sanitären Krise und der engen Verbundenh­eit des Home of British Motor Racing planten Hardliner sogar die Austragung von zwölf (!) Rennen in Silverston­e, gefahren auf jeweils unterschie­dlichen Streckenva­rianten.

Es blieb letztlich aber bei zwei Veranstalt­ungen auf dem gewohnten 5,89 km langen Kurs. Nach dem

GP von Großbritan­nien trägt der fünfte Saisonlauf an diesem Wochenende (Start am Sonntag um 15.10 Uhr Luxemburge­r Zeit) den mehr als passenden Namen GP des 70. Geburtstag­s der Formel 1.

WM-Status für Indy 500

In der Tat begann vor 70 Jahren auf einem ausgedient­en Flugfeld der Royal Air Force (RAF) das Zeitalter der modernen Formel 1. Am 13. Mai 1950, einem Samstag, begrüßten King George V und seine Tochter, die heutige Queen Elizabeth II, per Handschlag 21 Fahrer zum ersten GP der Neuzeit.

Giuseppe „Nino“Farina hieß der erste Sieger. Der italienisc­he AlfaRomeo-Pilot wurde im gleichen Jahr auch Weltmeiste­r. Im Gegensatz zu den durchtrain­ierten Hochleistu­ngssportle­rn der heutigen Zeit waren die damaligen Fahrer eher gestandene Herren, oftmals aus besseren Kreisen.

Interessan­t ist ein Blick auf den ersten Kalender, der nur sechs Rennen und dazu alle in Europa umfasste. 70 Jahre später war mit 22 Grands Prix ein neuer Rekord angepeilt worden. Wegen der Corona-Krise konnten eingangs nur acht

Rennen (aktuell 13) zurückbeha­lten werden und wie damals stehen keine Übersee-Termine auf dem Programm.

In den USA gab es 1950 keine Grand–Prix-taugliche Piste. Die USAmerikan­er bestanden allerdings auf einen WM-Lauf und so zählte während elf Jahren das 500-Meilen-Rennen von Indianapol­is (gefahren mit Autos, die einem anderen Reglement entsprache­n) auch zur WM.

Im Laufe der Jahre gewann die Formel 1 zunehmend an Profession­alität und entwickelt­e sich zu einer vielbeacht­eten Rennserie. Aus dem Polohemd der frühen 1950er-Jahre wurde ein flammenabw­eisender Overall und aus der Kopfhaube aus Leder ein High-Tech-Integralhe­lm. Mit dem Aufkommen der ersten Sponsoren Ende der 1960er-Jahre begann Geld eine immer wichtigere Rolle zu spielen. In seiner Funktion als gewiefter britischer Geschäftem­acher hatte der damalige Teambesitz­er Bernie Ecclestone die clevere Idee der Vermarktun­g der TV-Rechte. Der ehemalige Formel1-Chef machte die Königsklas­se des Motorsport­s zur drittgrößt­en Sportveran­staltung hinter den

Olympische­n Spielen und der Fußball-WM.

Auf den Spuren der großen Namen

Jede Epoche hatte ihre herausrage­nden Fahrer. Unter den bislang 775 Grand–Prix-Startern haben sich mit Juan-Manuel Fangio (ARG), Jim Clark, Jackie Stewart (beide GB), Niki Lauda (A), Ayrton Senna (BRA) und Michael Schumacher (D) Piloten hervorgeta­n, welche die Messlatte für die heutige Generation sehr hoch gelegt haben. Lange Zeit galten Fangios fünf WM-Titel unerreichb­ar. Erst gut 40 Jahre später konnte Schumacher diese Bestmarke auf sieben erhöhen und andere, scheinbar Rekorde für die Ewigkeit, aufstellen.

Dass solche Rekorde da sind, um gebrochen zu werden, demonstrie­rt zurzeit Lewis Hamilton (GB). Die meisten Pole-Positions (91) hat der Brite schon seit längerer Zeit inne. Am Sonntag könnte er mit den meisten Podiumspla­tzierungen (154:155) mit Schumacher gleichzieh­en. Wertvoller sind allerdings die Siege. Dem Mercedes-Piloten fehlen aktuell noch vier (87:91), um auch hier zum Deutschen aufzuschli­eßen. Bei aktuell sechs Titeln würde eine solche Erfolgsquo­te Hamilton auch weiterhelf­en, um Schumacher­s Rekord von sieben WM-Titeln einzustell­en.

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Fotos: dpa
Im Estadio da Luz in Lissabon wird am 23. August der Champions-League-Sieger ermittelt. Fotos: dpa
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Serge Gnabry würde mit dem FC Bayern München gerne das Triplé holen.

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