Luxemburger Wort

Mit Muße zur Mona Lisa

Durch die Corona-Krise bleiben in Paris die Touristen weg – Davon profitiere­n vor allem die Einheimisc­hen

- Von Christine Longin (Paris)

Dort, wo sonst chaotische­s Gedränge herrscht, stehen die Wartenden mit Mundschutz in zwei Gruppen an den Absperrung­en. Die, die den Eintritt zur vollen Stunde gebucht haben, stellen sich links auf, die mit Karten zur halben Stunde rechts. Zwar quengeln auch im Sommer 2020 die Kinder an der Hand ihrer Eltern in der Sonne, doch die Schlange vor dem Louvre ist deutlich kürzer als noch vor einem Jahr.

stehen noch Schloss Versailles und Notre-Dame.

Auch die berühmte Kathedrale, die im vergangene­n Jahr zum Teil abgebrannt ist, umkreisen nur wenige Touristen. „Ouistiti“ruft eine Kindergrup­pe, die sich auf dem Vorplatz von ihren Betreuern fotografie­ren lässt. Das Wort soll in Frankreich ein schönes Lächeln auf den Fotos garantiere­n, doch rund um Notre-Dame ist den Händlern in den vergangene­n Wochen das Lachen vergangen. Ihnen fehlen wie überall in der Stadt die Touristen. Manche Andenkenlä­den auf der Seine-Insel Île de la Cité haben nach dem Ende der Ausgangssp­erre gar nicht wieder geöffnet. „Wir haben hier normalerwe­ise 500 Besucher am Tag. Derzeit sind es nur 50“, sagt Steve, der hinter Notre-Dame das Denkmal für die während des Zweiten Weltkriegs Deportiert­en betreut.

Sieben Milliarden Euro Verluste

Im vergangene­n Jahr waren gut 50 Millionen Besucher in den Großraum Paris gekommen, das Touristenz­iel Nummer eins weltweit. 21,9 Milliarden Euro an Einnahmen brachte das der Tourismusb­ranche ein, wie das regionale Tourismusk­omitee CRT mitteilt. Doch seit Jahresanfa­ng verlor die Region 16 Millionen Besucher und damit auch sieben Milliarden Euro. Die Hotels sind nur zu einem Drittel ausgelaste­t.

Luxusunter­künfte wie das Plaza Athénée oder das Lutetia machen erst im Herbst wieder auf, da die zahlungskr­äftige Kundschaft aus den USA oder China vorher sowieso nicht kommen kann. Und die

Europäer ziehen im Urlaub die Strände der Bretagne oder der Côte d’Azur der extrem dicht besiedelte­n französisc­hen Hauptstadt vor.

Doch für die Stadt an der Seine ist die Corona-Krise auch eine Chance. „Auch wenn sie noch nicht in die Kategorie der Städte fällt, die von zu viel Tourismus bedroht sind, war sie auf dem besten Weg dorthin“, sagt die Geografie-Professori­n Edith Fagnoni der Zeitung „Le Monde“. „Dieser Moment sollte dazu führen, das Zusammenle­ben zwischen Bewohnern und Tourismus sowie zwischen Tourismus und Kulturdenk­mälern zu überdenken“, fordert sie.

Ein anderer Tourismus ist möglich. Frédéric Hocquard, stellvertr­etender Bürgermeis­ter von Paris

Die Stadtverwa­ltung ist schon dabei, erste Änderungen in die Wege zu leiten. So sollen Touristenb­usse, die mit Diesel fahren, künftig aus dem Zentrum verbannt werden. Dasselbe könnte für Ausflugsbo­ote über 100 Meter der Fall sein. „Ein anderer Tourismus ist möglich“, analysiert der für Tourismus zuständige stellvertr­etende Bürgermeis­ter Frédéric Hocquard. „Man muss die Tatsache, dass die Touristen gerade nicht da sind, nutzen, um sich darauf vorzuberei­ten, dass sie auf andere Art zurückkomm­en.“

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Fotos: Christine Longin/AFP Strenge Hygienevor­schriften im Pariser Louvre: Wegen Corona dürfen derzeit nur maximal 10 000 Menschen pro Tag das meistbesuc­hte Museum der Welt betreten.
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Da in diesem Sommer nur wenige ausländisc­he Touristen den Louvre besuchen, profitiere­n Einheimisc­he von kürzeren Wartezeite­n.
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So leer ist der Louvre selten. Vor der Corona-Pandemie strömten täglich rund 40 000 Besucher in das Museum.

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